DV 1980: Zurück zum Allrounder?

14.12.1979

"Das Wunschdenken seitens der Fachabteilungen, künftig EDV-Probleme selbst lösen zu können, wird sich nicht realisieren lassen," prophezeit Peter Falkenhagen, DV-Leiter bei der Kronos Titan GmbH in Leverkusen. Im Gegenteil: Die achtziger Jahre würden das DV-Spezialistentum weiterhin fördern. "Das kommende Jahrzehnt," so Dr. Ingo Hartwig, Geschäftsführer der GBS in München, "verlangt allerdings von allen DV-Kräften zusätzliche Qualifikationen." Der Nur-Operator oder Nur-Programmierer werde bald kaum noch gefragt sein. Wolf Eberhard Müller, EDV-Chef bei der Wasa GmbH in Celle, faßt zusammen: "Die Funktion der Systemprogrammierung wird sich beim Anwender in Richtung Null bewegen. Der Anwendungsprogrammierer rückt in die Position eines Handwerkers der EDV. Allein die Systemanalyse wird an Bedeutung erheblich gewinnen, vor allem im Systementwurf und in der Software-Auswahl. Der Systemanalytiker der achtziger Jahre wird ein Allround-Mann sein." ha

Friedrich Debo

EDV-Leiter Meto GmbH, Hirschhorn/Neckar

Der EDV-Spezialist der achtziger Jahre wird sich vor allem durch das perfekte Beherrschen der zur Verfügung stehenden Unterstützungen wie Programm- und Testgeneratoren sowie durch Online-Programmierung auszeichnen. Er wird ein Schwergewicht seiner Arbeit auf produktives, rationelles und dadurch schnelles Handeln legen.

Der Mann der achtziger Jahre wird sich nicht mühsam mit Dokumentationen plagen müssen, sondern als Dokumentationshilfsmittel "Online" nutzen, das von der Programmvorgabe über Programmdokumentation bis hin zur Ablauf- und Operatordokumentation alle Schritte festhält.

Der Systemprogrammierer wird hauptsächlich noch beim Hersteller und bei Spezialunternehmen für Systemsoftware zu finden sein. Der Organisationsprogrammierer hingegen wird künftig mehr mit betriebswirtschaftlichem Wissen konfrontiert, da seine Arbeit zunehmend in die Fachabteilung hineinreicht.

Das Operating wird in der Zukunft stärker gefordert sein. Komplizierte Technik, immer mehr neuartige Anwendungen und nicht zuletzt die empfindlichen magnetischen Speichermedien machen aus ihm einen qualifizierten Mitarbeiter.

Die Spezialisierung ist natürlich abhängig von der Größe der Firma. Je größer das Unternehmen, desto spezialisierter muß das Wissen des EDV-Fachmanns sein.

Dr. Ingo Hartwig

Geschäftsführer der GBS-Gemeinnützigen GmbH für berufsbildende Schulen, München

Grundsätzlich kann festgestellt werden: Das kommende Jahrzehnt verlangt von allen EDV-Fachkräften zusätzliche Qualifizierungen.

Einen "Nur-Operator" wird es künftig immer weniger geben, denn mechanische Tätigkeiten werden mehr und mehr durch elektronische Geräte und Apparate, vor allem aus der Anwendung der Mikroelektronik, ersetzt werden.

Auch ein "Nur-Programmierer" wird kaum noch einsetzbar sein, es sei denn, als Hilfskraft. Ein Programmierer muß mindestens zwei Programmiersprachen beherrschen. Er wird sich auf ein konkretes Gebiet (entweder Technik oder im kaufmännischen Bereich) spezialisieren müssen. Aus dem Nur- Programmierer wird ein Organisations-Programmierer, der zum Beispiel eine solide kaufmännische Ausbildung bis hin zur Bilanzsicherheit nachzuweisen hat, um für dieses Gebiet eine Organisationsprogrammierung durchführen zu können. Im technischen Bereich gibt es dies bereits seit längerem. In den achtziger Jahren werden erfahrene Systemprogrammierer, Anwendungsprogrammierer, EDV-Organisatoren mit betriebswirtschaftlichen (kaufmännischen) und sogar mit branchenspezifischen Kenntnissen gesucht werden. Hier gewinnt die Berufsausbildung zum DV-Kaufmann immer mehr Bedeutung. Auch Abiturienten oder Absolventen von Fachhochshulen oder Hochschulen haben eine zusätzliche Chance. Der DV-Fachkaufmann erhält unter anderem die Aufgabe, komplexe kaufmännische oder verwaltungsbezogene Probleme für die EDV zu programmieren, neue Vorgänge zu erfassen und bestehende Programme den sich stellenden Erfordernissen anzupassen.

