Dünne Dementis

18.11.1988

Wie brutal der Markt mit der Vertriebsmannschaft eines Unternehmens umspringt, dessen Großaktionär aussteigen will, hat das Beispiel MAI gezeigt: Konkurrenten gingen mit Zeitungsmeldungen über den anvisierten Besitzerwechsel hausieren, die VBs fühlten sich oft wie der Hase, der dem Igel nachläuft.

Probleme dieser Art wollte Natsemi-Chef Charles Sporck offenbar von vornherein ausschließen, so er denn wirklich den Verkauf der PCM-Tochter NAS im Schilde führt. Das Thema wird von Natsemi als geheime Kommandosache behandelt, offiziell weiß keiner von nix.

Auf die Fährte gebracht hat Sporck die Marktbeobachter jedoch selbst: Er hielt sich bei der Hauptversammlung verdächtig bedeckt, was seine Pläne für die (in letzter Zeit von Ertragsschwäche gebeutelte) NAS betrifft. Liest man zwischen den Zeilen, muß auch das Dementi, das seine hiesigen Statthalter zu einem angeblichen Verkauf des Europa-Geschäfts verbreiteten, wie eine Bestätigung der Grundaussage wirken. Erstens: Die PCM-Sparte soll zwar abgestoßen werden, aber nur en bloc. Zweitens: Die Comparex, deren Interesse nur dahin gehen kann, einen Konkurrenten im Europageschäft unschädlich zu machen, kommt dafür nicht in Frage - es sei denn, Hitachi selbst würde den US-Markt übernehmen. Das setzte voraus, daß die Japaner die amerikanischen VBs und Serviceleute der NAS nicht vergraulen.

Bleibt nur noch eine Variante: Der Breitband-Lieferant Memorex-Telex, der außer CPUs so gut wie alles anbietet, was IBM-kompatibel ist, könnte diese Sortimentslücke schließen. Das erklärte Ziel des Unternehmens, das schon bisher viele Produkte im OEM-Geschäft zukauft und auf eigene Produktion keinen allzu großen Wert legt, ist ein Wachstum auf fünf Milliarden Dollar Jahresumsatz bis Mitte der neunziger Jahre. Das geht nur über Fusionen. Zur Finanzierung der Telex-Übernahme hat Memorex-Boß Giorgio Ronchi einen Milliardenkredit lockergemacht. Daß er bei seinen New Yorker Geldgebern weitere 350 Millionen loseisen könnte, wäre ihm zuzutrauen.

Für preisbewußte IBM-Anwender wäre letztere Lösung sicher sinnvoller: Die Zahl der Anbieter kompatibler Produkte würde sich nicht verändern, somit blieben die Preise unter Druck. Schluckte Comparex die NAS, fiele hingegen der Wettbewerb innerhalb des Hitachi-Lagers weg. Und das heißt: höhere Kosten.