DV-Anwender fordern Testlabor für Standard-Software

09.11.1979

Die Software-Probleme kleiner und mittlerer DV-Anwender liegen nach Ansicht von Fred Schmalenbach (Hager Dentalgesellschaft) unter anderem in der Unfähigkeit, Programme selbst objektiv zu testen. "Die Unternehmen", so der Duisburger DV-Chef, "hängen nahezu völlig in der Luft und sind auf Gedeih und Verderb den Software-Häusern ausgeliefert." Nicht nur ratlose oder "getürkte" Benutzer, sondern auch seriöse Software-Anbieter fordern im angebotsüberhäuften Markt neuerdings verstärkt ein neutrales Testlabor für Standardprogramme, quasi eine "Stiftung Warentest der EDV". Dr. Bernd Thurat von der Klöckner-Humboldt-Deutz AG in Köln sieht hier zusätzlich "eine Möglichkeit, die stetig steigenden Software-Kosten in den Griff zu bekommen". Ist jedoch ein Testlabor Oberhaupt realisierbar? Wer sollte es unterhalten? Wie könnte es funktionieren? ha

Fred Schmalenbach

EDV-Leiter Hager Dentalgesellschaft, Duisburg

Sowohl Erstanwender als auch Benutzer von kleiner und mittlerer Datenverarbeitung stehen dem derzeitigen Softwareangebot etwas hilflos gegenüber. Sie können sich in der Regel nur schwerlich orientieren, welches Softwarepaket nun effektiv das richtige für ihr Unternehmen ist - denn der Markt ist schier unüberschaubar geworden. Für DV-Abteilungen der geschilderten Größe wäre es also geradezu phantastisch, wenn ihnen ein Testlabor die Qual der Wahl abnehmen könnte. Eine derartige Institution sollte jedoch, um ihren Sinn erfüllen zu können, völlig neutral arbeiten.

Ich stelle mir eine Art "Stiftung Warentest für Standardsoftware" vor, die von staatlicher Seite finanziert und subventioniert wird. Standardprogramme, die neu auf den Markt kommen, sollten sofort untersucht und in Form einer Publikation dem Anwender zugänglich gemacht werden. Beim Test sind meiner Meinung nach die folgenden Kriterien von primärer Bedeutung:

1. Wer bietet welche Standardprogramme an (eventueller Vergleich)?

2. Wie hoch ist der Kaufpreis?

3. Wie funktioniert der Änderungsdienst (kostenbezogen, für DV-Abteilungen, die keine eigenen Programmierer haben)?

4. Wie ist die Dokumentation aufgebaut?

5. Was bietet das Programmpaket (sind sämtliche Probleme abgedeckt, ist es erweiterungsfähig)?

6. Garantiezeit: Bis zu weichem Zeitraum werden Änderungen kostenlos dürchgeführt?

7. Wie lange dauert die Einarbeitungszeit?

8. Ist die Installation kostenlos oder wieviel Stunden ist sie kostenlos?

9. Werden Quellenprogramme überreicht?

10. Welche kritischen Punkte enthält der Kaufvertrag?

Wie in jedem Markt gibt es auch in der Softwarebranche schwarze Schafe, die ein wenig die Innung in Verruf bringen. Sicherlich baut auch der eine oder andere Anbieter mal Türken - aber das ist sicherlich die Ausnahme. Das Zentralproblem vieler kleiner oder mittlerer Anwender liegt vielmehr in einer verständlichen Unkenntnis der vorliegenden Problematik. Spezifiziert: Das Ergebnis der Vorarbeiten, die schließlich zum Kauf eines Standardpaketes führen, stimmen häufig nicht mit den tatsächlichen Erfordernissen im Unternehmen überein.

Ein kleiner oder mittlerer Anwender, der sich softwaremäßig orientiert, schaut in der Regel zunächst auf den Preis. Ist ein Standardpaket auf den ersten Blick vielleicht 2000 oder 3000 Mark billiger, so wird es gekauft. Das böse Erwachen kommt oftmals erst hinterher.

Das Problem liegt unter anderem auch in der Unfähigkeit der Kleinanwender, Programme produktiv und objektiv zu testen. Die Unternehmen hängen hier nahezu völlig in der Luft und sind auf Gedeih und Verderb den Angaben und Empfehlungen der Softwarehäuser ausgeliefert. Der Anwender, der den Markt noch nicht genau kennt, fällt in dieser Situation nicht selten auf den Bauch.

Eine objektive Stelle, in Form eines Testlabors, der man entsprechendes Vertrauen schenken kann, wäre für jede DV-Abteilung eine große Hilfe. Die kleinen - und mittleren Anwender könnten, sich aus der Abhängigkeit der Softwarehäuser lösen und somit ohne die übliche Unsicherheit -ihre Programme wählen.