Um den enorm steigenden Bedarf an DV-Kaufleuten in den achtziger Jahren decken zu können, ist es unerläßlich, daß die Industrie und Verwaltung wesentlich intensiver ausbildet als es heute der Fall ist. Ad hoc-Maßnahmen vieler Unternehmen, Mitarbeiter aus den eigenen Reihen zu Datenverarbeitungsspezialisten heranzubilden, kann nur für eine Übergangszeit gelten.

Peter Falkenhagen,

EDV-Leiter, Kronos Titan-GmbH, Leverkusen

Im Rahmen eines fortschreitenden Kostenbewußtseins und damit verbundener Kostensenkungsmaßnahmen (speziell Personalkosten) werden die EDV-Abteilungen auch in kleineren und mittleren Unternehmen aus straff organisierten, hochqualifizierten EDV-Spezialisten bestehen.

Bestehendes Wunschdenken, daß Fachabteilungen mittels "Spracheingabe" EDV-Probleme selbst lösen, wird sich sicher nicht realisieren lassen. Im Gegenteil: Die 80er Jahre werden das EDV-Spezialistentum weiter fördern.

Der EDV-Leiter wird in den 80er Jahren im verstärkten Maße seine Aufmerksamkeit auf die Wirtschaftlichkeit seiner Abteilung und Systeme konzentrieren müssen.

Werden durch sinkende Hardware-Kosten Anwendungen installierbar, die bisher aufgrund kostenaufwendiger Konfigurationsänderungen abgelehnt wurden, so werden Personalkosten, Software- und Systemunterstützungskosten die Ersparnisse absorbieren.

Hier wird es sehr am EDV-Leiter liegen, durch sorgfältige Personalauswahl intensive Aus- und Weiterbildung, technische und organisatorische Hilfsmittel, wirtschaftlichen Einsatz von Standard-Software, Einsatz überregionaler Informationssysteme (MARK III, Infonet) und integrierter, dem Unternehmen angepaßter Dialoganwendungen, die Effizienz seiner Abteilung weiter zu steigern.

Dem Programmierer der 80er Jahre wird durch Soft- und Hardware-unterstützte Programmier- und Dokumentationshilfen zu neuem Ruhm verholfen. (Ungeachtet der Unken-Rufe, nach denen es schon keine Programmierer mehr geben dürfte.) Sicherlich werden es "Feld-, Wald- und Wiesen" -Programmierer und Codierer alter Prägung sehr schwer haben. Ebenso wird die Liga der unverbesserlichen Bit-Fans schwere Verluste hinnehmen müssen.

Die Zukunft gehört dem erfahrenen Organisations-Programmierer, der aufgeschlossen gegenüber neuen Techniken und Verfahren ist und mehrere Programmiersprachen beherrscht. Weiterhin dem DB- und TP-Spezialisten, der über eine fundierte Berufsausbildung oder Studium verfügt und bereit ist, auch auf "Fremdprodukte" (Standard-Software) zurückzugreifen, der benutzergerechte Organisationsabläufe und Systeme kennt, anwendet und entwickelt.

Der System-Programmierer wird künftig auch in mittleren Unternehmen zu finden sein. Diese schon immer zukunftsorientierte Gruppe innerhalb der Datenverarbeitung wird sich vergrößern. Betriebssysteme werden komplexer, externe Systemberatung teurer, DB- und TP-Anwendungen erfordern vertiefte Programmierer-Unterstützung. Die Meinung, daß eine optimale Nutzung des Rechners wesentlich zur Wirtschaftlichkeit von EDV-Anwendersystemen beiträgt, wird sich weiter durchsetzen.

