DV-Spezialist gesucht:

Dünnbrettbohrer und häusliche Typen zwecklos

11.06.1982

Signifikante Veränderungen auf dem Personalmarkt beobachtet IDC-Chef Erik Hargesheimer. Durch die Integration früher getrennter Märkte verschieben sich die Anforderungsprofile verschiedener Berufe. Gleichzeitig sieht Hargesheimer eine qualitative Änderung der Berufseinstellung. Wie Unternehmensberater Herbert Fossler meint, binden komplexere Entwicklungen und Realisierungen die Mitarbeiter über immer längere Zeiträume an die Unternehmen. Deshalb seien gute Fachkräfte auf dem freien Markt kaum noch zu haben. Der gezielten Ausbildung von Nachwuchskräften komme immer stärkere Bedeutung zu. Eine Stagnation sieht Günter Will nur in Teilbereichen des Personalmarktes. Eine praktische Schulung, von Theorie untermauert, sei ein Garant für die Karriere. Einig sind sich die Autoren in der Bewertung der derzeit negativen Einflüsse der Gesamtkonjunktur auch auf den DV-Arbeitsmarkt.

Herbert Fossler, Mitinhaber von Fossler & Partner, Gesellschaft für Unternehmensberatung mbH, Hofheim-Wallau

Die Datenverarbeitung ist und wird zunehmend zum Motor der Rationalisierung und Innovation.

Um die technischen Möglichkeiten zu nutzen, fehlen Arbeitskräfte. Die Resonanz der Stellenausschreibungen im DV-Bereich zeigen überdeutlich das krasse Mißverhältnis von Angebot und Nachfrage. Die Besetzung der DV-Führungsebene stellt sich - bedingt durch die Altersstruktur der Branche - noch relativ unproblematisch dar. Gute DV-Fachkräfte allerdings sind

"Mangelware" und selbst eine aggressive Personalwerbung bringt nicht die gewünschten qualitativen Bewerbungen.

Die heutige Gesamtsituation ist gekennzeichnet durch ein abwartendes Verhalten sowohl seitens der Unternehmen als auch beim DV-Personal. Komplexere Entwicklungen und Realisierungsphasen binden die Mitarbeiter über immer längere Zeiträume an ein Unternehmen. Die DV-Mitarbeiter wissen jedoch, daß die Mitarbeit bei der Einführung von Gesamtsystemen und das nur über Jahre zu erlangende Wissen um die individuelle betriebliche Organisation den Wert steigert. Demzufolge wird die Arbeit qualifizierter DV-Fachkräfte nach wie vor mit einem überdurchschnittlichen Gehalt honoriert. Wachsende DV-Installationen führen somit zu einer Verteilung der vorhandenen DV-Personalkapazität.

"Erster Mann" zu sein, mit vielseitigen Aufgaben an einer MDT-Anlage, ist für viele DV-Leute Anreiz genug, sich in einem Mittel- oder Kleinbetrieb langfristig zu etablieren. Auch "Softwarefabriken" und Dienstleistungsunternehmen bieten in zunehmendem Maße immer mehr lukrative Arbeitsplätze. Hier kann der DV-Mann sein Fachkönnen unter Beweis stellen, ohne auf teilweise umständliche Verwaltungsverfahren bei der Projektrealisierung Rücksicht nehmen zu müssen.

Den Unternehmen bleibt mittelfristig keine andere Wahl, die praktische Ausbildung von DV-Personal wesentlich intensiver zu betreiben. Ideale, theoretische Voraussetzungen hierfür bringen Hochschulabgänger der Fachrichtung DV mit. Die Praxis zeigt, daß Absolventen von Programmierlehrgängen wesentlich größere Probleme haben, den Berufseinstieg zu schaffen. Der Aufwand der praktischen Ausbildung ist hoch, aber langfristig wird sich eine solche Maßnahme auszahlen. Das Bemühen aller Beteiligten, den Bedarf langfristig durch gezielte Aus- und Weiterbildung zu decken, bleibt allerdings die wichtigste Aufgabe, wobei die Devise gelten muß: Qualität vor Quantität.

Es wird immer notwendiger, nicht nur DV-Experten auszubilden, sondern auch anderen Mitarbeitern allgemeine DV-Kenntnisse zu vermitteln. Die Datenverarbeitung wird zum "Querschnittswissen" für viele Berufe.

