DV-Einsatz allein kann Außendienst nicht optimalen

24.05.1985

Die Computerisierung des Außendienstes ist bei Versicherungen ein heißes Thema. Während die Befürworter teilweise sogar ohne Unterstützung der Versicherungsgesellschaften zum Computer greifen, so Franz Eichinger, Fachbereichsleiter Versicherungs- und Vertriebsprojekte bei Mummert + Partner, wird den Kritikern der Einfluß der Versicherungsgesellschaft auf ihre individuelle Arbeitsweise zu groß. Der Hamburger: "Hauptaufgaben des Versicherungsaußendienstes sind der Vertrieb von Versicherungen und die Betreuung von Kunden, nicht jedoch Verwaltungsarbeiten und schon gar nicht das Bedienen von DV-Geräten." Diese und ähnliche Äußerungen würden bei dem Streitpunkt "Computerisierter Außendienst oder nicht" in Fachkreisen immer wieder laut.

Franz Eichinger

Fachbereichsleiter Versicherung - Vertriebsprojekte Mummert + Partner Unternehmensberatung GmbH, Hamburg

Bis vor einigen Jahren wurde in der Versicherungswirtschaft die DV fast ausschließlich zur Verwaltungsrationalisierung in den Zentralen genutzt. Danach verbreitete sich die Computerleistung mit der gleichen Zielsetzung auf die Geschäftsstellen. Heute beschäftigen wir uns intensiv mit dem Einsatz der DV zur Unterstützung des Außendienstes und zwar sowohl für die Vertriebsunterstützung als auch zur vereinfachten Abwicklung von Verwaltungsarbeiten. Gefördert wurde diese Entwicklung einerseits durch Fortschritte auf dem Gerätesektor in bezug auf Preis und Leistung, andererseits durch veränderte Marktbedingungen im Versicherungsbetrieb.

Über den Einsatz der DV beim Versicherungsaußendienst teilen sich die Meinungen zur Zeit in zwei Lager: Auf der einen Seite die Euphorischen, die teilweise sogar ohne Unterstützung der Versicherungsgesellschaften zum Computer greifen (mit unterschiedlichem Erfolg), und andererseits die besonders Kritischen, denen der Einfluß der Versicherungsgesellschaft auf ihre individuelle Arbeitsweise zu g zu werden droht. Es gibt in der deutschen Versicherungswirtschaft sicher zur Zeit nur wenige Gesellschaften, bei denen die Computerisierung des Außendienstes kein aktuelles Thema ist. "Hauptaufgabe des Versicherungsaußendienstes ist der Vertrieb von Versicherungen und die Betreuung von Kunden, nicht jedoch Verwaltungsarbeiten und schon gar nicht das Bedienen von DV-Geräten." Diese und ähnliche Äußerungen hören so manche DV-Leiter von ihren Kollegen des Vertriebs, wenn es um den Einsatz der DV für den Außendienst geht.

Man muß sich also die Frage stellen, ob, mit welchen Funktionen und wie der DV-Einsatz den Versicherungsaußendienst bei der Durchführung seiner Tätigkeiten unterstützen kann, ohne ihn dabei durch Zusatzbelastungen von seinen eigentlichen Aufgaben abzulenken. Hierfür muß zunächst geprüft werden, für welchen Typ von Außendienst -das Spektrum reicht hierbei vom nebenberuflichen Vermittler bis zum Makler mit einer Reihe von Innen- und Außendienstangestellten oder gar bis zu selbständigen Vertriebsgesellschaften mit mehreren hundert Mitarbeitern- der DV-Einsatz geplant ist.

Es liegt in der Natur der Sache, daß diese verschiedenen Außendienstgruppen verschiedene Anforderungen an eine mögliche technische Außendienstunterstützung stellen.

Entsprechend weit gefächert ist das heute schon vorhandene Angebot an DV-Unterstützung. Es reicht von zentralgesteuerten Systemen mit Btx-Endgeräten, Remote-Bildschirmen oder DFÜ-fähigen Mikros über dezentral eingesetzte Einplatzsysteme wie PC oder kleine MDT bis hin zu ausgewachsenen Mehrplatzsystemen. Die entsprechende Software erstreckt sich von geringfügig erweiterten Textverarbeitungsprogrammen bis zu vollständigen Außendienstunterstützungssystemen mit Bestandsverwaltung, Anbahnungsdatenverwaltung, Schadenregulierung, Analyse und Selektionsmöglichkeiten, Terminverwaltung, integrierte Textverarbeitung und einer Reihe von Serviceprogrammen für die verschiedensten Berechnungen (wie Renten, Finanzierungen, Versorgungsbilanzen).

