DV-Ausbildung: Problembewußtsein bei Verantwortlichen wächst

13.12.1985

Die Zeiten, in denen Mitarbeiter sich hinsichtlich Aus- und Weiterbildung selbst überlassen waren, scheinen vorbei. Zunehmend wächst bei den Verantwortlichen in den Unternehmen das Problembewußtsein für gezielte Lehr- und Lernmaßnahmen in DV- und Fachabteilung. Gerade bei der DV-Einführung, so Hans-Jürgen Burmeister, Geschäftsführender GMO-Gesellschafter, ist das Management gefordert, für eine lernfördernde Umgebung zu sorgen. Ziel müsse sein, ein Klima zu schaffen, in dem Ausbildungsmaßnahmen weder Belohnung oder Bestrafung sind, sondern funktionalen Charakter haben. Inzwischen wurden in einigen Unternehmen spezielle Schulungsabteilungen eingerichtet, die den Fortbildungsbedarf der Mitarbeiter ermitteln und daraus Kursangebot und -inhalt ableiten. Dazu gehört bei der Deutschen Lufthansa AG in Frankfurt nach Auskunft von Joachim C. Ohlig nicht nur Wissensvermittlung und anwendungsbezogenes Training, sondern auch Akzeptanzförderung für die Informationsverarbeitung im Unternehmen. ih

Joachim C. Ohlig

Schulungsleiter, Automatisierte Informationssysteme der Deutschen Lufthansa AG, Frankfurt

Die Schulung "Automatisierte Informationssysteme der Lufthansa" umfaßt im Rahmen der konzernweiten innerbetrieblichen Aus- und Weiterbildung neben der "klassischen Datenverarbeitung" die dezentrale Informationsverarbeitung in den Fachabteilungen, die Bürokommunikation, die entsprechenden Randgebiete sowie die Ausbildung von mathematisch-technischen Assistenten.

Die Bedeutung der Informationssysteme im Unternehmen, die Auswirkungen ihres Einsatzes überall auf die tägliche Arbeit und damit einhergehend die Anforderungen an den Unterricht mit DV-Geräten haben in der letzten Zeit deutlich zugenommen.

Das DV-Schulungskonzept der Lufthansa trägt dieser Entwicklung Rechnung. Es geht von einem ganzheitlichen Ansatz aus und stellt jede Veranstaltung in einen systematischen Gesamtzusammenhang.

Die Schulungsaktivitäten sind vertikal gegliedert nach Schulungssektoren und horizontal nach Schulungsfeldern. So wird beispielsweise die Mikrocomputer-Schulung (als Subsektor des Schulungssektors Individuelle Informationsverarbeitung) aufgeteilt in Breiten-, Aufbau-, Spezial- und Managementschulung.

Im Zusammenhang mit dem halbjährlichen Planungszyklus wird durch die DV-Schulung der Schulungsbedarf in den einzelnen Direktionen ermittelt und daraus ein entsprechendes bedarfsorientiertes Angebot abgeleitet. Jede Einzelmaßnahme ist vor ihrer Umsetzung hinsichtlich der Zielsetzung, der Einsatznotwendigkeit und des Ergebnisses zu prüfen beziehungsweise zu präzisieren. Die Kurse werden nach einem jeweils festgelegten Mischungsverhältnis von internen Instruktoren und externen Schulungsträgern durchgeführt. Über Lern- und Lehrkontrollen werden die vereinbarten Inhalte und gesetzten didaktischen Standards überprüft.

Neben der Wissensvermittlung und dem anwendungsbezogenen Training gehört es zu den Aufgaben der DV-Schulung, die Akzeptanz der Mitarbeiter gegenüber der Informationsverarbeitung im Unternehmen zu fördern. So werden bei den Einstiegsseminaren der Mikrocomputerschulung auch generelle Themen angesprochen, die zum Beispiel die technologische Entwicklung und deren soziale Folgen zum Gegenstand haben.

Das Instruktorenteam bearbeitet überlappende Einsatzgebiete und beachtet bei der Durchführung von Lehrveranstaltungen, daß durch professionelle Seminarvor- und -nachbereitung die notwendigen Qualitätsstandards und der gewünschte Seminarerfolg gewährleistet bleiben. Über die Lehrtätigkeit hinausgehend ist das Team auch zuständig für die DV-Schulungsberatung und die Schulungsbetreuung der Fachabteilungen. Um die Praxisorientierung der Instruktoren zu sichern, nehmen sie an individueller Weiterbildung teil, besuchen Train-the-trainer-Seminare und absolvieren pro Jahr einen vierwöchigen praktischen Einsatz in verschiedenen Abteilungen des Hauses.

