DV-Jobs: Angebot und Nachfrage stimmen nicht mehr überein

29.09.1989

Ulrich W. Schamari

Public-Relations-Beratung, Frankfurt

Die Zahl der Arbeitssuchenden im Bereich der Datenverarbeitung hat zugenommen. Das bedeutet sicherlich einen Schock für alle, die daran glauben, daß die fortschreitende Durchdringung unserer Gesellschaft mit den modernen Informations- und Kommunikationstechnologien eine schönere und bessere Welt liefert - und dazu zählt eben auch die Schaffung einer Vielzahl bombensicherer Arbeitsplätze mit zukunftsträchtigen Tätigkeitsmerkmalen.

Schließlich wurde dem polemischen "Job-Killer"-Vorwurf zurückliegender Jahre lange genug entgegengehalten, daß anstelle der durch die Computerisierung verlorengegangenen Stellen neue, sauberere, qualifiziertere - kurzum: humanere - Arbeitsplätze entstehen. Und die jahrelang beachtlichen Zuwachsraten bei den Beschäftigten in den EDV-Berufen ebenso wie die endlose Menge von Stellenangeboten in Tages- und Fachzeitungen rechtfertigten bislang diese Euphorie. Angesichts der 40 000 Informatiker, die als Fehlbestand immer und immer wieder zitiert wurden, erschienen die Berufschancen in der DV-Arbeitswelt absolut positiv.

Und nun Plötzlich Beschäftigungsprobleme als Schatten auf diesem schönen Bild! Es dämmert die Erkenntnis, daß die Absolventen von EDV-Ausbildungsgängen nicht wie gewohnt um jeden Preis den Universitäten, Technischen Hochschulen, Fachhochschulen und sonstigen, auf diesem Gebiet tätigen Bildungseinrichtungen, quasi aus den Händen gerissen werden.

Andererseits aber bleibt die Tatsache bestehen, daß für bestimmte Spezialisten - beispielsweise solche, die in der IBM-Welt zuhause sind - nach wie vor ein sehr großes Interesse vorhanden ist. Offenkundig decken sich also Angebot und Nachfrage am DV-Arbeitsmarkt nicht mehr.

Der Kern der ganzen Beschäftigungsproblematik scheint darin zu liegen, daß von den Bildungsträgern munter am tatsächlichen Bedarf vorbeiqualifiziert wird. Zwar bestätigen alle Kenner, daß die akademische Ausbildung von Informatikern hervorragend ist - in theoretischer Hinsicht. Was die Praxisnähe des Informatik-Studiums anbetrifft, so wird diese allerdings als problematisch angesehen. Umschrieben wird das allgemein damit, daß eine fundierte Einarbeitung in die Praxis nach dem Informatik-Studium erforderlich sei.

Erfrischend offen ist da ein zum Thema befragter FH-Professor, der einräumt, daß sich an Uni und FH die reinen Informatiker viel zu sehr auf die Datenbank-Entwicklung konzentrieren. Außerdem werde als Programmiersprache häufig immer noch Fortran gelernt, während C bei weitem nicht so verbreitet sei. Generell ließe sich sagen, daß in der akademischen Informatikerausbildung die modernen Software. Pakete fehlen.

Die neuesten Tools, im technischen Bereich etwa entsprechende CAD-Werkzeuge oder in der Bürokommunikation neueste Versionen von Word oder Dbase, werden nicht angeschafft, weil die Dozenten, deren praxisgerechte Fortbildung ebenfalls im argen liegt, hier Bewertungsprobleme haben. Man flüchtet sich in die Anschaffung modernster Hardware, auf der die vorhandene, weit weniger aktuelle Software dann manchmal gar nicht mehr eingesetzt werden kann.

Betrachtet man auf der anderen Seite den Arbeitsmarkt, dann wird verständlich, warum es Beschäftigungsprobleme für Informatiker gibt. Die Nachfrage nach Personen, welche die Programmiersprache C und das Betriebssystem Unix beherrschen, hat sich allein in den letzten beiden Jahren verdoppelt. Außerdem gilt es heute als selbstverständlich, daß ein Softwareentwickler auch mit Standard-PCs arbeiten kann. Immer häufiger werden auch Fertigkeiten in der Entwicklung von Datenbankanwendungen auf Basis von SQL sowie Kenntnisse im Vernetzen von Unix-Systemen erwartet.

Angesichts einer "Halbwertzeit" des EDV-Wissens von zwei bis drei Jahren müssen die Lehrpläne der akademischen Informatikerausbildung viel schneller geändert werden. Die Freiheit der Lehre - so gesteht freimütig ein Professor ein, der es wissen muß - erweist sich hier als recht problematisch.

Den Absolventen des Informatik-Studiums, die ihre Berufschancen voll wahrnehmen wollen, bleibt nichts anderes übrig, als sich in Eigeninitiative auf den aktuellen Stand der Praxis zu bringen. Als Möglichkeiten der marktgerechten Qualifikation bieten sich hier Herstellerschulen oder die privaten EDV-Weiterbildungseinrichtungen an.