Der Operator der achtziger Jahre wird auch in kleinen und mittleren Unternehmen - aufgrund fortgeschrittener Dialoganwendungen und umfangreicher Betriebssysteme - wesentlich besser ausgebildet sein müssen als sein Kollege der 70er Jahre. Das Anforderungsprofil wird sich in diesem Beruf verändern. Qualifikationen in Form von DB- und TP-Kenntnissen, Kenntnis systembedingter Zusammenhänge, Abhängigkeiten und deren Folgen werden dabei im Vordergrund stehen.

Die Datenerfassung in der EDV wird auf ein Minimum zurückgehen. Der größte Teil der zu erfassenden Daten wird mechanisch oder manuell über den Bildschirm in der Fachabteilung erfaßt. Kostengünstige Klarschrift-Lesegeräte, verbesserter Datenaustausch zwischen Geschäftspartnern, mit Banken, Versicherungen und Behörden werden weitgehend manuelle Datenübertragungen auf spezielle Eingabebelege vermeiden helfen.

Insgesamt wird der Bedarf an erfahrenen und hochqualifizierten EDV-Spezialisten zunehmen.

Wolf Eberhard Müller

EDV-Leiter, Wasa GmbH, Celle

Bei einer Betrachtung des EDV-Personalmarktes der achtziger Jahre muß man vorerst von den gegenwärtigen Tendenzen ausgehen. Spezialistenmangel, Personalknappheit, steigende Software-Entwicklungskosten, sinkende Hardware-Preise und die Verlagerung von Betriebssystem-Funktionen in die Hardware kennzeichnen den Markt.

Aus der Sicht des kleineren Anwenders hat dies für mich zur Folge, daß auf dem Gebiet der Anwendungs-Software zunehmend Standard-Software eingeführt werden muß, und eigene Entwicklungen somit zwangsläufig abnehmen. Im Bereich der System-Software resultiert daraus, daß Entwicklungen nur noch von den Herstellern durchgeführt werden. Auf den Personaleinsatz werden sich diese Fakten folgendermaßen auswirken: Die Funktion der Systemprogrammierung wird sich beim Anwender in Richtung Null bewegen, weil man sich Leute, die sich mit Arbeiten beschäftigen, die vielleicht nur alle fünf Jahre mal anfallen, nicht mehr leisten kann. Die Anwendungsprogrammierung wird in ihrer bisherigen Form bestehen bleiben - eventuell jedoch von der Mitarbeiterzahl her abnehmen, bedingt durch die verstärkten Auswirkungen seitens der Standard-Software.

Die Systemanalyse wird mehr an Bedeutung gewinnen, vor allem im Bereich Systementwurf beziehungsweise Auswahl von Software-Paketen. Das hat zur Folge, daß die Mitarbeiter entsprechend besser ausgebildet werden müssen. Der Systemanalytiker der achtziger Jahre ist ein Allround-Mann - ein Kaufmann oder Techniker mit einem fundierten praktischen und theoretischen DV-Wissen. Er muß in Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen kooperative Systeme entwickeln und Software-Entscheidungen vorbereiten können, das heißt vorwiegend kreative und beratende Tätigkeiten ausüben. Voraussetzung für die Besetzung eines Systemanalytiker-Jobs wird ein technisch oder wissenschaftlich ausgerichtetes Hochschulstudium mit dem Nebenfach Informatik sein. Aus den Systemanalytikern werden also mit der Zeit Systementwerfer.

Der Anwendungsprogrammierer braucht in den achtziger Jahren keine Veränderungen zu fürchten.

Er benötigt eine kaufmännische oder technische Lehre, solide programmtechnische Kenntnisse und er muß fest umrissene Probleme in ablauffähige Programme umsetzen können. Dies unter Benutzung systemtechnischer Hilfsmittel wie zum Beispiel Generatoren. Unter dem Anwendungsprogrammierer der achtziger Jahre sehe ich den Handwerker der EDV.

Da das datenverarbeitungstechnische Grundwissen durch Schule, Berufsschule und Universität immer mehr in die Bevölkerung getragen wird, dürfte sich der Mantel des Geheimnisvollen allmählich von der Datenverarbeitung lösen. Der Job des DV-Spezialisten wird dann zu einem ganz "normalen" Beruf werden, wie jeder andere auch.