Olivetti-Boß Benedetti empfiehlt Europäern mehr Engagement bei Minis und Mikros:

DV-Industrie vor dreifacher Herausforderung

16.07.1982

KOPENHAGEN - In Zukunft werden nur die DV-Hersteller erfolgreich sein, die sich über folgendes im klaren sind: Der Anwender ist mittlerweile im Umgang mit der Computertechnik besser bewandert, zugleich aber auch skeptischer auf Grund der Erfahrungen, die er in der Vergangenheit machen mußte. Das ist jedenfalls die Meinung von Carlo de Benedetti, Chef des Italienischen Büromaschinen-Konzerns Olivetti.

Auf dem zum dritten Mal stattfindenden "World Computing Services Industry Congress" in Kopenhagen unterstrich Benedetti, daß die DV-Branche dem menschlichen Faktor mehr Beachtung als bisher schenken müsse. Der Personal Computer habe das Wissen in bezug auf die Anwendungen erweitert, und immer mehr Menschen seien inzwischen mit dieser Technologie vertraut. Langfristig werde der Computer zum wichtigsten Werkzeug am Arbeitsplatz im Büro und in der Fabrik.

Die DV-Industrie steht nach Benedetti vor einer dreifachen Herausforderung. Zum einen müsse man sich innerhalb der Branche endlich auf Standards einigen, ohne allerdings auf diese Weise eine Abhängigkeit von bestimmten Herstellern zu schaffen oder gar neue Innovationsbarrieren zu errichten. Besonders notwendig seien zum Beispiel Programmstandards für die unterschiedlichen Personal Computer.

Um die Produktionskapazitäten auszuweiten und damit zugleich durch eine Preissenkung die Nachfrage nach solchen Systemen zu beleben, müßten die Hersteller außerdem Standards entwickeln, die dem Anwender die Kaufentscheidung erleichterten.

Das Thema Schnittstellen markiert, so der Olivetti-Chef, die zweite Herausforderung. Hier sei es besonders vordringlich, die Systeme mit mehr Intelligenz auszustatten und dem Benutzer mehr Unterstützung zu geben.

Die dritte Herausforderung liege im Softwarebereich. Die Industrie müsse die Qualität der Produkte weiter verbessern und damit beginnen Komponenten der "Künstlichen Intelligenz" einzusetzen.

Auf die Rolle des Staates anspielend meinte Benedetti, die Regierungen sollten sich verstärkt mit der Aufgabe auseinandersetzen, die sie bei der Informationsverarbeitung spielten. Regierungen dürften auf keinen Fall Geld in "ineffiziente oder verlustträchtige Unternehmen" investieren. Wie man beispielsweise ein Straßennetz geschaffen habe, um die Automobilindustrie zu unterstützen, so sollte die öffentliche Hand jetzt eine bessere Telekommunikationsinfrastruktur schaffen und die Kosten für Datenübermittlung senken.

Außerdem müsse die Aus- und Weiterbildung verbessert und eine "Computerkultur" propagiert werden. Schließlich sollte der Staat erfolgreiche Branchen wie die Informationsverarbeitungsindustrie stärker in ihren Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten unterstützen.

Nach Auffassung Benedettis zeigt der Gewinnrückgang der amerikanischen und europäischen Unternehmen, daß es hier Effizienzprobleme gibt. Dennoch prophezeite er eine merkliche Konsolidierung der Branche bis Ende dieses Jahrzehnts. "Die Industrie muß sich stärker darum kümmern, dem Anwender praktische Lösungen anzubieten und nicht Zukunftsträume", meinte der Boß des italienischen Elektronikkonzerns. Als Beispiel nannte er lokale Netzwerke, die zwar gebraucht würden, heute aber noch keine wesentlichen Gewinne brächten. Das Management müsse außerdem erkennen, daß die DV-Industrie mehr und mehr globale Ausmaße annehme, und klar feststellen, "welche Schlachten verloren" seien. Hierzu gehören laut Benedetti auch die Mainframer. Den europäischen Ländern empfahl er daher, mehr in die Entwicklung von Minis und Mikros zu investieren.

- Marcia Blumenthal ist Mitglied des Redaktionsstabes der COMPUTERWORLD.