Dr. Klaus Markgraf

Bereichsleiter, der Technischen Akademie Wuppertal, zuständig unter anderem für die hauseigene EDV-Anwendung

Es ist reizvoll, sich vorzustellen, daß der angebotsüberhäufte EDV-Anwender für die Auswahl von Standardprogrammen eine kompakte Übersicht zur Hand nimmt, die alle entscheidungsrelevanten Leistungsdaten der in Frage Kommenden Programmpakete enthält. Eine solche Detaillierte Übersicht - vielleicht in der Art eines Vergleichstests - würde seine Entscheidungsprobleme ganz außerordentlich verhindern, die Sicherheit seiner Entscheidung vergrößern, und damit auch Fehlinvestitionen vermeiden helfen.

Es stellt sich die Frage, welche Informationen braucht der Anwender für seine Entscheidungen und auf welche Weise und von wem könnten sie erstellt werden? Ihn interessieren - neben den leichter feststellbaren Beschaffungskosten - vor allem die Implementierungs-Voraussetzungen und eventuelle Schwierigkeiten, die Möglichkeiten und der Aufwand der Anpassungsarbeiten. Dazu braucht er Angaben über die allgemeine Programmstruktur, deren Modularität und die Dokumentationsqualität des Pakets. Schließlich wünscht er Daten über die Verarbeitungseffizienz, sprich die Durchsatzleistung. Letztere kann sich unter anderem in Daten wie Hauptspeicherbedarf, Dateibelegung oder Laufzeiten niederschlagen.

Dieser Katalog ist keineswegs vollständig, zeigt aber bereits eine wesentliche Klippe für die Erstellung eines allgemein gültigen Tests auf: Bis auf wenige Ausnahmen können die genannten Angaben gar nicht absolut gemessen werden, sondern stets nur unter Berücksichtigung der speziellen Voraussetzungen eines bestimmten Anwenders. Hier spielen die Organisationsstruktur eines Betriebes, der Grad seiner EDV-Erfahrung, sein Daten-Mengen-Gerüst, die vorhandene Hardware-Konfiguration, das verwendete Betriebssystem, der aktuelle Jobmix, rechtliche Anforderungen und vieles mehr eine Rolle.

Zusammengefaßt muß festgestellt werden, daß eine Aussage über das Leistungsprofil eines Standardprogrammes nur unter Berücksichtigung des detaillierten Anforderungsprofils eines Anwenders möglich ist. Damit kommt eine allgemein gültige Untersuchung von Programmpaketen im Sinne einer vergleichenden Leistungsmessung mit anschließender Veröffentlichung nicht mehr in Frage. Diese Feststellung spricht jedoch nicht gegen die Idee des Testlabors im Grundsätzlichen, sondern lediglich gegen die Realisierbarkeit eines zentralen, für alle Anwender tätigen Instituts.

Untersuchungen, wie die oben skizzierten, sind notwendig und werden bereits heute an vielen Stellen von unabhängigen Instituten auch an der Technischen-Akademie Wuppertal - durchgeführt. Dringend wünschenswert ist meines Erachtens die Entwicklung einer einheitlichen Vorgehensweise für die Testdurchführung einer reproduzierbaren Systematik, deren sich verschiedenste Einrichtungen bei der Untersuchung von Standardprogrammen bedienen können. Ich könnte mir als Folge einer solchen, öffentlich oder verbandsmäßig geförderten Entwicklung vorstellen, daß die Erstellung von Programmtests aussagefähiger und vor allem schneller und preiswerter wird. Vielleicht wurden dann die Programmanbieter ihre Spezifikationen allmählich einem durch ein Testlabor geprägten Standard anpassen.

Fazit: Von der Idee einer "Stiftung Programmtest" braucht man nach dem bereits Gesagten nicht schon wieder Abschied zu nehmen, bevor sie geboren ist. Nur sollte man sich eine solche nicht an nur einem Ort und unter einem Dach vorstellen.

Dr. Bernd Thurat

Leiter EDV-Methoden und Anwendung im Industrieanlagenbereich der Klöckner Humboldt - Deutz AG, Köln

Ich bin bei der Klöckner Humboldt Deutz AG, Köln, im Industrieanlagenbereich zuständig für den Einsatz der EDV für technische Aufgaben. In diesen Zuständigkeitsbereich fallen sowohl die Leitung des Rechenzentrums als auch die Verantwortung für den wirtschaftlichen Einsatz von EDV-Methoden in den einzelnen geschäftsführenden Bereichen. Gerade in der letztgenannten Funktion habe ich ein sehr starkes Interesse an ausgereifter Standardsoftware, um sie für eine Problemlösung einsetzen zu können. Aus diesem Grunde begrüße ich ein Testlabor für Standard-Software oder schärfer ausgedrückt, ich fordere es sogar.

Der erste Schritt eines Labors sollte darin bestehen, Kriterien zu erarbeiten, um Standardprogramme zu definieren, das heißt, zu sagen, welche Programme sollen zum Standard erhoben werden. Weiterhin, wie die Schnittstellen (Eingang, Ausgang) zu normen sind und für welche Bereiche es gilt, Standardsoftware bereitzustellen. Im kommerziellen, administrativen Bereich gibt es zwar schon eine Vielzahl von Standardprogrammen, deren überwiegender Anteil jedoch noch hardwaregebunden ist. Ist nun eine Art Normung für Standard-Software erreicht, wobei diese Normung in enger Zusammenarbeit mit Hardware-Herstellern, Software-Häusern und potentiellen Anwendern erfolgen sollte, so kann in einem zweiten Schritt das Testlabor Software testen.

