DV-Leiter avancieren zu Informations-Managern

21.11.1986

Der DV/Org.-Verantwortliche hat sich zur Instanz gemausert, von dessen Qualität "Wohl und Wehe des Unternehmens abhängt", charakterisiert Herbert Wicke, Flugzeugwerke Henschel & Co., den Wandel seines Berufsbildes während der vergangenen Jahre. Einst betraut mit der elektronischen Buchführung steht der Computerexperte jetzt der Geschäftsleitung beratend und planend zur Seite, finden auch Wolfdieter Schumacher von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienste und Wohlfahrtspflege sowie Christian Lehmann, DV-Leiter beim Bankhaus Fischer & Co. Von größerer Akzeptanz bei Anwendern und Unternehmensleitung schließlich weiß der Kollege der Pfaudler Werke, Friedrich F. Guenzel, zu berichten, der indes ebenso wie Werner Rau vom Verlag Das Beste in Stuttgart den künftigen Einsatz von DV- und Finanzressourcen als neue Herausforderung ansieht.

Wolfdieter Schumacher

Leiter DV, Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienste und Wohlfahrtspflege, Hamburg

Die Tätigkeit des DV/Org.-Leiters innerhalb einer öffentlichen Verwaltung hat vier Aufgabenschwerpunkte. Erster Aufgabenschwerpunkt ist die Beratung der Verwaltungsleitung in allen Fragen der Informationsverarbeitung, die die langfristige Entwicklung betreffen. Wichtig hierbei ist, eine allgemeinverständliche Darstellungsform für die Spezialaufgaben der Informationsverarbeitung zu finden, um so auch den DV-Laien Problematiken darzustellen und für Entscheidungsprozesse transparent zu machen. Die DV muß aus ihrem elitären Denken herauskommen und sich der Aufgabenstellung innerhalb einer Verwaltung als Dienstleister öffnen.

Zweiter Aufgabenschwerpunkt ist die langfristige Innovationsplanung im DV-Bereich. Diese Innovationsplanung muß in einem sehr starken Bezug zum weiteren Ausbau der Anwendungssysteme stehen. Hieraus leiten sich auch die Weiterentwicklung von System-Software und Hardware ab. In den beiden letztgenannten Bereichen werden auch Einflüsse von außen wirksam; da hier eine starke Abhängigkeit zu den Herstellern besteht. In diesen Aufgabenbereich fällt folglich ebenfalls die Beobachtung des Marktes und der allgemeinen Entwicklungstendenzen im DV-Bereich.

Dritter, außerordentlich wichtiger Tätigkeitsbereich sind alle Aufgaben und Fragestellungen, die mit dem Personal der DV-Abteilung zusammenhängen. Schwerpunkte hierbei sind zum einen die Gewinnung neuen Personals für wachsende Aufgabenstellungen und zum anderen die Aus- und Fortbildung des vorhandenen Personals. Beide Aufgabenstellungen sind angesichts der Situation auf dem DV-Stellenmarkt ausgesprochen schwierig.

Hinzu kommt im öffentlich-rechtlichen Bereich die sehr starre Einbindung in das vorhandene Tarifgefüge, welches mit den Gehältern im Bereich der freien Wirtschaft nicht konkurrieren kann.

Die Planung der Aus- und Weiterbildung ist sehr eng verknüpft mit dem zweiten von mir genannten Punkt: der langfristigen Planung im Bereich der Anwendungsentwicklung und der Systemsoftware. Hier ist sowohl eine zeitliche als auch eine sachliche Korrelation herzustellen, um in der Lage zu sein, die geplanten Aktivitäten dann auch mit Hilfe der eigenen Mannschaft durchzuführen.

Ein weiterer sehr wesentlicher Punkt ist die Motivation der Mitarbeiter durch attraktive Aufgabenstellungen, Erfolgserlebnisse und übertragene Verantwortung.

Vierter und fast bedeutendster Aufgabenbereich des DV/ Org.-Leiters besteht darin, die Kommunikation mit den Nutzern des DV- und Informations-Systems aufrechtzuerhalten. Hierzu gehört auch das Krisenmanagement, wenn beispielsweise Probleme in der Zusammenarbeit mit den Fachbereichen auftreten. Weiterhin muß der DV/Org.-Leiter die Akzeptanzprobleme der Benutzer frühzeitig erkennen um eingreifen zu können und diese Art Probleme verhindern zu helfen.

Es zeigt sich, daß der DV-Verantwortliche nur zu einem relativ geringen Anteil noch aus dem eigenen Know-how heraus gestaltend wirkt, sondern daß er primär Berater und Dienstleister innerhalb einer Verwaltung sein muß.

