Weg in die Vorstandsetagen ist mit Vorurteilen gepflastert:

DV Chefs werden selten nach oben weggelobt

03.04.1981

MÜNCHEN - Verschwindend gering ist noch immer die Zahl der DV-Verantwortlichen, die bisher den Sprung ins Top-Management der Unternehmen schafften. Vor allem ältere DV-Chefs versauern inzwischen auf der zweiten Führungsebene. Von renommierten DV-Personalberatern wird Selbstverschulden analysiert: Die Spezialistenrolle leitender Datenverarbeiter erweise sich zunehmend als Manko für einen Job in den Vorstandsetagen.

"Die DV/Org.-Leiter haben sich in der Vergangenheit unentbehrlich gemacht und müssen jetzt dafür bezahlen", konstatiert der Nürnberger Unternehmensberatungschef Dr. Hermann Städtler. Sie hätten sich in eine rein technisch orientierte Sackgasse begeben und versäumt, in ihrer Abteilung für den personellen Unterbau zu sorgen. Viele DV-Verantwortliche könnten sich heute allein deswegen nicht für die Firmenspitze profilieren, weil sich nicht einmal einen Nachfolger hätten. Der heutige DV-Chef, erklärt Städtler, müsse mehr in betriebswirtschaftlichen und organisatorischen Kategorien denken, wenn er sich für einen Managerjob profilieren wolle.

Ernst H. Dahlke von der Düsseldorfer Unternehmensberatung Dahlke & Partner GmbH sieht für den leitenden Datenverarbeiter nur eine Erfolgsrichtung: Er müsse sich von der DV-Technik lösen und den Weg in Richtung Organisation und Kontrolling beschreiten. Als reiner DV-Spezialist abgesternpelt, habe er sich festgefahren und stoße in der Unternehmens-Hierarchie letztendlich immer auf die gleiche Frage: Wer soll die DV machen, wenn der DV-Leiter ins Top-Management aufsteigt?

Gleich zwei Erklärungen für die fehlenden Chancen der DV-Leute, einen Vorstandsschemel zu ergattern, hat Peter Neubert (Neubert Personalberatung, Grafenau) parat. Da die DV keine "klassische" Disziplin in den Unternehmen sei, passe ein DV-Chef von der Position her nicht in das übliche Raster von Führungskräften der obersten Ebene. Andererseits bestehe neben dem Unbehagen der Manager gegenüber der DV auch eine unterschwellige Angst vor den Datenverarbeitern, die durch ihre meist steile Karriere Rückgrat bewiesen und ein elitäres Selbstverständnis entwickelt hätten.

Beratungsprofi Peter Beha, Roland Berger & Partner GmbH in München, wirft den DV-Verantwortlichen vor, daß sie sich bisher zu stark an die DV geklammert hätten. "Durch die selbst aufgesetzten Scheuklappen", so Beha, "konnten die Führungsqualitäten nicht automatisch mitwachsen." Während andere Bereichsleiter sich allmählich von der reinen Basisarbeit ihrer Abteilung entfernt hätten, habe der DV-Chef immer versucht, auch DV-spezifisch "der große Meister" zu sein.

Elitentheorie

Zündstoff für die Aufstiegsdiskussion liefert indessen der Leiter der Kölner SCS Niederlassung, Ulrich Heppner: Nach der Elitentheorie wurde man auch heute noch lieber Nachwuchs-Manager aus sozial höheren Schichten in die Vorstandssessel hieven In der DV seien jedoch heute die meisten Positionen mit Leuten besetzt, die SH h dank der historischen Entwicklung der DV von einer sozial niedrigen Stufe relativ schnell hochgearbeitet hätten. "Selbst wenn sie fähig wären, ein Unternehmen zu leiten", bekräftigt Heppner, "treffen sie nicht auf die Akzeptanz, daß man ihnen einen Vorstandsjob zutraut." Selbst wenn sich ein DV-Leiter in anderen Bereichen des Unternehmensqualifiziert habe, sei er dennoch tendenziell nie aus seiner DV-Ecke herausgekommen. Er habe vielmehr den Eindruck erweckt, daß ohne ihn alles zusammenbreche. Nach Überzeugung von Heppner spielten aber auch die "Urängste der modernen Manager" eine Rolle. Vor allem Top-Manager über fünfzig würden manchmal geradezu agressiv gegenüber Datenverarbeitern reagieren.

Den Wunsch nach Verantwortungszuwachs, insbesondere bei älteren DV-Chefs, konnte der Geschäftsführer der Apollo GmbH in Neuß, Fred Jaster nach eigenem Bekunden erst kürzlich wieder feststellen. Per Inserat schrieb er die Funktion eines DV/ Org.-Leiters aus, die mit Prokura versehen war und in der direkt an den Vorstand berichtet werden sollte. Ergebnis: Es bewarben sich über neunzig DV-Chefs, die langjährig in ihrer Position tätig waren und bisher den Sprung nach oben nicht geschafft hatten. "Die Saat der Datenverarbeiter, die in der Vergangenheit gesät wurde, indem Fachbereiche so dumm wie nur möglich gehalten wurden, geht Jetzt auf", resümiert Jaster. Besonders in kleineren und mittleren Betrieben habe der DV-Leiter bisher zwar immer dominiert - dabei jedoch eher reagiert und selten vorausschauend informiert. Da inzwischen auch die Geschäftsleitungen in Sachen DV schlauer geworden seien, werden die Fehler der Vergangenheit jetzt sichtbar. "Viele DV-Chefs sind heute in ihrem Job angeschossen und finden in den Vorstandsebenen kaum noch Gehör", weiß Jaster aus täglicher Beratungspraxis. Für ältere DV-Verantwortliche, die es bisher nicht geschafft haben, akzeptiert zu werden, sei der Zug in die obere Führungshierarchie inzwischen abgefahren. Für viele bleibe nur noch der Wechsel in ein anderes Unternehmen.

Falsches Führungsverhalten

"Da viele DV-Chefs immer noch meinen, sie müßten selbst ihr bester Mitarbeiter sein", verdeutlicht Hanno Klein von der Integrata GmbH in Tübingen, "wird ihnen inzwischen vorgeworfen, daß ihnen die strategische Denke fehlt." Moderne Führungstechniken, Kommunikation oder Menschenführung seien den DV/ Org.-Verantwortlichen völlig fremd.

Klein weist auf eine kürzlich in den USA veröffentlichte Personalstudie hin, die den DV-Managern neben Kontaktarmut auch vorwerfe, daß sie nicht nur anderen Abteilungen sondern gar eigenen Mitarbeitern zu wenig Feedback geben würden. "Hier wird ein krasser Fehler im Führungsverhalten deutlich", tadelt der Integrata-Mann.

Keine Notwendigkeit für den Aufsteg eines DV-Leiters ins Top-Management sieht indessen der Karbener Personalberater Dieter Tolz. Ein Org./ DV-Chef, der heute nicht selten über ein Jahreseinkommen von 120 000 Mark verfüge, könne schließlich mehr als zufrieden sein. Stichelt Tolz: "Es wäre völlig falsch, wenn die DV-Verantwortlichen heute nach Positionen streben, in denen ihnen letztendlich völlige Inkompetenz bescheinigt wurde."