Günter Will, Leiter des Ausbildungsbereiches "DV- und Informatik" im Berufsförderungswerk Heidelberg

Wir halten derzeit ein differenziertes Dienstleistungsangebot von zirka 35 verschiedenen Berufsbildern aus sieben Berufsfeldern für berufliche Rehabilitation Behinderter bereit. Das darin angebotene EDV-Berufsbildungsspektrum erstreckt sich dabei vom Lehrberuf, Datenverarbeitungskaufmann, über die Fachschulberufe staatlich anerkannter Wirtschaftsinformatiker und staatlich geprüfter Betriebswirt DV bis zum Fachhochschulberuf Diplom-Informatiker. Bei näherer Betrachtung sind von der Stagnation nur Teilbereiche des DV-Personalmarktes betroffen. Es ist momentan erkennbar, daß für Absolventen, die zu ihrem theoretischen EDV-Bildungsaufbau eine praxisnahe mit marktgängigem Hard- und Softwareproduktwissen versehene praktische Ausbildung absolviert haben sowie Bewerber mit mehrjährigen Erfahrungen in EDV-Funktionen mit vertieften praktischen Kenntnissen in der DV-Methodik und DB/DC-Systemen keine Probleme bei der Arbeitsplatzsuche haben.

Wir haben den Eindruck, daß die derzeitige Personalmarkt-Situation unter anderem dadurch bedingt ist, daß insbesondere in der freien Wirtschaft die Betriebe konsequent kompakte und straff geführte EDV-Instanzen einrichten. Ebenso wird eine notwendige Personalkapazitätsausweitung vorzugsweise in Zusammenarbeit mit leistungsfähigen Softwarehäusern zeitlich begrenzt.

Erik Hargesheimer, Geschäftsführer der IDC Deutschland GmbH, Wiesbaden

Wenn mit "Stagnation am EDV-Personalmarkt" gemeint ist, daß sich hier nahezu nichts mehr bewegt, stimmt das mit meinen Beobachtungen nicht überein. Es zeichnen sich im Gegenteil, vielleicht nicht für jedermann sichtbar, signifikante Veränderungen ab. Neue Berufe entstehen. Anforderungsprofile an Fachkräfte verschieben sich, nicht zuletzt durch die Integration der früher getrennten Märkte EDV, TV, Büro- und

Kommunikationstechnik. Auch die Mikroelektronik setzt der einst "heiligen Kuh" EDV neue Maßstäbe. Auf der Anwenderseite führt das Angebot von "Easy-to-use"-Maschinen und "Standardanwendungspaketen" zu geringerem Bedarf an Durchschnittsprogrammierern und weniger Aufträgen für "Ein-Mann-Show"-Softwarehäuser. Verkäufer werden von der den Herstellern durch Hardwarepreisverfall aufgezwungenen Suche nach neuen (sprich kostengünstigeren) Vertriebswegen berührt.

Andererseits stimme ich der Feststellung zu, daß sich das in Zeiten konjunkturellen Friedens auf Hochtouren drehende "Personalkarussell" momentan nur sehr gebremst bewegt. "Job hopping" ist seltener geworden als früher. Das führt auf Dauer zu einem Vakuum an qualifizierten Fachkräften.

Ich kenne Personalchefs die klagen:

"Es soll in der Bundesrepublik fast zwei Millionen Arbeitslose geben, darunter auch viele EDV-Kräfte. Wo sind die

15 Verkäufer oder 10 Systemberater, die ich dringend suche?"

Nur zweifle ich daran, ob alle Personalchefs auch die anderen Zeichen unserer Zeit genauso gewissenhaft in ihre Strategie miteinbeziehen. Ein "Aufgeld" als Ermunterung zum Arbeitgeberwechsel mag vor Jahren noch gezogen haben. Heute sind Mehreinkommen und "illustre Berufstitel" nur sehr flache Argumente. In einer Umwelt, in der überdurchschnittlicher Leistungswille und Interesse an beruflichem Engagement eher als Erfolgsneurotik eingestuft werden, ziehen solche Trümpfe nicht sehr stark. Man reißt sich heute kein Bein mehr aus. Aussteiger gibt es auch in unserer Branche, und sie ernten eher Bewunderung als Ablehnung.