Herbert Wicke

Leiter DV, Henschel Flugzeug-Werke GmbH, Kassel

Unser Problem ist nicht der Mangel, sondern der Überfluß an Informationen. Sie sachgerecht auszuwählen und zu speichern, zu kanalisieren und zu verdichten, sie den berechtigten Nutzern aktuell und nach ergonomischen Gesichtspunkten aufbereitet zur Verfügung zu stellen, ist heute unsere Aufgabe. Darum haben wir uns selbstverständlich auch schon in der Vergangenheit bemüht. Doch erst mit dem Preisverfall der Hardware, der auch einem mittleren Industrieunternehmen, wie unserem mit etwa 400 Mitarbeitern, ausreichend große interne und externe Speicher, hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit, den Übergang von der Stapel- zur Dialogverarbeitung und Multitasking bescherte, gelang es uns, diese Aufgaben zu erfüllen.

Waren es vor etwa zwölf Jahren vor allem Probleme des Rechnungswesens (dies erklärt die organisatorische Anbindung der Datenverarbeitung an diesen Bereich in unserem Hause), die es zu lösen galt, so begreifen wir uns heute als Dienstleistungsabteilung für das gesamte Unternehmen in Sachen Informationsverarbeitung und in den letzten Jahren immer mehr auch in Sachen Kommunikation (Stichworte: ISDN, neue Dienste der Bundespost). Wir, das sind ohne die zentrale Datenerfassung vier Mitarbeiter der DV-Organisation und Programmierung, die heute allerdings besser aus- beziehungsweise fortgebildet sind. Ein kleines Team, das methodischer vorgeht, aber manchmal auch nicht weiß, wie es seine Aufgaben termingerecht erfüllen soll.

So wie die Herausforderungen hat sich auch der Schwerpunkt der Tätigkeit des Leiters der DV/Org. und Programmierung verlagert. Standen in der Vergangenheit Planung und Überwachung der Termine - wohl zwangsläufig bei Stapelbetrieb - und die Übernahme eines Aufgabengebietes nach dem anderen (Insellösungen} im Vordergrund, so geht es heute vor allem um Zukunftskonzepte, genauer um die Entwicklung eines DV-Gesamtsystems für das Unternehmen, um Planung und Durchführung daraus abgeleiteter Projekte und nicht zuletzt um Mitarbeiterführung.

Dieser Prozeß vollzog sich allmählich und für die Betroffenen kaum bewußt. Damit einher ging eine Veränderung des Verhältnisses von Unternehmensleitung und DV-Abteilung. Die Geschäftsleitung hat erkannt, daß Wohl und Wehe des Unternehmens zu einem beträchtlichen Teil vom "Funktionieren" der Datenverarbeitung abhängt. Wurde anfangs die DV-Abteilung als teures Organisationsmittel der Buchhaltung betrachtet, so wird heute deren wesentlicher Beitrag zur gesamten Aufbau- und Ablauforganisation des Unternehmens voll erkannt und gefördert. Damit ist die Grundlage für eine weitere hilfreiche Unterstützung der DV-Abteilung bei der Umsetzung ihrer Konzepte gelegt.

Künftig wird in unserer Abteilung nicht mehr die Entwicklung von Software so sehr im Vordergrund stehen. Unsere Tätigkeit wird in einem beträchtlichen Maße darin bestehen, die Mitarbeiter in den Fachabteilungen bei der DV-gestützten Bewältigung ihrer Aufgaben zu betreuen und zu unterstützen. Durch den verstärkten Einsatz moderner Hard- und Softwaretechniken ist die DV-Leitung gefordert, hauptsächlich Koordinierungsaufgaben hinsichtlich der rationellen Verwendung dieser Werkzeuge zu erfüllen.

Christian Lehmann

Leiter DV/Org., Bankhaus Fischer & Co., Hamburg

Das Arbeitsgebiet des Leiters DV/Org. hat sich von der klassischen Datenverarbeitung zur Informationsverarbeitung gewandelt. Der Leiter DV/Org. wird auch in kleinen und mittelständischen Unternehmen immer mehr mit Managementfunktionen betraut, da generell in den vergangenen Jahren eine größere Bereitschaft von seiten der Geschäftsleitung entstanden ist, die Informationsverarbeitung für das Management zu einem starken Instrument zu machen.

Die neu hinzugekommene Akzeptanz ermöglicht Managementplanungen sowie Controlling. Durch die erweiterten Aufgaben des Leiters DV/Org. ist diese Position nun beim Management anzusiedeln.

In diesem Bereich obliegt mir beispielsweise die Auswahl von angebotener Herstellersoftware mit den Werkzeugen und Methoden unter folgenden Aspekten:

- Die angebotene Herstellersoftware muß in den normalen Rechenzentrumsbetrieb integrierbar sein.