Die Schwierigkeit für eine Investitionsentscheidung auf diesem Sektor liegt darin, einen meßbaren Nutzen sowohl für die Versicherungsgesellschaft als auch für den Außendienst nachzuweisen. Zwar ist die Kostenfrage sehr wichtig, jedoch sind auch andere, insbesondere qualitative Kriterien zu betrachten. Unter anderem ist hier ein Maß an Benutzerfreundlichkeit zu erreichen, wie es bisher in der Groß-DV nicht üblich war. Der Außendienst sollte sich nur in einem außerordentlich geringen Maß auf die Benutzung beziehungsweise Bedienung seiner DV-Technik konzentrieren müssen. Außerdem hat man grundsätzlich davon auszugehen, daß von der Mehrzahl der Außendienstmitarbeiter von Technik und Anwendungen als lästige Zusatzbelastung empfunden wird. Hierzu kommt, daß der AD-Mitarbeiter meistens alleine zu Hause oder in seinem Büro mit den auftretenden Problemen fertig werden muß.

Es ist deshalb unerläßlich, umfassende Praxistests von im Außendienst anerkannten Personen durchführen zu lassen und die Ergebnisse detailliert hausintern zu publizieren. In der Anfangsphase kann es außerdem sinnvoll sein, dezentrale "Servicestationen" bei den Geschäftsstellen , einzurichten, die den Außendienst bei der Bedienung der Geräte und der Durchführung von Aktionen unterstützen.

Bei der Erarbeitung der Anforderungen an Hard und Software müssen die Interessen des Außendienstes, der zentralen Vertriebsabteilungen und der DV geschickt koordiniert werden. Am besten eignet sich erfahrungsgemäß hierfür eine Projektorganisation, wobei der Erfolg der Projektarbeit sehr stark von der Zusammensetzung der Gruppen hinsichtlich der Beteiligung der verschiedenen Bereiche beeinflußt wird.

Welche DV-Unterstützung für den Einsatz im Außendienst in Frage kommt, ist neben der grundsätzlichen Bereitschaft aller Beteiligten letztendlich auch von der Einkommenssituation der betreffenden Außendienstmitarbeiter und von der Geschäftspolitik des Unternehmens abhängig.

In jedem Falle ist es erforderlich, eine Gesamtkonzeption zu erstellen, in der Geschäftspolitik, Marketing, Führungsproblematik und DV-Einsatz berücksichtigt werden. Das heißt heute offensiv planen und handeln, um nicht morgen auf einen entstehenden "Wildwuchs" reagieren zu müssen.

Micheal Rostaher

Leiter DV-Entwicklung, Merkur Versicherung, Graz

Die sogenannte Personal-Computer-Euphorie, die unaufhaltsam alle menschlichen Lebensbereiche erfaßte, hat auch vor der Versicherungswirtschaft nicht halt gemacht. Für die kleinsten Verkaufsbereiche ist das Beste und Größte (sprich: IBM PC AT) gerade gut genug. Die bestehenden, zugegeben oft schwerfälligen, schlecht integrierten und zentralorientierten Informationssysteme, an deren Benutzerschnittstellen sich "dumme" Bildschirme befinden, gehören der Vergangenheit an.

Viele Versicherungsunternehmen befinden sich in einem Strukturwandel. Wegen der immer stärker werdenden Konkurrenz durch Banken, Reisebüros und Kaufhäuser hat man begonnen, nachzudenken, wie man dem Kunden näherkommen konnte. Die Folge davon und Dezentralisierungsbestrebungen," das Verschwinden der Spartengrenzen, besonderer persönlicher Kundenservice und ein Trend zu den sogenannten Agenturinformationssystemen. Dem Außendienstmitarbeiter müssen gezielte Informationen bereitgestellt werden, damit er die Umsatzleistung steigern und den Kunden besser beraten kann.

Dies kann man durch die Installation der modernen Bürokommunikationsmittel unterstützen, aber keinesfalls gewährleisten. Das Aufstellen eines Mikrocomputers, nur um den Trend nicht zu verschlafen, wird die Außendienst-Effizienz nicht steigern, sehr wohl aber die Kosten. Ein typisches Beispiel für eine voreilige Vorgangsweise ist der Einsatz von Btx bei den Versicherungsunternehmen. Der Kundenkreis, der zur Zeit mittels Btx angesprochen werden kann, ist so gering und hier wird sich noch lange nicht viel andern, daß man die Btx-Anbieter ruhig als Versuchskaninchen der Post und der großen Computerhersteller bezeichnen kann. Um Kosten und Nutzen in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen, muß sich die Betriebsorganisation mit der Technik weiterentwickeln. Anders ausgedrückt: Installation und/ oder Verwendung von intelligenten Geräten soll nur aufgrund von gründlich überlegten, gemeinsam mit den Betroffenen (= Außendienstmitarbeitern) erstellten Organisationskonzepten stattfinden.

Die Aspekte des Datenschutzes bekommen einen noch höheren Stellenwert, da ja die Daten sozusagen vor Ort ausgewertet werden können. In vielen hierarchischen und regional gegliederten Außendienstorganisationen kann ein unzureichender Schutz vor unerlaubtem Zugriff auf die dezentral gespeicherten Daten erhebliche Probleme mit sich bringen.

Zusammenfassend kann man sagen, daß die technische Unterstützung des Außendienstes sicher zunehmen wird, daß sie auch notwendig ist, daß man aber auch sehr genau überlegen soll, was man mit dem Einsatz der technischen Mittel im Außendienstbereich erreichen will.

