DV-Fachverbände: Anwender klagen über Informationsdefizit

03.01.1986

Die Schnellebigkeit der Informationstechnik läßt bei DV-Praktikern verstärkt den Wunsch nach gegenseitigem Erfahrungsaustausch aufkommen. Ob jedoch DV-Fachverbände die Anwender sinnvoll unterstützen können, ist in Benutzer-Kreisen umstritten. So besteht nach Ansicht von DV-Leiter Heinrich Trautwein, Weingarten, bei den Anwendern ein Informationsdefizit über Arbeit und Zielsetzung der Verbände. Er hält User-Groups für die geeigneteren Einrichtungen, um Anwenderprobleme praxisgerecht zu diskutieren und Anregungen zu vermitteln. Positiv dagegen bewertet Hans-Ulrich Nelte, Hauptabteilungsleiter DV bei der Krupp MAK, Kiel, die Arbeit von Fachverbänden. Er bescheinigt den jährlichen Vortrags- und Seminarveranstaltungen der in Kiel ansässigen Interessengemeinschaften "gutes Niveau" und bezeichnet das regionale Interesse daran "erfreulich groß". Gleichzeitig gibt Nelte aber auch zu, daß gerade in abgelegeneren Gebieten, in denen "fast jeder jeden kennt", das Angebot eines DV-Fachverbandes bei den DV-Praktikern auf regen Zuspruch stößt. bk

Willi Poths, VDMA e.V., Abteilung Informatik

Fachverbände, auch DV-Fachverbände, können ein unterschiedliches Aussehen haben, verschiedene Benutzer ansprechen und differenzierte Zielsetzungen verfolgen. Für den Maschinenbau nimmt die VDMA, Abteilung Informatik, in enger Zusammenarbeit mit dem DV-Fachverband des VDMA, der Fachgemeinschaft Büro- und Informationstechnik, beratende Aufgaben für die 2700 Mitgliedsfirmen des Verbandes wahr.

Durch vielfältige Erfahrungsaustausch-Veranstaltungen zu allen Computer-Anwendungsgebieten, durch Firmenbesuche und Erhebungen sind die Probleme des DV-Einsatzes im Maschinenbau bekannt. Strukturbedingt (92 Prozent der Unternehmen haben bis 500 Beschäftigte, 97 Prozent bis 1000 Beschäftigte) umfaßt die Zielgruppe vorwiegend Klein- und Mittelbetriebe, und die Aufgabenschwerpunkte liegen branchenbedingt in der Materialwirtschaft, der Produktionsplanung und -steuerung sowie in den letzten Jahren verstärkt in der Entwicklung und Konstruktion. Es handelt sich also um die typischen Kernarbeitsgebiete der Produktionsbetriebe. Daraus resultiert zunächst die Notwendigkeit zur Hilfestellung im Vorfeld des DV-Einsatzes.

Die Eigenerstellung von Software ist für den mittelständischen Maschinenbau mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden. Deshalb ist der Trend zum Einsatz von Standard-Anwendungssoftware unverkennbar. Aufgrund von Erhebungen kann Auskunft gegeben werden, wo welche Pakete im Einsatz sind. Dadurch lassen sich gezielte Erfahrungen austauschen. Daneben können aufgrund der vorliegenden Daten Anwendungs-Software-Pakete für spezielle Gebiete, für die der Markt nur wenig anbietet (wie vorbeugende Instandhaltung) nachgewiesen werden. Dabei kommt es hin und wieder vor, daß auch Software, die in Maschinenbaubetrieben entwickelt wurde, an Dritte weitergegeben wird. Weiterhin werden Kontakte vermittelt, wenn es darum geht, Ansprechpartner in Firmen ähnlicher Größenordnung oder Fertigungsart ausfindig zu machen, die Erfahrungen mit DV-gestützten Lösungen bestimmter Problemstellungen haben. Solche Gespräche zwischen Kollegen der gleichen Branche sind überaus wichtig, um Unsicherheiten besonders bei DV-Neulingen abzubauen.

