DV-Management zwischen Maschinensprache und vierter Softwaregeneration:Der Entwicklungsstau ist ein Pflegestau

14.01.1983

1954 standen in deutschen Büros drei elektronische Rechenanlagen, heute sind es über 300 000 Computer und Terminalsysteme. Aber immer noch scheint das Unbehagen größer als die Akzeptanz. Andererseits haben schon viele Fachabteilungen das Kommando übernommen: Sie verantworten zunehmend die Anwendungsentwicklung, sie odern Mikrocomputer. Sitzt das klassische DV-Management künftig zwischen allen Stühlen?

Die Endbenutzer sind überaus kritisch geworden. Ihren Anforderungen an die DV wurden zu oft von Organisation und Programmierung die - ihnen unverständlichen - Grenzen des Machbaren in der EDV entgegengestellt. Der vielzitierte Entwicklungsstau fördert die Antipathie. Jetzt muß die DV Ballast abwerfen, um nicht als innovative Technologie an ihren eigenen alten Prozeduren zu ersticken.

Solange die Datenverarbeiter gezwungen sind, die Physik der Daten sowie die Umwelt von Hard- und Software zu kennen und nachzuvollziehen, so lange produzieren sie mehr Staus als Entwicklungen.

1982 erhielten sie aber eine neue Chance. Die vierte Softwaregeneration wurde eingeläutet. Sie befreit von daten-, software- und hardwaretechnischen Sachzwängen - man kann die reine Anwendungslogik in Pseudocode-ähnlicher Manier definieren. Wer allerdings 1000fache Produktivitätssteigerung verspricht, macht diese Chance eher lächerlich, begreift nicht den Ernst der Stunde.

DV-Abteilung als Fahrlehrer

Die Pseudocode-artige Definition der Anwendungslogik macht die Sache derart einfach, daß die Endbenutzer häufig selbst aktiv an den Entwicklungen partizipieren können

oder sie gar selbst konzipieren.

Das ergibt zwei Nutzen zugleich: Wer selbst EDV macht, weil er sie versteht - und umgekehrt -, der akzeptiert die EDV auch. Und außerdem vermehrt sich der Kreis potentieller im Unternehmen.

Datenverarbeitung so verbreitet und akzeptiert wie das Auto - das ist die Chance, die die vierte Softwaregeneration dem DV-Management gibt.

Das Auto hat sich nicht durchgesetzt, weil Herr und Frau Jedermann eines Tages bereit waren, Kfz-Technik zu studieren. Nein, das Auto wurde weiterentwickelt, bis es für jedermann steuerbar war. Dafür genügt eine Fahrschule. Diese Wende bringt die vierte Softwaregeneration in der EDV.

Der Weg zu diesen modernen Anwendungsentwicklungssystemen ist seit langem vorgezeichnet.

Die Assembler befreiten von der Adressierungstechnik der Maschinensprache. Cobol und PL/1 befreiten von der internen Befehlsstruktur der Assembler.

Konklusion von Sprache und Datenadministration

Doch trotz der so erreichten Problemorientierung mußte weiterhin jede Aufgabe in relativ kleine Einzelschritte zerlegt werden. Die Prozedur mit diesen "prozeduralen Sprachen" war also noch nicht einfach genug.

Die "Hochsprachen" der vierten Generation, die very high level languages, bringen die Befreiung von den prozeduralen Strukturen. Deshalb werden sie auch "nicht-prozedurale Sprachen" genannt. Tabelle 1 zeigt die Entwicklung.

Die "Hochsprache allein löst jedoch keineswegs die Produktivitätsprobleme. Denn die Hauptaufgabe jeder Anwendung besteht - allgemein gesprochen - darin, Daten in jeweils andere Aufbereitungs- und Darstellungsformen zu konvertieren.

Es muß sich auch unsere Technik der Datenadministration ändern, Unabhängigkeit von der Datenphysik und von den Datenstrukturen geschaffen werden, wenn wir die Anwendungsentwicklung flott machen wollen.

In einem interaktiven, Data-dictionary-gestützten Entwicklungssystem definiert der Benutzer seine konkrete Datensicht (User View) - und setzt sie dann direkt um mit einer nicht-prozeduralen Sprache.

Ein Beispiel dafür ist ein integriertes System wie Adabas/Natural. Die Technik dieser vierten Generation nimmt dem "EDV-Fahrer" die Adreßtechnik und Programmstrukturierung, die Datenzuordnung, Compilierung usw. ab. Er fährt sein System nach seinem Bedarf und kann sich auf das Ergebnis verlassen. Was an moderner Technik für den "Fahrkomfort" unter der Motorhaube steckt, belastet ihn nicht. Diese Entwicklung zeigt Tabelle2.

Der Ballast von früher ist Mitursache für den Entwicklungsstau. Aber schlimmer: Er bindet 70 Prozent der Kapazität in Pflegearbeiten.

Der Bedarf, das zu ändern, ist groß Die Verkaufszahlen für die neuen Systeme beweisen es. Die positiven Konsequenzen für das DV-Management lauten:

- Entwicklungs- und Pflegestau verabschieden durch Nutzung der vierten Software-Generation;

- die Entwicklungsaufgaben nicht nur nach inhaltlicher Verantwortung, sondern auch ausführungsseitig an die Fachabteilungen delegieren.

Wenn das DV-Management dafür 1983 die Vorbedingungen schafft vergrößert sie Nutzen und Akzeptanz der EDV auf breiter Ebene.

Wolfgang Mudter ist Leiter Marketing der Software AG in Darmstadt.