DV-Frauen: In der Chefetage sind die Männer unter sich

06.05.1983

Die DV-Männerwelt kann unbesorgt sein: In ihre Führungsdomäne bricht so leicht kein weibliches Wesen ein. Eine Frau in leitender Position ist so selten zu finden, wie die berühmte Nadel im Heuhaufen. Auch wenn es inzwischen in der Datenverarbeitung einige Vorkämpferinnen gibt, so ist die Masse der Frauen doch immer noch vom anerzogenen Rollenverhalten geprägt. Nur wenige haben die Kraft oder auch die Lust, im Berufsleben immer wieder beweisen zu müssen, daß sie mindestens genauso gut sind wie die Männer und zu akzeptieren, daß Ellenbogentaktik oft der einzige Weg zum Erfolg ist. Wenn Frauen allerdings bereit sind, auf vieles zu verzichten, was im herkömmlichen Sinn ihren "Lebensinhalt" ausmacht, dann können auch sie Karriere machen. ih

Susanne Berendes, BIFOA Betriebswirtschaftliches Institut für Organisation und Automation, Köln

Der Tatbestand des Anteils weniger hochqualifizierter Frauen in entsprechenden Positionen der Berufsfelder "EDV" kann als traditionelles, strukturelles und branchenspezifisches Problem aufgefaßt werden.

Traditionell in bezug auf Norm- und Wertvorstellungen in der Gesellschaft über physische und intellektuelle Fähigkeiten sowie psychische Belastbarkeit von Frauen, insbesondere im Hinblick auf ihre Berufstätigkeiten.

Hier ist ein Entwicklungsprozeß rollenspezifischer Erziehung darzustellen, der seinen Ursprung schon in der frühkindlichen Erziehung hat und sich auf schulische, universitäre und berufsqualifizierende Ausbildungen von Frauen erstreckt.

Der Satz, "Ein Mädchen heiratet ja doch...", hat auch im heutigen Erziehungs- und Bildungssystem seine Bedeutung und seine Folgen. Aus den genannten Aspekten resultiert eine überproportionale Abnahme des Frauenanteils bei steigenden qualifizierenden Abschlüssen, insbesondere technischer und betriebswirtschaftlicher Art.

Als strukturelles Argument kann die Situation der berufstätigen Frauen angeführt werden, im Falle einer bestehenden "Nichterfüllung eines Familienplanes" als Unsicherheitsfaktor in bezug auf langfristige Mitarbeit, ein Aspekt, der besonders bei Führungsaufgaben seine Bedeutung hat.

Ist eine Familie vorhanden, so steht häufig die von der Frau getragene Mehrfachbelastung einer konzentrierten Karriereplanung und Berufsausbildung im Wege.

Betrachtet man die jeweilige Arbeitsmarktsituation der vergangenen Jahre, so wird deutlich, daß auch aufgrund der vorstehend angeführten Argumente Frauen als "Reservepotential der Wirtschaft" angesehen werden.

Unterstellt man speziell der "EDV-Branche", trotz ihres technisch hohen innovativen Charakters, eine eher konservative Struktur, so kann die "Technizität" der DV-Berufe als Argument im oben geschriebenen Sinne verwendet werden.

Die Branche lebt in ihren Führungsgremien/-positionen noch heute von den Teilnehmern der "frühen Stunden des Erkundens und Bastelns" der Branche, zu einer Zeit, wo technische Fragestellungen für die Branche und damit technisch qualifizierende Berufsabschlüsse große Bedeutung hatten. Besonders zur damaligen Zeit war der Frauenanteil in diesen Berufen stark unterproportional.

Das "Wachsen mit der Materie" bedeutete den Aufbau eines großen Erfahrungspotentials, teilweise unabhängig davon, welcher qualifizierende Abschluß bei der einzelnen Person vorlag.

Absolventen von Bildungsinstituten der 80er Jahre ist oft nur der "Quereinstieg" in Führungspositionen über Universitätsabschlüsse möglich, mit dem statistisch bekannten, geringen Frauenteil bei diesen Abschlüssen.

Betrachtet man heute die Anteile von Frauen in den entsprechenden Fachrichtungen der Universitäten, so wird sich der Frauenanteil in Führungspositionen der EDV-Branche auch in den nächsten Jahren nicht wesentlich vergrößern.