Überhaupt hat der Erfahrungsaustausch einen hohen Stellenwert und wird besonders gepflegt. Es existieren ständige Kreise (etwa für Org./ DV-Leiter), die sich in einem bestimmten Rhythmus treffen. Bei Bedarf werden auch Adhoc-Kreise eingerichtet, um beispielsweise bei besonders aktuellen Themen bestimmte keitlinien oder unterstützende Unterlagen zu erarbeiten oder diese Themen im Detail zu diskutieren. In solchen Gruppen werden DV-Themen von der Nummerung bis zu DV-Versicherungen von internen und externen Referenten behandelt. So hat beispielsweise eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe einen "Leitfaden zur Formulierung eines Anforderungsprofils für die rechnerunterstützte Erstellung technischer Unterlagen" erstellt, der den Mitgliedsfirmen kostenlos zur Verfügung gestellt wird.

Im Laufe der Zeit haben sich die Themenschwerpunkte verschoben. Während noch vor wenigen Jahren das Thema Datenschutz heiß diskutiert wurde, sind es heute Inhouse-Netze und Personal-Computer-Anwendungen. Damit ist die Kommunikation in Fertigung und Büro neben fachlichen Themen in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt. Dabei geht es nicht nur um den Informationsaustausch zwischen Mitarbeitern an verschiedenen Arbeitsplätzen, sondern auch zwischen Computern und Produktionsmaschinen.

Das Angebot an Erfahrungsaustauschveranstaltungen wird durch zum Teil mehrtätige Seminare und Fachtagungen abgerundet, die die einzelnen Themen vertiefen. Zu erwähnen sind hier CAD-Grundlagen und Einsatzgebiet, flexible Fertigungssysteme und Rechnereinsatz in der Produktion, CAD/CAM-Entscheidungshilfen für das Management, Low-cost-CAD, CAD in der mechanischen Konstruktion, CAD/CAM-Einsatz in der Elektrokonstruktion, flexible Automation der Produktion, PPS mit PC und Mikro CAD mit PC und Mikro .

Dabei hat es sich als günstig erwiesen, gelungene Anwendungsfälle von Unternehmensvertretern vorstellen zu lassen. Die Zuhörer identifizieren sich dann besser mit dem jeweiligen Themenkreis, wenn ein Mann aus der Praxis, der die Probleme hautnah kennt und "ihre Sprache" spricht, vorträgt. Am Rande sei vermerkt, daß es trotz der großen Zahl von Firmen schwierig ist, geeignete Beispiele und Referenten ausfindig zu machen.

Schließlich werden regelmäßig Umfragen zum Stand der Datenverarbeitung im Maschinenbau durchgeführt. Dabei wird nach dem Grundsatz gehandelt, daß diejenigen Firmen, die sich die Mühe machen, Daten zu liefern, auch die ausführlichen Umfrageergebnisse erhalten. Der Vergleich von Durchschnittswerten der Branche mit Daten des eigenen Hauses liefert wichtige Ansatzpunkte zur Standortbestimmung der einzelnen Firmen.

Damit sind die wichtigsten Dienstleistungen, die der VDMA in Sachen DV-Benutzerservice erbringt, beschrieben. Es geht immer darum, vielfältige Informationen zentral zu sammeln, sie in geeigneter Weise aufzubereiten und sie dann wieder gezielt zu streuen. In jedem Falle ist es ein Angebot, das speziell auf die Belange des Maschinenbaus abgestellt ist und das Nischen abdeckt. Insofern haben DV-Fachverbände, egal welcher Couleur, eine Existenzberechtigung. Sie erfüllen wichtige Aufgaben, die Hardware-Hersteller und Software-Häuser erbringen können oder wollen. Beide Gruppen können sich deshalb ideal ergänzen.

Hans-Ulrich Nelte

Hauptabteilungsleiter DV,

Krupp MAK-Maschinenbau

GmbH, Kiel

Für Kiel und Umgebung ist das Interesse an den DV-Fachverbänden ADI (Anwenderverband Deutscher Informationsverarbeiter) und Gl (Gesellschaft für Informatik) erfreulich groß. Das belegen die Teilnehmerzahlen an den von beiden Verbänden zum Teil gemeinsam angebotenen Veranstaltungen. Dies sind jährlich etwa zehn bis zwölf Vortrags- und Seminarveranstaltungen mit wirklich gutem Niveau, an denen im ganzen Jahr 800 bis 1000 Personen teilnehmen. Ein Grund dafür ist, daß in Kiel anders als in Ballungszentren außer von Fachverbänden wenig Vergleichbares angeboten wird. Hinzu kommt, daß in einer abgelegeneren Region, in der fast jeder noch jeden kennt, das Interesse an gegenseitigem Erfahrungsaustausch bis hin zur Inanspruchnahme nachbarschaftlicher Hilfe wahrscheinlich größer ist.

