DV-Leiter fühlen sich vom Fachabteilungs-Nachwuchs gegängelt:

Durch Scheuklappenpolitik aufs Abstellgleis

04.07.1980

MÜNCHEN- Die Kluft zwischen der DV-Abteilung und den Fachbereichen ist heute größer denn je. Langjährige Scheuklappenpolitik auf beiden Seiten würde nach Ansicht der Betroffenen inzwischen verstärkt zu Konflikten und Ressentiments führen. DV-Leute machen hierfür vor allem Hochschul- und Fachhochschulabgänger verantwortlich, die zwar über ein "begrüßenswertes Know-how" verfügten, aber die Datenverarbeiter mit ihren Wünschen häufig überforderten.

Der DV-Chef eines westfälischen Mineralölkonzerns klagt über jüngere Fachabteilungsleute mit Hochschulstudium, die einen (für seinen Job) "gefährlichen Ausbildungsstand" hätten. Dieser Mitarbeiter-Typus habe die Bildschirm-Euphorie längst

überwunden und verlange jetzt komplette Dialogsysteme. Selbst in DV-spezifischen Fragen gäbe es in Fachbereichen bereits starke Kontrahenten - was für einen DV-Mann bisher undenkbar gewesen sei. Der DV-Chef alter Prägung, der noch wehmütig in Assembler schweige, gerate unweigerlich aufs Abstellgleis, wenn er nicht bereit sei, sich ad hoc umzuorientieren.

Früher sind wir den Fachabteilungen nachgelaufen und haben unsere Computerleistung wie Sauerbier angeboten", gesteht Hans Albrecht, DV-Leiter bei den Lübecker Stadtwerken, "heute können wir uns vor deren Anforderungen kaum noch retten." Auch der DV-Leiter eines bekannten hessischen Sanitärmöbelanbieters fühlt sich von den Wünschen des Fachabteilungsnachwuchses überfordert. Allein aus Manpower-Gründen sei er nicht in der Lage, die an ihn herangetragenen Probleme kurzfristig zu lösen. Dadurch komme es immer häufiger zu Konfrontationen zwischen DV-Abteilung und Geschäftsführung "weil den Bossen hier immer noch das nötige Verständnis fehlt".

"Wir versuchen alles mögliche, um unsere EDV zentral zu halten", verdeutlicht der DV-Chef eines Frankfurter Präzisionswerkzeug-Herstellers. Obwohl sich gerade im Fertigungsbereich meist "Anspruch und Wirklichkeit nicht decken", würden vor allem die Ingenieure im Unternehmen zum eigenen Computer tendieren.

Axel Möhring von Edeka in Berlin meint, daß sich noch immer in vielen Unternehmen Kompetenzen in den Händen der Datenverarbeiter befänden, die eigentlich längst wieder in die Fachbereiche gehörten. Während sich ältere Facheibteilungsleiter mit dieser Situation abgefunden hätten würde der Nachwuchs in letzter. Zeit die Verantwortung massiert zurückverlangen. "Wenn hier keine gemeinsame Gesprächsbasis gefunden wird", orakelt Möhring, "kann es zu verstärkten Konfrontationen kommen."

Einen neuen Trend indessen glaubt Karl-Heinz Aufermann, DV-Manager bei der Deutschen Rockwoll GmbH in Gladbeck, ausgemacht zu haben. Nach seiner Ansicht suchen Betriebswirte oder Informatiker den Weg ins DV-Management häufig über die Fachbereiche. Der DV-Leiter "der alten Schule" habe gegenüber einem Hochschulabsolventen stets die schlechteren Karten, weil ihm die Flexibilität fehle. Als Assistent eines Fachbereiches oder als Fachgebietsleiter könne sich der Nachwuchs im "Kontra-Spiel zur DV-Abteilung" profilieren und erste Lorbeeren einheimsen. Wie Aufermann weiß, resultiert aus dieser Entwicklung, daß sich um die DV-Abteilung, insbesondere in größeren Unternehmen, eine sogenannte DV-Koordinationsabteilung aufbaut: "lch kenne Fälle, in denen sich der DV-Chef wundert, daß er plötzlich einen neuen Vorgesetzten hatte ".

Der Abteilungsdirektor einer Wiesbadener Versicherungsgesellschaft gibt zu, daß sein Unternehmen von dieser Situation sogar profitiert: "Wir stellen bewußt Jungakademiker ein die wir vorab zwei bis drei Jahre in die Fachbereiche schicken, um sie später ins DV-Management zu übernehmen. "