Asha P. Craemer-Kachru, wissenschaftliche Angestellte bei einer Großforschungseinrichtung für EDV, Bonn

Bei der Frage, warum es so wenig weibliche Führungskräfte in der DV gibt, verspüre ich schon bei dem Wort "Führungskraft" Unbehagen. Ich persönlich möchte weder eine Führungskraft sein, noch möchte ich geführt werden. Viele Frauen und, Göttin sei Dank auch einige Männer denken ähnlich. Eine Führungskraft in der heutigen Berufswelt zu sein, die zum größten Teil von Männern geführt wird, geht bei einer Frau nicht nur auf Kosten ihrer eigenen persönlichen und familiären Beziehungen.

Ich möchte jedoch nicht darunter leiden müssen, sondern bewußt an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen teilnehmen, und zwar in meiner Funktion als gesellschaftspolitisch bewußt lebende Bürgerin, als wissenschaftliche Angestellte, als Mutter und Frau. Bis heute mußte ich mir meine Rechte immer selber erkämpfen. Die Männergesellschaft unterstützt den Fortschritt der Frauen bewußt nicht. Da ich aber mehr will als diese patriarchalisch organisierte Gesellschaft anbieten kann, ist es dringend nötig, noch aktiver zu werden am Arbeitsplatz, in der Familie und als ehrenamtlich tätige Person. Vor allem interessiert es mich, menschliche Arbeits- und Umgangsformen und Inhalte in Beruf und Familie umzusetzen, so daß eine ganzheitliche Lebensweise möglich wird. Speziell die Computertechnik neigt dazu, eine sehr arbeitsteilige Organisationsform zu verstärken. Gesteigerte Produktion ist zwar die Folge, die jedoch auf Kosten des menschlichen Lebens geht. Wenn die vermehrte Produktion zur Arbeitszeitverkürzung für die Erwerbstätigen und dadurch auch Arbeitsbeschaffung für die jetzt Erwerbslosen führt, wenn mehr Zeit für Menschen-Kommunikation, weniger formalisierte Arbeit, mehr flexible Arbeitszeitregelung eingeführt wird, dann werden mehr Frauen am außerhäuslichen Arbeitsprozeß in anspruchsvollen Positionen teilnehmen. Parallel dazu müssen allerdings Antidiskriminierungsmaßnahmen, wie Umschulung und Fortbildung für Frauen stattfinden. Solange dies nicht der Fall ist, wünsche ich den Frauen auch nicht diese hektische und unmenschliche Berufswelt.

Obwohl ich selbst als Verantwortliche eines kleinen Projektes der Europäischen Gemeinschaft, das sich mit der Spezifikation und Entwicklung von Softwaresystemen auseinandersetzt, und auch in der Erwachsenenbildung tätig bin, und damit nicht zu der großen Masse der Frauen in EDV-Berufen gehöre, die im wesentlichen Dateneingabetätigkeiten ausüben, sehe ich doch die gemeinsame Situation, die uns verbindet. Es muß ganz klar gesagt werden, daß nicht die Frauen daran schuld sind, daß es bis heute so wenige Frauen in verantwortungsvollen Positionen in der EDV gibt, sondern die patriarchalische Gesellschaftsform.

Sigrid Schubach, EDV-Beraterin, boss GmbH, Hannover

Für die Frau gibt es im Berufsleben zwei Hindernisse: die Männerwelt und sie selbst. Die Männer erwarten von einer Frau als Gesprächspartner, daß sie wirklich qualifiziert ist, erst dann wird sie akzeptiert. Was also bei dem männlichen Gesprächspartner selbstverständlich ist, muß sie sich erst erkämpfen. Zudem gibt es nach wie vor bei den männlichen Vorgesetzten die Klischeevorstellung, die Frau könnte schwanger werden und dann für längere Zeit oder ganz ausfallen.

