1988 wird im Zeichen der Integration von Electronic-Publishing stehen:

DTP zwingt zum Überdenken der Publikationsaktivitäten

18.12.1987

Nachdem die Vorteile von Desktop-Publishing (DTP) inzwischen hinreichend bekannt sind und viele Unternehmen auch bereits die ersten Schritte gewagt haben, stellt Autor Manfred Lang* jetzt die Frage nach der Integration. Effizienz und Effektivität in der Gestaltung und Produktion von Dokumenten ließen sich nämlich nur dann erzielen, wenn die DTP-Systeme in die DV-Landschaft des Anwenders eingebunden seien.

Der Umfang von Druckerzeugnissen wächst im Zeitalter elektronischer Medien dramatisch an. Eine Wende ist nicht in Sicht - immer stärker treten Qualität und Aktualität gedruckter Kommunikationsmittel als Wettbewerbsfaktor in den Vordergrund.

Eine Zukunft ohne Papier ist heute - im Gegensatz zu den Verlautbarungen vor noch wenigen Jahren nicht mehr denkbar. Dennoch ist nichts beim alten geblieben: Papier hat eine neue Qualität erhalten, und zwar hinsichtlich der Exklusivität bei der Verwendung als "Hochglanz"-Präsentationsmedium oder in Buchform - und, weniger aufwendig produziert und bedruckt, als hochaktuelles Kommunikationsmittel, wenn Metzger, Supermarkt, Computershop das Frischeste, das Neueste zu Tiefstpreisen anbieten. Sehr unterschiedliche Welten, die hier genannt werden - aber doch dasselbe Medium. Und seit nicht viel mehr als einem Jahr eine neue, zumindest sehr einleuchtende Art, auf elektronischem Wege dieses Medium professionell mit Text, Grafik und Bildern zu bedrucken. Desktop-Publishing (DTP) ist gemeint.

DTP hat einen seriösen Hintergrund

Damit beginnt auch schon die Not der Abgrenzung. Was geht, was geht nicht, und was sollte man tun mit Desktop-Publishing? Die Ingenieure haben es sicher gleich bemerkt: Die Technische Dokumentation wurde hier noch nicht genannt. Aber auch den Profi-Grafikern sträuben sich die Haare: Ein PC-Progrämmchen, von Laien aktiviert, soll Hochglanzbroschüren erzeugen? Nein? Dann blieben ja wirklich nur die Metzger, Supermärkte, Hifi-Läden und Computershops als Anwender, ergänzt durch Printshops, die mit PC-Laser-Drucker im Kaufhaus oder Zigarrenladen schöne Visitenkarten, Menükarten oder Vereinszeitungen herstellen?

Desktop-Publishing hat sicher einen sehr seriösen Hintergrund. Die Erzeugung und Bearbeitung von Informationen sind Grundfunktionen der Kommunikation. Im Rahmen der Bürokommunikation wurde hierfür bereits der Fachbegriff "Dokument" als Organisationseinheit definiert. Die steigenden Anforderungen an die Qualität dieser Dokumente - die integrierte Erstellung von Text, Bild und Grafik, später auch mit Farbe erfordert Werkzeuge, die dies professionell und wirtschaftlich unterstützen. DTP kann dies und hat damit eine neue Qualitätsstufe erreichbar werden lassen. DTP als integraler Bestandteil der Bürokommunikation ist damit - wenn es so einfach integrierbar ist - außerhalb aller spektakulärer Erwartungen.

Tatsächlich ist es um DTP im Moment etwas stiller geworden. Zur Systems in München war das deutlich zu erkennen. Sachlichkeit, weniger Euphorie, waren ganz im Gegensatz zur CeBIT im März angesagt.

Man soll sich dadurch aber nicht täuschen lassen, DTP ist sehr wahrscheinlich eine Zeitbombe. DTP wurde bei uns quasi über Nacht zur Sensation. Der eigentliche Knalleffekt aber fehlt noch: CEP - Corporate Electronic Publishing ist sicher das Schlagwort der nächsten Zeit, Vergleichbar mit CIM, CAD, Office Automation und - weniger computertechnisch - CIP (Corporate Identity Programme). Publishing - Publizieren - heißt generell im produktionstechnischen Sinne, Informationen zu verdichten und zu strukturieren, aufzubereiten unter Hinzufügung von Bildern, Grafik und dies auf einer Seite (innerhalb eines Dokumentes) ansprechend, informativ zu arrangieren.

Wettbewerbsvorteile bei niedrigeren Kosten

So gesehen ist dieser Prozeß für viele Zwecke eines Unternehmens, intern wie extern, notwendig. Und damit gewinnt das Publishing eine ganz neue Dimension. Ob es sich um Angebote, interne Kommunikationsmittel, technische Dokumentation, um Geschäftsberichte, Produktprospekte oder Preislisten handelt eine gewaltige Aufgabenstellung mit komplexen Interdependenzen wird hier erstmals im Zusammenhang betrachtet und mehr und mehr kritisch analysiert. Zwischen fünf und zehn Prozent des Umsatzes nennen Insider als Preis für diese Aktivitäten. Jeder Produktivitätsgewinn - mit fast automatisch einhergehender Qualitätsanhebung - schlägt hier merklich zu Buche: Wettbewerbsvorteile bei gleichzeitig niedrigeren Kosten - wer ließe sich hierfür nicht begeistern?