Somit ist die Arbeit des einzelnen Instruktors in diesem weiter wachsenden Schulungsbereich der Lufthansa eine Kombination aus angewandter Didaktik und praktischer Informationsverarbeitung für einen hochtechnisierten Flugbetrieb.

Klaus Manhart

Leiter BO/EDV-Ressortstab R + V-Versicherungsgruppe, Wiesbaden

Die Belange der Datenverarbeitung werden in der R + V-Versicherungsgruppe durch ein eigenständiges Vorstandsressort "Betriebsorganisation/EDV" verantwortlich vertreten. Neben der BO sind hier, im Sinne eines zentralen Servicebereiches, alle DV-Entwicklungs- und Technik-Funktionen einschließlich des RZ-Betriebes zusammengefaßt.

Strukturelle Veränderungen machen - nicht nur in der deutschen Versicherungswirtschaft - Anpassungsprozesse notwendig, die hochqualifizierte Führungs- und Fachkräfte in flexiblen Organisationsstrukturen erfordern. Dieser Entwicklung hat R + V durch die unternehmensweite Verpflichtung auf ein verändertes Führungskonzept unter dem Leitgedanken "Führen durch Ziele" Rechnung getragen. Die Fortbildung der Mitarbeiter ist dabei als wesentlicher Bestandteil in dieses Konzept eingebunden. Das "Zusammenspiel" dieser Verknüpfung von Führung und Fortbildung läßt sich bezüglich der Bildungsmaßnahmen in folgendem Ablauf zusammenfassen

1. Mitarbeitergespräch zur '"Zielplanung" mit gemeinsamer Vereinbarung von Arbeits-/Projektzielen und Feststellen des individuellen Fortbildungsbedarfs (Soll-/lst-Vergleich).

2. Konsolidierung des "Bildungsbedarfs" für das BO/ EDV-Ressort als Grundlage für eine effiziente Bedarfsdeckung durch geeignete Schulungen und Erarbeitung/Anpassung der Schulungspläne.

3. Besuch der Schulungsveranstaltungen entsprechend den individuellen Schulungsplänen und Lösen der anstehenden (Projekt-)Aufgaben.

4. Mitarbeitergespräch zur "Erfolgsanalyse", das heißt gemeinsame Analyse der erreichten Ergebnisse sowohl hinsichtlich der Projektaufgaben als auch der durchgeführten Schulungsmaßnahmen, mit anschließender neuer Zielplanung (Update).

Diese Integration von Führungs- und Fortbildungskonzept ermöglicht einerseits der Führungskraft, die aufgabenspezifischen Anforderungen an die Kenntnisse und Fähigkeiten des Mitarbeiters frühzeitig zu erkennen und konkrete Fortbildungsmaßnahmen rechtzeitig vorzusehen. Andererseits eröffnet sie dem Mitarbeiter die permanente Chance zur fachlichen Weiterbildung, insbesondere aber die Möglichkeit der persönlichen Einflußnahme auf die eigene Entwicklung im Sinne einer weiteren Qualifizierung. Damit gewinnt die vormals "eng" interpretierte Fort-/Weiterbildungsaufgabe eine neue Qualität in Richtung einer Personalentwicklungs-Funktion.

Diese mit direktem Bezug zur persönlichen Arbeit durchgeführte individuelle Ermittlung der Fort- und Weiterbildungserfordernisse wird seit zirka drei Jahren im BO/EDV-Ressort praktiziert. Auf der Grundlage konsolidierter Schulungspläne - die gesamte Administration erfolgt PC-gestützt - ist eine bedarfsgerechte und wirtschaftliche Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen möglich geworden. Der Anteil von "Inhouse"-Veranstaltungen liegt heute, bezogen auf die Teilnehmerzahl, bei fast 70 Prozent, wobei die DV-Fachschulungen ausschließlich von Mitarbeitern des Ressorts durchgeführt werden. Die direkte Beziehung zum DV-Umfeld im Unternehmen - persönlich und inhaltlich - schlägt sich in der Resonanz und den sehr guten Teilnehmer-Beurteilungen dieser Kurse, verbunden mit einer spürbaren Effizienzverbesserung, nieder.