Dabei ist diese Vorstellung bei Frauen, die in eine leitende Funktion drängen, zumeist nicht realistisch. Ist eine Frau über dreißig und möchte die Karriereleiter hinaufsteigen, hat sie sich fast immer gegen Kinder und für einen anspruchsvollen Beruf entschieden. Viele Unternehmen sind aber grundsätzlich gar nicht so abgeneigt, Frauen in leitende Positionen zu übernehmen, wenn sich Bewerberinnen finden würden. Damit wären wir bei dem zweiten Hindernis, daß die Frauen sich nämlich selbst im Wege stehen. Ihnen fehlt oft der Mut, sich eine verantwortungsvolle Position zu erkämpfen, auch wenn sie die Qualifikation dazu mitbrächten. Hier tritt nun das jahrhundertealte Rollenverhalten in Kraft. Die Frauen ziehen sich zurück, wenn Probleme auftreten, sie trauen es sich nicht zu, weil sie von klein auf nicht gelernt haben, sich durchzusetzen.

Ihr Selbstbewußsein ist nicht so ausgeprägt, ihnen fehlt zumeist die beliebte Ellenbogentechnik ihrer männlichen Kollegen. Wir Frauen können schließlich nicht in zehn Jahren vergessen, was unseren Müttern, Großmüttern und Urgroßmüttern und auch uns selbst als Frauenverhalten beigebracht wurde: Ein Mädchen darf das nicht. Wenn aber eine Frau diese vom Rollenverhalten geprägten Eigenschaften bekämpft und sie besiegen kann, ist die schwerste Hürde genommen. Hat sie erst einmal eine der oberen Sprossen auf der Karriereleiter erklommen, wird das Berufsleben für sie einfacher. Es ist nicht so, daß alle Männer grundsätzlich gegen Frauen in Führungspositionen sind. Sie sind es nur nicht gewohnt. Merken sie, daß die Frau wirklich qualifiziert ist, dann sind sie auch durchaus bereit, sie in leitender Position zu akzeptieren.

Barbara Wix, Schulungsleiterin am Control Data Institut der Control Data

GmbH, Frankfurt

Die Frage, warum es nur wenige Frauen in Führungspositionen in der EDV gibt, ist eigentlich kein EDV-spezifisches Problem. Es wird in der EDV-Branche nur intensiver diskutiert als in anderen Bereichen.

Im folgenden ein paar Gründe, warum Frauen so wenig Führungspositionen allgemein innehaben:

Frauen haben im Durchschnitt weniger Ehrgeiz als die Männer, beruflich weiterzukommen. Sie rechnen nicht damit, daß sie ein Leben lang arbeiten. Die Freude an der Arbeit ist ihnen meistens wichtiger als eine Karriere um jeden Preis. Häufig verhalten sie sich stärker gefühlsbetont, was der Karriere nicht immer dienlich ist. Viele Frauen streben außerdem deswegen keine verantwortungsvolle Position an, weil sie sich der Doppelbelastung, Familie und Beruf, nicht gewachsen fühlen. Die geographische und arbeitsmäßige Flexibilität ist bei Frauen mit Familie stark eingeschränkt, weil sie sich meist an Mann und Familie orientieren. Sehr selten verhält sich dies umgekehrt. Hinzu kommt, daß an Frauen bezüglich der Qualifikation weit höhere Anforderungen gestellt werden als an Männer. (Das fängt schon beim Autofahren an!)

Ein Manager muß nervli(...) sehr belastbar sein. Frauen sind es oft nicht, sie haben meist kein so "dickes Fell" wie es für eine derartige Position erforderlich wäre.

Für Führungskräfte in der EDV kommt noch folgendes hinzu:

Die Arbeitswelt der EDV wird beeinflußt und gewandelt von schnellsten radikalen Veränderungen. Die Frau ist eher auf das Statische, Erhaltende ausgerichtet.

Männliche EDV-Manager neigen meist zu einer gewissen Überheblichkeit, Frauen sind dagegen ehrlicher, daher werden sie eher unterschätzt.

Für Führungspositionen in der EDV qualifizieren sich besonders Studienfachrichtungen wie Informatik oder Naturwissenschaften. In diesen Bereichen sind Frauen sowie unterrepräsentiert.

Fazit: Eine weibliche Führungskraft muß auf vieles verzichten wollen, was im herkömmlichen Sinne den Lebensinhalt einer Frau ausmacht. Dann kann sie Karriere machen. Frauen, die das wollen, schaffen es auch.