Dünnfilm-Freundschaft

10.02.1984

Die COMPUTERWOCHE-Recherche des Peripherie-Abkommens zwischen den Mainframe-Rivalen IBM und Siemens (Seite 1) hat die Stuttgarter und die Münchner zu einer zunächst nicht geplanten Gleichlaut-Reaktion herausgefordert. Auf einen vertraulichen Hinweis hatte CW-Redakteur Manfred Hasenbeck letzten Freitag bei der IBM Deutschland und bei der Siemens-Datentechnik angefragt, ob Big Blue tatsächlich 3380-Dünnfilmplatten an den deutschen PCM-Anbieter liefere, und sich schon auf eine ausweichende Antwort ("Wir spekulieren nicht über zukünftige Ereignisse") gefaßt gemacht. Doch die Pressesprecher beider Unternehmen sagten, offensichtlich nach gegenseitiger Absprache, eine Stellungnahme zu, "so schnell es geht".

Es dauerte keine zwei Stunden. Die Pressemitteilungen, die uns noch am selben Tage von IBM und Siemens via Telex ins Haus ratterten, glichen sich bis aufs l-Tüpfelchen. In München-Neuperlach hatte man sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Reihenfolge der Firmennamen auszutauschen. Da heißt es: "Die IBM Deutschland GmbH, Stuttgart, und die Siemens AG, München,. . . " - wie in dem Statement aus der deutschen IBM-Zentrale. Rutschte einem Siemens-Sprecher heraus: "Wir wären mit dieser Information erst in vier bis sechs Wochen an die Öffentlichkeit gegangen."

Wie ist nun das Abkommen zu bewerten? Zunächst als reiner OEM-Vertrag, wie er unter großen DV-Herstellern üblich ist. Man spricht freilich nicht gerne über solche Komponentengeschäfte. Der Kunde soll gar nicht erst ins Grübeln kommen, wer die eigentliche Produktverantwortung übernimmt. Einen Vorteil immerhin hat die Vereinbarung für Siemens, auch wenn man sich auf den OEM-Aspekt beschränkt: Die Münchner können als einziger Anbieter neben IBM nun die 3380-Platteneinheiten in größeren Stückzahlen liefern. Es ist unbestreitbar, daß Siemens' PCM-Konkurrenten, BASF etwa oder National Advanced Systems (NAS), aber auch unabhängige Mixed-Hardware-Anbieter wie STC, Memorex und Control Data dadurch in die Zwickmühle geraten. Ohnehin trugen die Fujitsu-Rechner nicht unerheblich zu der guten Entwicklung der Siemens-Datentechnik im vergangenen Jahr bei.

Damit wären wir bei einem zweiten Punkt, dem Verhältnis der Siemens-Datenverarbeiter zu ihrem Hauslieferanten. daß die Japaner ihrem deutschen PCM-Partner, was die Jumbo-Vermarktung betrifft, aus dem Seitensprung mit Mother Blue nun einen Strick drehen könnten, ist - zumindest auf kurze Sicht - nicht anzunehmen. Dazu läuft das Geschäft mit Fujitsus "lBMulatoren" über den Siemens-Vertrieb in Europa - und besonders in der Bundesrepublik - zu gut (siehe oben).

Wenn man einen dritten Gesichtspunkt berücksichtigt, dann zeigt sich, daß bei diesem Abkommen die Dinge nur scheinbar unkompliziert liegen: Die Münchner, praktisch ohne eigene Großrechner-Entwicklung; müssen Angst haben, daß die Mainframe-Konkurrenten sie technisch abhängen. Hier ist weniger an die Nicht-lBM-Anbieter, die Mitglieder der sogenannten "BUNCH" gedacht (Burroughs, Univac, NCR, Control Data und Honeywell). Im Mainframe-Markt setzen IBM und die Japaner Maßstäbe. Durch das Lieferabkommen begibt sich Siemens in eine technologische Abhängigkeit, die am Ende tödlich sein kann. Ein Wort zu IBM: Dem Computerriesen kommt es offensichtlich nur darauf an, auf allen Hochzeiten zu tanzen. Ein Ende der Kooperationsphase (Intel, Rolm, nun Siemens) ist noch längst nicht in Sicht. Das große Duell mit AT&T steht irgendwann bevor.