Hans-Jürgen Burmeister

Geschäftsführender Gesellschafter, GMO Gesellschaft für Moderne Organisationsverfahren mbH & Co., Hamburg

Der Geschäftsführer Deutschland eines internationalen Konzerns bat uns in folgender Angelegenheit um Hilfestellung:

Die Zentrale des Konzerns hatte entschieden, bestimmte Abrechnungs- und Planungsarbeiten zu vereinfachen. Alle Niederlassungen erhielten aus diesem Grunde eine entsprechende DV-Ausstattung. Zusätzlich wurde auf regionaler Basis eine Einführungsschulung durchgeführt. Das Ergebnis war ein Desaster, obwohl weder Hard- noch Software-Mängel auftraten. Selbst die Einführungsschulung war in Form und Inhalt auf den ersten Blick angemessen. Was war geschehen?

Im Rahmen von Entscheidungsfindung und Systementwicklung wurden die zukünftigen Benutzer zwar ausführlich interviewt und bei der Gestaltung von Formularen und ablauforganisatorischen Fragen aktiv hinzugezogen. Versäumt hatte man allerdings, das Defizit zwischen vorhandener und für den Betrieb des neuen Systems notwendiger Anwenderqualifikation zu ermitteln. Infolgedessen wurden alle Einführungsmaßnahmen falsch entworfen. Statt deutlich darauf hinzuweisen, daß das für den Betrieb des neuen Systems notwendige Fachwissen nicht vorhanden ist, entwickelten die Mitarbeiter auf Anwenderseite auch noch den Ehrgeiz, besonders kompetent zu wirken. Sie erhofften sich hiervon eine größere Reputation im Unternehmen. Nur die erkennbare Unfähigkeit aller Anwender, mit dem System zu arbeiten, verhinderte Schlimmeres.

Wäre es den Betroffenen gelungen, ihre Defizite weiter zu verschleiern, hätte aus der gewünschten Arbeitserleichterung auch eine Arbeitserschwernis werden können. Die für die Entwicklung verantwortliche Abteilung wäre mit Fehlermeldungen überhäuft worden, deren Ursache nicht in der Software, sondern in der fehlerhaften Anwendung gelegen hätte. Das Ergebnis wäre gewesen: Frust bei den Systementwicklern durch ungerechtfertigte Vorwürfe und auf der Anwenderseite eine ständige Überforderung sowie eine steigende Demotivation, mit der neuen Software zu arbeiten.

Solche Prozesse machen aus Software schnell teure "Schrankware". Wie macht man es besser?

Ein wichtiger Schritt ist die Erkenntnis, daß die Organisation des Wissens in einem Unternehmen dieselbe Bedeutung hat wie die Organisation der Arbeit. Es können nur diejenigen Aufgaben erfüllt werden, für die Qualifikationen vorhanden sind. Für neue

Aufgaben müssen neue Qualifikationen geschaffen werden. Dies setzt voraus, daß das vorhandene Leistungspotential bekannt ist und daß die für neue Aufgaben notwendigen Leistungsvoraussetzungen ermittelt und im Rahmen einer Unternehmensstrategie, wenn immer möglich, aus dem vorhandenen Potential entwickelt werden. So gesehen, ist die Organisation des Wissens in Unternehmen und Projekten eine Managementaufgabe, die durch die rasante Entwicklung der Informationsverarbeitung zunehmend an Bedeutung gewinnt.

Eine Umsetzung dieser Erkenntnis in praktische Maßnahmen setzt voraus, daß alle Verantwortungsträger eine lernfördernde Umgebung im Unternehmen sorgen. Dazu gehört ein Managementsystem, das durch geeignete Führungsinstrumente, wie Beratungs- und Förderungsgespräche, Führungsgrundsätze und persönliche Lernziele, die Lernbereitschaft der Mitarbeiter fördert. Ziel muß es sein, durch Führungsverhalten und Führungsverständnis ein Klima zu schaffen, in dem Ausbildungsmaßnahmen weder Belohnung noch Bestrafung sind, sondern einen funktionalen Charakter haben.

Zusätzlich muß dafür gesorgt werden, daß ein Ausbildungsangebot verfügbar ist. Dies kann sich im Minimum auf Verfahrensregeln zum Besuch externer Kurse nebst Bereithaltung eines Kursangebotes beschränken.

Eine weitere Möglichkeit ist es, Spezialisten des eigenen Hauses durch eine Tutorenausbildung in die Lage zu versetzen, unter Zuhilfenahme von Trainingskonserven (Videofilme und ähnliches) neben ihrer normalen Tätigkeit als Inhouse-Trainer tätig zu werden.

Unternehmen und Mitarbeiter müssen die Bereitschaft entwickeln und Möglichkeiten schaffen, zu lernen.