- Darüber hinaus muß diese Software auch dem Management zur Verfügung gestellt werden können.

Die Veränderungen der Aufgabenstellungen des Leiters DV/Org. lassen sich intern speziell bei neu zu entwickelnder Online-Software feststellen. Die einzelnen Mitarbeiter sind in diesen Entwicklungsprozeß viel stärker integriert; sie sind in den letzten Jahren bei DV-Fragen und Entwicklungen mündiger geworden.

Von DV-Verantwortlichen ist also nicht nur ein Fachwissen gefordert, sondern auch Lösungsvorschläge für die Sachprobleme der Fachabteilung.

Vielleicht wird sich durch die Aufgabenverlagerung für die Zukunft zur Entlastung des Leiters DV/Org. eine zweite Ebene bilden, die sich als Assistentenfunktion zwischen Leiter und Rechenzentrumsbetrieb entwickeln wird.

Friedrich F. Guenzel

Leiter DV, Pfaudler-Werke AG, Schwetzingen

Das Jobverständnis des DV-Leiters wurde im Laue der vergangenen Jahre zunehmend von der Notwendigkeit bestimmt, sich einer immer schneller wechselnden Umwelt anzupassen. Der Wandel von einer Produktions- und Dienstleistungsgesellschaft zu einer Informationsgesellschaft bestimmt im DV-Bereich die Richtung: weg von der herkömmlichen Datenverarbeitung und hin zum Informations-Management.

Führte in der Vergangenheit mangelnde DV-Kenntnis in vielen Unternehmen zu einer Isolation der DV-Abteilung und vielfach zu einer Vormachtstellung, so leitete doch die Dialogverarbeitung und die Einrichtung von Bildschirm-Arbeitsplätzen den Abbau der Bevormundung durch die Fachabteilung ein. Die Öffnung der DV nach außen und die Forderung des Managements und der Fachabteilungen nach mehr und nach qualitativ besserer Information bestimmen heute zunehmend die

Arbeitsweise der DV-Abteilung. Die Erkenntnis, daß Datenverarbeitung nicht ihrer selbst wegen betrieben wird und nur ein Instrument neben anderen ist, Prozesse im Unternehmen zeitlich und wirtschaftlich zu optimieren, mit dem Ziel, im Wettbewerb Vorteile zu schaffen, ist auch dem DV-Verantwortlichen nicht unbekannt.

Die Forderung nach rechnerintegrierter Fertigung, all die diversen CAs, unter dem Begriff "CIM" zusammengefaßt, und die Forderung nach besserer (Büro-)Kommunikation im Unternehmen stellen den DV-Leiter vor neue Aufgaben. Die hierzu erforderliche Vernetzung der unterschiedlichsten Rechnersysteme bedingt auch Investitionen im Hardware-/Software- und im Personalbereich. Der Mangel an qualifizierten Fachkräften macht eine vorausschauende Personalplanung, Entwicklung und Weiterbildung zwingend erforderlich. Man wird auch weiterhin in den DV-Abteilungen die Hoffnung nicht aufgeben, daß es eines Tages gelingen wird, durch den Einsatz leistungsfähiger Hardware, effizienter Programmierhilfen und -sprachen zukünftiger Generationen in Verbindung mit ausreichender Programmierkapazität, den Rückstand in der Realisierung der Anwenderwünsche auf ein vernünftiges Maß zu beschränken. Der DV-Verantwortliche wird sich dann in Zukunft weniger zwischen budgetbesorgten Managern und unzufriedenen Anwendern bewegen müssen.

Der DV-Leiter muß lernen, in die Rolle des Informationsmanagers hineinzuwachsen. Das technologische Wissen in seinem Verantwortungsbereich wird sich in immer kürzeren Zeitabständen überholen. Wenn man davon ausgeht, daß die Aktualität des Wissens im Bereich Informationstechnik nur noch etwa drei Jahre beträgt, so wird deutlich, daß die Hälfte des vorhandenen Wissens in diesem Zeitraum erneuert werden muß. Der Evolution des DV-Leiters steht nichts im Wege.

Werner Rau

Leiter Systemanalyse und Programmierung, Verlag Das Beste, Stuttgart

Läßt man die letzten fünf Jahre in der Erinnerung Revü passieren, wird bewußt, welche zum Teil dramatischen Wandlungen auf dem Gebiet der Technologie das DV-Umfeld verändert haben und noch heute verändern. Ich denke hierbei an so entscheidende Entwicklungen wie die rasche und "flächendeckende" Verbreitung der Online-Anwendungen, die heute bereits zur Selbstverständlichkeit geworden sind, das schnelle Vordringen der Personal Computer oder die Verwendung von Textsystemen.

