Jahresrückblick/Kommentar

Dunkelziffer

23.12.1998

Zweifelsohne macht das Internet Spaß, ist Bühne einer blühenden Spaßkultur. Doch rechtfertigt dies die grassierende E-Commerce-Euphorie, die selbst gestandene Entscheider noch überkommen kann, wenn sie Erfolgsstories wie die der berühmten Dell-Cowboys auf sich wirken lassen? In diesem Fall wurde die Eleganz der interaktiven Direktvertriebslösungen nur noch übertroffen vom überaus befriedigenden Kosten-Nutzen-Verhältnis der weltweit akzeptierten E-Commerce-Lösung der pfiffigen Texaner. Und das war 1998 nur eins von zahllosen Internet-basierten Traumergebnissen.

"Doch die im Dunkeln sieht man nicht", ertappt sich der Chronist beim Zitieren des Alt-Realos Bertolt Brecht. Denn zahllos sind auch die Fälle von Imageverlust. Wo doch genau das Gegenteil erstrebt war unter dem Hau-Ruck-Motto "Dabeisein ist alles". Von schamhaft verschwiegenen Security-Niederlagen und ätzenden Know-how-Defiziten ganz zu schweigen. Schon tummeln sich ganze Heerscharen von E-Commerce-Beratern auf dem gewinnträchtigen Internet-Claim, verbreiten (un-)selige Goldgräberstimmung und halten die Hand auf.

Klar, eine Unzahl von Tools ist zu installieren, bevor die Nuggets den eifrigen Sandwäschern ins Sieb fallen können: Data-Mining heißen die oder Firewalls, trickreiche Codierungen müssen her und was der technologischen Wunderdinge mehr sind. Vorzugsweise sind sie im Unbundling zu erwerben - inklusive Risiko allerdings. Erfolgsabhängige Honorare sind nämlich unüblich!

So geriet vermeintlich innovatives Klotzen öffentlichkeitswirksam zu peinlichem Klecksen. Und: Noch bevor der angestrebte Nutzen definiert war, erreichten die Kosten bereits Rekordstände im Informationstechnik-Etat.

Fazit: Wo sich vorwitzige Trendsurfer eine goldene Nase verdienen wollten, fielen sie auf dieselbe.