Günter Schorn

Geschäftsführer, Lloyd Datenverarbeitungs GmbH, Deutscher Lloyd Versicherungen, München

Der Außendienst eines Versicherungsunternehmens (VU) muß bezüglich der technischen Unterstützung differenziert gesehen werden. Da gibt es die Organisation des Außendienstes, die ihren Ausdruck in Filialdirektionen, Bezirksdirektionen, Geschäftsstellen, Verkaufsbüros findet. Da gibt es die Säule der Exklusivagenten, die ausschließlich für ein einziges W arbeiten. Daneben wird mit Mehrfachagenten und Maklern zusammengearbeitet. Überdies sind Tochtergesellschaften und befreundete Unternehmen wie Banken, Bausparkassen, Händler für den Verkauf von speziellen Versicherungsprodukten zuständig. Die zweckmäßige Art der technischen Außendienstunterstützung kann für jeden der Genannten \ unterschiedlich sein.

Die Außendienstunterstützung selbst kann grob in Hilfen bei der Kundenbetreuung, Verwaltungsunterstützung, Verkaufsunterstützung und echte dezentrale Verwaltung unterschieden werden. Jedes VU hat hier seine Präferenzen und Steckenpferde, auf die die technische Unterstützung ausgerichtet sein muß.

Zusätzlich muß festgestellt werden: Außendienstunterstützung fängt innen an. Das vorhandene Produktspektrum, die Art der Verwaltung und der Grad ihrer Dezentralisierung, der Stand der Technik und der Grad der Standardisierung und Automatisierung sind weitere Einflußfaktoren für die technische Unterstützung des Außendienstes in kurz- oder mittelfristiger Sicht.

Die üblichen technischen Möglichkeiten zur Außendienstunterstützung heißen dezentraler Bildschirmarbeitsplatz vor Ort mit oder ohne Intelligenz und mit Verbindung zu einem zentralen Rechner, Rechnerverbundnetze mit lokalen Untervernetzungen, Einsatz von mittleren Rechnern oder Mikrocomputern vor Ort mit oder ohne Verbindung zu einem zentralen Rechner, Bildschirmtext.

Die VU gehen in der Mehrzahl seit Jahren vorsichtig und mit Bedacht daran, neue und herkömmliche technische Medien für ihre Außendienste zu erschließen. Dabei wird in der Branche aus guten Gründen in aller Regel an einer zentralen Bestandsverwaltung und -führung festgehalten. Deshalb sind überwiegend sternförmige Vernetzungen vorzufinden. Dies wird auch in Zukunft so bleiben.

In unserem Hause werden - wo nötig - Filialdirektionen mit Sichtgeräten ausgestattet, die über Standleitung mit der Zentrale verbunden sind, um die Kundenbetreuung, insbesondere mittels aktueller Information, zu unterstützen und diejenigen Büroarbeiten draußen zu erledigen, die dort wirtschaftlicher als in der Zentrale abgewickelt werden können. Für Exklusivagenten soll in Kürze das gleiche mittels eines Auskunftssystems über Bildschirmtext erreicht werden. Den größeren Exklusivagenten wird ein Mikrocomputer mit dem eigenen Agenturbestand offeriert, der sie dazu befähigt, ihr Büro kundenfreundlich zu gestalten und sich die Arbeit zu erleichtern. Die PC-Bestände werden dabei über ein Briefkastensystem aktualisiert. Dabei soll ein Leistungsverbund hergestellt werden. Der Mikrocomputer kann auch interessierten Maklern und Mehrfachagenten angeboten werden. Diese haben aber zusätzliche Forderungen zu erfüllen, weil sie meist größer sind und mit mehreren Gesellschaften zusammenarbeiten.

Anwenderseitig gehen wir bei der Außendienstunterstützung mit den Informationen zunächst nur von der Zentrale zum Außendienst, nicht umgekehrt. Bei Neuentwicklungen wird geprüft, ob es sinnvoll und wirtschaftlich ist, bestimmte Arbeiten nach außen zu verlagern und dann auch direkte Eingaben von außen nach innen zuzulassen.

Die Erprobung von Bildschirmtext hat in der Branche dazu geführt, daß man zunächst der Agenturunterstützung den Vorzug gegeben hat. Die Experimente auf den Gebieten betriebsinterne Information und Kommunikation, Kundeninformation und Verkaufsunterstützung, Verwaltung und Direktverkauf mittels Bildschirmtext werden fortgesetzt, von den meisten VU ober eher vorsichtig beobachtet. Man glaubt, nichts zu versäumen, wenn man abwartet, bis man aus den Fehlern der anderen lernen kann.

Die Wünsche des Außendienstes sind vielschichtig. Erwartet wird eine Unterstützung nicht nur bei der Antrags- und Schadensbearbeitung und bei der raschen Information über die Bestands- und Inkassodaten, sondern auch bei der Erstellung von Angeboten, der Berechnung von Finanzierungs- und Rentenmodellen, der Information über die Konkurrenz, der Rentabilität eines Kunden, der Besuchsplanung, der Abwicklung von Aktionen und vielem anderen mehr.

Es ist manches im Fluß, und es ist noch längst nicht alles Gold, was zur Zeit ein wenig glänzt.