Zusammenstreichen des Gründungszuschusses

Dürre Zeiten für Gründer

29.06.2011
Von 
Michael Schweizer ist freier Autor in München.

Was das neue Gesetz bringt

Beide Förderformen wurden zum 1. August 2006 abgeschafft und durch den Gründungszuschuss ersetzt. Der soll nun seinerseits geändert werden.

Das "Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt", dem Kabinett vorgestellt von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, soll am 1. April 2012 in Kraft treten, der auf den Gründungszuschuss bezogene Teil aber schon am 1. November 2011. Der Bundestag soll das Gesetz noch vor der Sommerpause, also spätestens am 8. Juli, beschließen. Die wichtigsten Änderungen sind:

Den Gründungszuschuss gibt es nur noch als Ermessensleistung. Auch wer einen überzeugenden Business-Plan und ein positives Gutachten einer fachkundigen Stelle vorweist, hat auf den Zuschuss keinen Rechtsanspruch mehr, sondern kann abgelehnt werden.

Wer Gründungszuschuss beantragt, muss zum Antragstermin noch 150 Tage Restanspruch auf Arbeitslosengeld 1 haben, bisher waren es 90 Tage. Das kann sehr knapp werden. Wem sechs Monate lang Alg 1 zustehen, der muss bereits nach einem Monat seine Gründung in dokumentierbarer Form vorbereitet haben. Im alten wie im neuen Gesetz sind Arbeitslosengeld und Gründungszuschuss alternativ. Wer Gründungszuschuss bezieht, bekommt ab Förderbeginn das Alg 1 nicht mehr, auf das er sonst noch Anspruch hätte.

Bisher bekamen geförderte Gründer neun Monate lang Zuschuss in Höhe ihres Anspruchs auf Arbeitslosengeld 1 plus 300 Euro und dann weitere sechs Monate lang je 300 Euro. Ab 1. November soll es den höheren Betrag nur noch sechs Monate lang geben und dann neun Monate je 300 Euro. Ein Hauptverdiener mit Kind kommt damit insgesamt auf maximal 18.042 statt 24.815 Euro, ein Alleinstehender auf höchstens 14.889 statt 20.084 Euro.

Diese Zahlen klingen nicht so dramatisch. Eine Gründung, der mit 24.000 Euro geholfen ist, dürfte es auch mit 18.000 Euro schaffen. Die Brisanz liegt vielmehr darin, dass viele Gründer überhaupt keinen Zuschuss mehr bekommen werden. Bis zum Jahr 2015 soll die Bundesagentur für Arbeit 7,5 Milliarden Euro einsparen. Die Hauptlast sollen die Gründer tragen. Für Gründungszuschüsse standen bisher 1,8 Milliarden Euro pro Jahr bereit. Dieses Budget soll um 74 Prozent gekürzt werden. Bundesagentur-Chef Frank-Jürgen Weise, ein Kritiker des geplanten Gesetzes, rechnet damit, dass sechs von zehn Antragstellern aus rein finanziellen Gründen abgelehnt werden müssen. Die Beamten in den Agenturen vor Ort, die solche Ablehnungen begründen müssen, werden von Antragstellern, die die formalen Voraussetzungen für den Gründungszuschuss erfüllen, wohl vor allem die Business-Pläne bemängeln.

Ursula von der Leyen argumentiert, bisher seien zu viele "Notgründungen" gefördert worden. 120.000 Selbständige bezögen Hartz-IV-Leistungen. Allerdings gibt es in Deutschland etwa vier Millionen Selbständige. Prozentual finden sich unter ihnen also viel weniger Hartz-IV-Bezieher als in der Gesamtbevölkerung, wo es letztes Jahr 6,48 Millionen waren. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg verglich in seinem "Sachstandsbericht der Evaluation" (Kurzfassung "IAB-Kurzbericht 11/2011") 3000 Arbeitslose, die Existenzgründungszuschuss oder Überbrückungsgeld erhalten hatten, mit 3000 Nichtgeförderten. 28 Monate nach Förderbeginn waren etwa 70 Prozent der Geförderten noch selbständig. Unter den Geförderten waren 20 bis 30 Prozent weniger registrierte Arbeitslose als unter den Nichtgeförderten, und sie verdienten mehr. Auch nach fünf Jahren zeigte der Gruppenvergleich, dass die Förderung insgesamt erfolgreich war. Mit dem Gründungszuschuss wurden nach Angaben des IAB im Jahr 2010 etwa 146.500 Gründer gefördert. Außer ihren eigenen schufen sie, in Vollzeitäquivalenten gerechnet, ungefähr 102.500 weitere Arbeitsplätze.

Mit dem neuen Gesetz will von der Leyen auch "Mitnahmeeffekten" begegnen. Gemeint sind Zuschüsse, die den Empfängern zustanden, die sie aber nicht gebraucht hätten. Bisher ist es außerdem möglich, neun Monate lang Arbeitslosengeld 1 zu bekommen - der Höchstanspruch sind zwölf Monate - und dann noch Gründungszuschuss. Diese neun Monate reduzieren sich durch die neue Restanspruchspflicht von 150 Tagen auf sieben.

"Ich hatte von Anfang an so viel Arbeit, dass ich keinerlei Zuschuss beantragt habe", sagt Christian Koch, der in München Computer- und Netzwerkservice und PC-Troubleshooting betreibt. Koch kennt sich mit allen gängigen Betriebssystemen aus, aber er ist Linux-Enthusiast. Zu seinen Kunden zählen Arztpraxen, die die Linux-basierende Praxissoftware des Herstellers Apris installieren wollen oder schon laufen haben. Temperamentvoll informiert Koch den Journalisten über die Vorzüge des offenen Betriebssystems. Freiberufler, die genug verdienen, pflegen ihre Arbeit zu mögen. Epidemische Meetings, Zielgespräche und Betriebsausflüge empfinden sie nicht als verlockend. Koch geht es wie Yves Vogl: "Ich möchte selbständig bleiben."