Dieser schnelle Wandel geht heute bei weitem nicht mehr von der DV-Abteilung allein aus, sondern wird in zunehmendem Maße von den Anwendungsabteilungen auch selbst vorangetrieben.

Ein Ende der skizzierten Entwicklung ist heute nicht abzusehen; sie scheint sich vielmehr durch das rasche Zusammenwachsen der früher getrennten Disziplinen Daten-, Text- und Bildverarbeitung, Datennetze oder postalische Dienste eher noch zu beschleunigen.

Auf dem Gebiet des RZ-Betriebs verläuft derzeit eine Entwicklung, die einen weitgehend automatisierten Betrieb in den nächsten zehn Jahren zum Ergebnis haben wird. Techniken, die diese Entwicklung vorantreiben, sind unter anderem automatisierte Job-Schedulingsysteme, größere Plattenspeicher, intelligentere Datenbank- und Bandverwaltungssysteme, Automaten sowie direkte Zugangsmöglichkeiten der Endbenutzer zum Rechner. Diese Entwicklung verläuft mit dem Trend zur bedienerlosen Montagestraße in der Fertigungsindustrie parallel. Es wird die Aufgabe des DV-Leiters sein, eine solche automatisierte Umgebung systematisch aufzubauen und einen kleinen, aber hochspezialisierten Mitarbeiterstab heranzubilden, der den Betrieb einer solchen "Maschine" organisieren und aufrechterhalten kann.

Die Entwicklung von DV-Systemen wird meines Erachtens in der Zukunft unter anderem von folgenden Trends verändert werden:

- Die Programme für Ad-hoc-Auswertungen, die das Management für seine Entscheidungen benötigt, werden weitgehend mit der Hilfe mächtiger DV-Werkzeuge von den Fachabteilungen selbst erstellt werden.

- Die DV-Abteilung wird weiterhin die operationalen Systeme entwerfen und betreuen, soweit diese abteilungsübergreifend verwendet werden müssen.

- Auch für die "professionelle Entwicklung" von DV-Systemen wird es mächtigere und wirkungsvollere Hilfsmittel geben, die den Anteil der gewohnten Programmiertätigkeit stark reduzieren werden.

- Der DV-Abteilung fällt in zunehmendem Maße die Rolle zu, die Nutzung der abteilungsübergreifenden Daten zu koordinieren und zu organisieren.

Zur Bewältigung der vorgenannten Aufgaben muß sich der DV-Leiter verstärkt mit den theoretischen Grundlagen und Konzepten, die den zukünftigen Werkzeugen, Techniken und Arbeitsmethoden zugrunde liegen, auseinandersetzen. Ich denke hierbei an das relationale Datendesign, die strukturierten Methoden von Prozeßanalyse und -design sowie Programmierung oder an Architekturen von Netzwerken. Diese theoretischen Konzepte liefern die Auswahlkriterien für die zukünftigen Werkzeuge und Techniken.

In diesem Zusammenhang steht auch "Informations-Management", dem ich eine allgemeinere Rolle in der Datenverarbeitung zuspreche. Ich möchte hier einen Vergleich mit der Finanzabteilung ziehen. Die Buchhaltung ist sicherlich eine der ältesten Formen der betrieblichen Informationsverarbeitung. Ihre Zielrichtung ist jedoch in erster Linie auf die Abbildung des betrieblichen Werteflusses ausgerichtet. In diesem Sinne ist sie eine Teildisziplin der allgemeinen Informationsverarbeitung. Zur Steuerung komplexer Produktionsprozesse oder zur Vorbereitung von Marketingentscheidungen reicht die Informationssammlung von wertmäßigen Veränderungen des Warenflusses indes nicht mehr aus. Die meisten Automatisierungsvorhaben werden nur durch die Verarbeitung zusätzlicher Daten erst möglich. Hier werden sachgemäß aufbereitete Informationen zur erfolgsentscheidenden Unternehmensressource. In anderen Fällen wird die Information selbst immer häufiger zum Produkt. Dies zeigt sich beispielsweise in der zunehmenden Anzahl der öffentlich zugänglichen Datenbanken.

Aus der Vielzahl der technischen Möglichkeiten und Einsatzformen der Informationsverarbeitung erwächst ein Spannungsfeld, in dem es immer wichtiger wird, den Einsatz der begrenzten Finanz- und DV-Ressourcen richtig zu lenken. In der Synthese der unterschiedlichen Techniken und dem Versuch, die zwangsläufig unterschiedlichen Ressortinteressen auszugleichen, sehe ich heute die entscheidende Herausforderung für den DV/Org.-Leiter.

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