Deutliche Signale setzen beispielsweise Einstellungstestergebnisse eines namenhaften EDV-Herstellers. Seit Jahren benutzt dieser Hersteller diese Tests zur Eignungsprüfung von Hochschulabsolventen vor deren Einstellung. Die fachliche Qualifikation der Bewerber ist (nach den Testergebnissen beurteilt) in den letzten Jahrgängen angestiegen, die Motivation und Einstellung zum Engagement deutlich gefallen. Außerdem ist der Wunsch nach Absicherung enorm gestiegen. Soziale Netze oder Pensionspläne sind heute bei 28jährigen schon sehr gefragt.

Angesichts dieser Erkenntnis ist Kritik an betroffenen Hochschulorganen und Politikern nicht verwunderlich. Sicher sind hier auch die Verantwortlichen zu suchen. Wer sich in der EDV-Industrie jedoch mit dieser Kritik begnügt und resigniert über Leistungsabfall und mangelnde Mobilität von Fachkräften und Hochschulnachwuchs klagt, bezieht zu wenig Facts in die moderne Personalarbeit mit ein. Wenn Geld nicht mehr genügend motiviert, muß man eben ein anderes Bündel von Motivatoren zusammenschnüren. Wie wäre es mit

* Förderung der Lebensfreude auch im Berufsleben,

* Produkten, auf die man stolz sein kann,

* einem Firmenimage, zu dem sich gerne emotionale Bindung entwickelt,

* Vorgesetztenverhalten, dem man das Engagement für den Mitarbeiter abnimmt,

* Schulungsprogrammen die zur breiten Weiterentwicklung und nicht zum Fachidioten führen.

Einige wenige Unternehmen gehen diesen Weg und tragen diese nicht gesetzlich festgeschriebene "Sondersteuer". Wenn es sich hier auch um "Nonprofit-Investitionen" handelt, zahlen sich diese langfristig aus.

Richard Hönig, Geschäftsführender Gesellschafter, Treuhand International Wirtschaftsberatungen, München

Von einer Stagnation im DV-Personalmarkt kann eigentlich nicht gesprochen werden, eher von einer Neuorientierung. Diese ist auch dringend notwendig, da sich die Situation wesentlich vielschichtiger darstellt als in den vergangenen Jahren.

Aus dieser Unsicherheit heraus werden geplante und verabschiedete Personalplanungen nur zögernd verwirklicht. Gab es bisher eine Abgrenzung zwischen Großcomputer und Computer der mittleren Datentechnik, so sind nun sehr rasch die "Minus" in den Markt eingebrochen. Ferner haben diese Minicomputer die Grenzen gegenüber dem Markt der Schreibmaschinen und Textautomaten verwischt und die Anwender wie auch die Produzenten (und hier vor allem die Vertriebsorganisationen) vor schwierige Entscheidungen gestellt.

Speziell der Vertriebsbeauftragte ist in den meisten Fällen mit einer neuen Konzeption konfrontiert worden, in welcher er die ganze Entwicklung nicht übersehen konnte.

Die nur äußerst zaghaften Investitionen der Industrie schränkten den Radius der Computerhersteller sowie die personelle Entwicklung im DV-Personalmarkt enorm ein. Der Kreislauf war unterbrochen - er stagniert. Stagniert er wirklich?

Angesichts einer immer größeren Bedeutung der Kommunikation am Arbeitsplatz ist die Wahl der richtigen Infrastruktur für die Informationsverarbeitung die primäre Zukunftsentscheidung.

Wie kann dieses Problem gelöst werden. Eine Möglichkeit bietet sich hier in fast idealer Weise an. Es ist ein Modell, wie es in der Bau- und Textilindustrie seit Jahren erfolgreich praktiziert wird. Man hat sich zu sogenannten Ausbildungszentren zusammengeschlossen und wacht somit über eine umfassende Weiterbildung junger Nachwuchskräfte für diese Branchen.

Eine weitere Möglichkeit ist die Einschaltung eines erfahrenen Personalberaters. Dieser kann im Zuge einer durchdachten "Karriereberatung" dem interessierten und engagierten Kandidatenkreis die Zukunftsperspektiven umreißen und bei der Realisierung mitwirken. Die Erfahrung hat gezeigt, daß in einem immer enger werdenden Kreis ein Fachspezialist die Weichen richtig stellen kann. Voraussetzung ist natürlich die Bereitschaft der Unternehmen, junge Menschen mit einer guten theoretischen Ausbildung die Chancen einzuräumen, dieses Wissen durch die Praxis zu vervollständigen und auszubauen. Dadurch ist mittel- und langfristig gewährleistet, daß der Kreis an gut ausgebildeten Fach- und Führungskräften im DV-Markt wieder geschlossen wird.