Ideenreiche, einsatzfreudige und mitreißende Führungskräfte gesucht:

DV-Management: Abschied vom Technokraten

05.06.1981

Bei der Auswahl von Fach- und Führungskräften werden allzuoft die falschen Anforderungen betont. Kurzfristig kann die Besetzung einer Schlüsselposition mit einem Technokraten finanzielle Vorteile bringen. Über Jahre hinweg kostet sie das Unternehmen Millionen - oder gar die Existenz.

Fluktuationsanalysen von Betriebspsychologen in Großunternehmen ergaben, daß Erfolg und Mißerfolg von Managern aller Disziplinen nur zu etwa 25 Prozent von Fachkenntnissen abhängig sind. Der weitaus größere Teil ihrer Erfolge beruht auf

- der Fähigkeit, mit Menschen umzugehen;

- der persönlichen Leistungsbereitschaft, dem Willen ("Drive") oder der Motivation, erfolgreich zu sein und

- dem Intellekt.

Vor zehn Jahren bezogen sich 90 Prozent der Fragen des Bewerbergesprächs auf die Fachkenntnisse (bekannte Programmiersprachen, Maschinenkonfiguration, Leistungsfähigkeit eines Betriebssystems, System-Software, RZ-Führung, Abläufe in technischen und betriebswirtschaftlichen Bereichen, Fertigungssteuerung, Finanz- und Rechnungswesen, Lagerhaltung und Optimierung).

Die persönliche Auswahl, also zehn Prozent der Fragen, beschäftigte sich mit Nebensächlichkeiten. Manchmal wurden sogar die zu führenden Mitarbeiter bei der Auswahl des passenden Managers berücksichtigt. Es wurde der fachlich versierte Technokrat gesucht und nicht die zukunftsorientierte, ideenreiche, einsatzfreudige, mitreißende Führungskraft. Das hat dazu geführt, daß die EDV/Organisation in vielen Unternehmen nur Kostenverursacher und nicht Führungsinstrument wurde. Die gewünschte Rationalisierung trat nicht ein.

Heute ist das Verhältnis von Fachfragen zu Fragen nach der Motivationslage und Persönlichkeit im Bewerbergespräch vielerorts bereits 50 zu 50. Die Gespräche sind intensiver und damit länger als zuvor. Bevor eine Entscheidung getroffen wird, kommen meist mehrere Interviews zustande.

Selbstverständlich sind auch die Fragen nach den Fachkenntnissen heute etwas anders als vor zehn Jahren. Sie sind aber nach wie vor gekennzeichnet durch fremdsprachliche Zungenbrecher und esoterische Abkürzungen wie DDP, CAD/CAM oder VLSI.

Viel mehr beschäftigt man sich aber mit Fragen wie:

- Warum ist der Bewerber aus stimmten Positionen ausgeschieden?

- Warum hat er andere Positionen angenommen?

- Was sind seine beruflichen Lieblingsbeschäftigungen?

- Ist er ein Mensch, der Teams bilden kann oder ein Einzelkämpfer?

- Ist er ein positiver Denker beziehungsweise Optimist mit pragmatischer Einstellung?

- Warum findet er die wahrzunehmende Aufgabenstellung erstrebenswert?

Die Betonung liegt darauf, was der Stellenanwärter mit seinen beruflichen Zielsetzungen erreichen will.

Die Aufgabe des Managements heute liegt darin, Fach- und Führungskräfte zu finden, die eine gewisse Tätigkeit ausüben wollen und nicht jemanden, der aufgrund seiner Fachkenntnisse und Erfahrung die Position wahrnehmen könnte.

Die Suche nach motivierten Führungskräften löst eine Reihe neuer Probleme aus. Wie erkennt man, daß eine Führungskraft für eine bestimmte Position geeignet ist, wenn sie diese vorher noch nicht wahrgenommen hat? Man ist gezwungen, neben der Ausbildung und Erfahrung des Bewerbers auch die Wünsche und Ziele zu berücksichtigen, die er mit der Wahrnehmung der Tätigkeit verbindet. Es gilt zu erkennen, was den Bewerber in der Vergangenheit zu Höchstleistung veranlaßt hat und das in Beziehung zum Aufgabenziel zu setzen.

Im DV- Bereich muß man davon ausgehen, daß die Fach- und Führungskräfte nicht genau kontrolliert und gesteuert werden können. Man ist auf das Engagement, die Motivation und die persönliche Kreativität der Mitarbeiter angewiesen. All dies ist nur dann gegeben, wenn die Führungskraft eine Position hat, die sie selbst als Herausforderung an ihre Fähigkeiten empfindet.

Der autoritäre DV/Orga.-Leiter

Sicher kennt jeder die autoritär geführten DV/Orga.-Abteilungen, in denen Systemplaner und Projektleiter auf Befehl "kreativ denken" müssen. Kreativität entsteht aber nur in einer verhältnismäßig freizügigen Atmosphäre, unabhängig von Zwang, wenn Mitarbeiter ein Höchstmaß an Engagement und Problemorientierung haben.

Friedrich Herzberger hat in den 60er Jahren bereits den Weg in die Zukunft mit seiner Behauptung aufgezeigt, daß Geld nicht motiviere, wenn es aber fehle, sei es ein großer Demotivator.

Wirklich motivieren kann nur die Aufgabe und die "Macht", die eine Führungskraft empfindet durch die eigene Entscheidung darüber wann, wie, wo, warum und was sie unternimmt, um ein bestimmtes Ziel ohne Anordnungen von Vorgesetzten zu

erreichen. Selbstverständlich sind Fachkenntnisse Voraussetzung für dieses freizügige Arbeiten. Nicht ganz so selbstverständlich sind die Fähigkeit, mit anderen Menschen umgehen zu können, und das Interesse für die Ziele der Aufgabenstellung, die Bereitschaft, sich zu engagieren, das heißt, sich innerlich zu verpflichten, ein bestimmtes Ziel zu erreichen sowie Gesundheit, Energie: Alles in allem die Bereitschaft und die Fähigkeit zu Leistung.

Es gibt in dieser Überlegung eine gültige Gleichung:

Leistung = Qualifikation x Motivation

Wenn die Motivation hoch ist, lohnt es sich, die Qualifikation auszubauen, umgekehrt lohnt sich das nicht so sehr.

Ein modern geführter Computer-Hersteller ist mittlerweile davon abgekommen, Bewerber allein nach ihrer Ausbildung einzustellen. Sie werden nach ihren Interessengebieten eingesetzt. So kann auch ein promovierter Physiker im technischen Kundendienst tätig sein, wenn er das Interesse für diese Aufgabenstellung mitbringt.

Suchen Sie motivierte Führungskräfte, denn sie sind Ihr wichtigster Konkurrenzvorteil!