Die Aufsicht für diese Empfehlung, also das Einhalten der Norm, sollte einem unabhängigen Gremium übertragen werden.

Die Kriterien zum Testen sollten von Hardware-Herstellern, Software-Häusern und potentiellen Anwendern festgelegt werden. Kriterien könnten beispielsweise sein: die benötigte CPU, IO-Operationen, erforderliche Peripherie, Verhalten im Time-Sharing-Betrieb, notwendiger Speicherplatz (extern, intern). Hierzu ist es natürlich unabdingbar, unterschiedliche Hardware zur Verfügung zu haben, was nicht heißen soll, daß im Testlabor diese Hardware installiert ist. Vielmehr soll das Testlabor die Programme auf unterschiedlicher Hardware, die sowohl beim Hersteller als auch bei potentiellen Anwendern vorhanden ist, testen. In einem dritten Schritt sind dann Bewertungskriterien für unterschiedliche Standard-Software zu erarbeiten. Vor dem Hintergrund, daß die Kosten für die Software-Entwicklung ständig steigen und das Personal für entsprechende Software-Entwicklung immer mehr zur Mangelware wird, sollte jetzt schon mit der Installation einer solchen Einrichtung begonnen werden. Wichtig ist jedoch hierbei, daß die Unabhängigkeit gewahrt bleibt. Nur über einen solchen Weg sehe ich eine Möglichkeit, die stetig steigenden Software-Kosten in den Griff zu bekommen.

Hans Keutgen

Abteilungsleiter Qualitätssicherung GEI - Gesellschaft für Elektronische lnformationsverarbeitung mbH, Aachen

Die Möglichkeit einer neutralen, herstellerunabhängigen Teststelle für Standardprogramme kann zunächst von den Erstellern von Software nur begrüßt werden. Software unterliegt bekanntlich - keinen Verschleißerscheinungen, Montagsmängel haften nicht einzelnen, sondern allen Produktstücken an. Damit wäre das Stichprobenproblem bei anderen Tests - siehe Stiftung Warentest - nicht gegeben.

Aber die Probleme tauchen im Detail auf. Was soll getestet werden - Standardprogramme? Inwieweit sind Standardprogramme für bestimmte Zwecke wirklich vergleichbar? Dem einen Kunden paßt die "Konfektionsware" der Firma X vielleicht besser in seine Organisation als die der Firma Y. Das Programmsystem A befriedigt die Bedürfnisse vollständig, aber läuft nicht auf der zur Verfügung stehenden Maschine.

Was könnte ein Testlabor dann wirklich testen? Wichtigstes Kriterium ist dabei meiner Auffassung nach die Spezifikationstreue des angebotenen Produkts, inwieweit das Programmpaket den Versprechungen der Werbung gerecht wird. Darüber hinaus sollte die Robustheit - die Toleranz gegen Fehlverhalten von Daten und Benutzern - untersucht werden. Die Effizienz des Programmes kann verglichen werden mit den Produkten gleichen Dienstleistungsspektrums auf der gleichen Anlage. Insgesamt wäre damit eine Aussage über die Leistungsfähigkeit des Standardprogrammes möglich. Die Benutzerfreundlichkeit - basierend auf Bedienungs- und Benutzerkomfort - wäre vielleicht noch quantitativ angebbar.

Aussagen über die Langlebigkeit von Software - Wartungs-, Änderungsfreundlichkeit, Portabilität und Adaptierbarkeit - lassen sich nicht ohne Unterstützung des Erstellers machen und sind deshalb von vorneherein in der Aussage gefärbt.

Zusätzlich ist vollständiges Austesten von Programmsystemen heute nicht möglich. Ein ausgefuchstes Testteam hat zwar schnell größere Mängel gefunden, aber die Probleme tauchen erst bei den verdeckten Fehlern auf. Diese blockieren in aller Regel aber nicht minder die Verwendbarkeit des Systems.

Insgesamt scheint aber nicht nur aus technischer Sicht die Realisierung eines umfassenden, unabhängigen Testlabors zur Zeit kaum möglich. Wer sollte ein solches Labor betreiben? Die Hersteller (Hard- und Software) sind nicht unabhängig, wenn sie selbst in die Erstellung von Standardprogrammen involviert sind. Die Benutzer können den erforderlichen enormen Aufwand normalerweise nicht bewältigen und finanzieren. Lediglich unabhängige Systemhäuser oder neutrale Institute in staatlicher oder gesamtwirtschaftlicher Führung könnten, nach Auftrag, entsprechende Gutachten über ein von vorneherein beschränktes Spektrum erstellen. Damit ist aber eine allgemeine, marktweite Sichtung schon ausgeschlossen.