Ein wichtiger Anreiz ist aber auch die Zusammenarbeit des stark praxisorientierten ADI mit der sich mehr an Hochschulen orientierenden Gesellschaft für Informatik. Ihr ist es in Kiel gelungen, eine solide Brücke zwischen Hochschulen und Betriebspraxis zu schlagen. Auch läßt sich der Aufwand, den Unternehmen für die Fortbildung ihrer Mitarbeiter betreiben müssen, mindern, wenn das wie hier mit Hilfe der gemeinsam durchgeführten Veranstaltungen möglich ist.

Man kann von Verbänden nicht mehr erwarten, als die Fachleute, die sich darin organisieren selbst einzubringen bereit sind. Fachverbände sind kein Gewerkschaftsersatz, in denen es um materielle oder ideologische Interessen geht. Trotzdem können auch Fachfragen gesellschaftspolitische Bedeutung haben. Das wird erkennbar, wenn zu geeignetem Anlaß, etwa dem Jahresempfang des ADI, Politiker zu Wort kommen und zur Diskussion mit Fachleuten bereit sind. Minister, Staatssekretäre, aber auch kompetente Vertreter der Gewerkschaft haben diese Gelegenheit zum Dialog schon genutzt.

Nach meiner Auffassung gibt es einige Prinzipien, die nützlich sind, wenn Verbandsarbeit in unserer Welt der Informationsvielfalt ihren Sinn behalten soll. Die Arbeit muß eindeutig regionale Schwerpunkte haben. Nur so können genügend viele Fachleute mit erträglichem Aufwand daran teilnehmen. Große nationale und internationale Kongresse verhelfen einzelnen zwar zu mehr Publizität, fördern aber den unmittelbaren Erfahrungsaustausch wenig.

Die Arbeit muß immer wieder auf möglichst viele verteilt werden. Nur so kann der beruflich geforderte Fachmann auch bereit sein, auf Zeit etwas für seinen Fachverband zu tun. In Vorständen und anderen Gremien muß ein Kontinuierlicher Wechsel erreicht werden. So wird zum Beispiel von vier bis fünf Vorstandsmitgliedern jährlich eines ausgetauscht.

Auf diese Weise läßt sich einerseits Kontinuität erzielen und trotzdem immer wieder Neues an Personen und Ideen in die Arbeit einbeziehen.

Heinrich Trautwein

DV-Leiter, Klebchemie M.G.

Beeker GmbH & Co. KG,

Weingarten

Die rasante Entwicklung von Hard- und Softwaretechnologie und die damit verbundenen Probleme für die DV-Anwender erfordern gerade aus ihrer Sicht eine Bündelung der gemeinsamen Interessen und eine wirkungsvolle Vertretung nach außen. Da der DV-Anwender sich in erster Linie mit herstellerunabhängigen beziehungsweise sogar mit modellabhängigen Themenbereichen zu befassen hat, ist der Kontakt zu Anwendern gleicher Hard- und Software in User-Groups unerläßlich.

Eine User-Group bietet in idealer Weise die Möglichkeit, die Anwenderprobleme praxisgerecht zu diskutieren sowie Anregungen zu vermitteln. Andererseits lassen sich dadurch gemeinsame Forderungen gegenüber dem Hersteller oder dem Softwarehaus formulieren und kompetent sowie gewichtig vertreten.

Ich halte es für ausgeschlossen, daß über einen DV-Fachverband mit seiner vielfältigen Interessenslage die Funktionen und Leistungen einer User-Group auch nur annähernd erreicht werden können. Es bleibt die Frage, ob und was ein solcher Verband über die User-Group hinaus Sinnvolles für den DV-Anwender zu leisten vermag. Diese Frage aber sollten die Verbände wohl am besten selbst beantworten.

Überhaupt besteht seitens der Anwender über die DV-Fachverbände offensichtlich ein Informationsdefizit. Mir ist auch aus Kollegenkreisen nicht bekannt, daß ein Fachverband überzeugend an einen Anwender herangetreten ist. Sollte es den Fachverbänden gelingen, ihre Zielsetzungen auch einer breiten Anwenderöffentlichkeit zu vermitteln, wäre ich bereit, über Sinn und Zweck einer solchen Einrichtung zu diskutieren.