Wer aus bitterer Erfahrung weiß, wie mühsam es ist, Texte, Zahlen, Fotos und Zeichnungen für einen Prospekt aus allen möglichen Quellen zusammentragen zu müssen, um daraus ein homogenes Ganzes produzieren zu können, dieses dann hundertmal verändern muß, bis es endlich abgesegnet ist oder einfach in Druck gehen muß, der dürstet nach neuen Lösungen. Quantität, Qualität und Komplexität von Corporate Publishing sind zunehmend vergleichbar mit professionellem, originärem Publizieren bei Zeitungen und Buchverlagen sowie öffentlichen Einrichtungen wie Bundesanzeiger, Bundesbank, Statistisches Bundesamt und so weiter.

Der Unterschied liegt darin begründet, daß ein Industriebetrieb beispielsweise Publishing-Aufgaben als notwendiges Übel, als administrative aber unbedeutende Belastung handhabt. Ein Irrtum mit weitreichender Konsequenz - teuer, wenig attraktiv und nie up-to-date sind Firmenbroschüren wie Technische Handbücher eher erfolgsverhindernd denn Erfolgsfaktor.

Keine Frage, daß Desktop-Publishing hier nicht alles alleine retten kann. Aber wie ursprünglich mit dem PC, wird hier eine Tür aufgestoßen, die völlig neue Dimensionen der Betrachtung und Bewertung ermöglicht. Verlage mit professionellen Publikations-Produktionsmethoden haben in den letzten zehn Jahren enorm vom Fortschritt der Technik profitiert und damit erhebliche Produktivitätsgewinne bei gleichzeitiger Kostenoptimierung erzielen können. Ein einziger Produktionsmanager steuert heute mit einem Spezialistenteam den gesamten Produktionsprozeß.

Dagegen ist der Produktionsprozeß im nicht originär publizierenden Gewerbe enorm arbeitsteilig und nach dem Prinzip "so tun wir es schon seit Jahren" organisiert. Oft ist nicht nachvollziehbar, wie viele externe Unternehmen tatsächlich zu unterschiedlichsten Konditionen in die Prozesse einbezogen sind. Wer könnte sich das bei einer Zeitung leisten? In Wahrheit wissen die allerwenigsten, was Publizieren dem Unternehmen eigentlich wirklich kostet - und was es bringt!

Analysieren, neu strukturieren und umorganisieren auf der Basis moderner, heute verfügbarer Systeme, teils bereits installiert, teils insbesondere bei Peripherie und Netzen - zu beschaffen, lautet also die Devise. Je nach (Teil-)Aufgabenstellung ergeben sich unterschiedliche Anwendungsprofile, für deren Abdeckung jeweils die geeignete Konfiguration zu finden ist.

PCs mit Publishing-Software eignen sich für Seiten-Layout unter Integration von Business-Graphic und gescannten Bildern. Mit Laser-Printern (300 Punkte pro Zoll Auflösung) oder kleinen Fotosatzgeräten sind durchschnittliche bis mittlere Anforderungen nicht allzu technischer Art problemlos zu erfüllen. Für die Erstellung umfangreicher und komplexer technischer Dokumentationen sind Minicomputer, Workstations beziehungsweise dedizierte Bürosysteme (Xerox/Siemens) erforderlich. Ein direkter Anschluß zu CAD-Systemen ist üblich beziehungsweise die CAD-Funktionalität ist sogar systemimmanent. Scanner-Einsatz ist fast obligatorisch. Die Auflösungskapazität des Output-Mediums liegt bei über 800 Punkten pro Zoll.

DTP im - Mainframebereich erfordert Systemprofis

Netze - oder mehrplatzfähige Systeme erlauben das produktive Zusammenspiel mehrerer Autoren die sogenannte Mehrautorenschaft. Dies ist natürlich auch im Anwendungsbereich des Mainframe unter TSO möglich. Allerdings mit Benutzeroberflächen, die Systemprofis erfordern. Die Kopplung PC-Mainframe zu Publishingzwecken wird bereits häufig praktiziert. Daten und Texte aus dem Mainframe zu holen und im PC mit Publishing-Software zu editieren ist kein Problem.

Prinzipiell ist eine durchgängige Bearbeitung von Seiten-Layout über die gesamte unternehmensinterne wie externe DV-Infrastruktur erforderlich. Es gibt hierzu keine einheitliche Lösung, die eines jeden Publishing-Bedürfnis befriedigen könnte. Basierend auf dem vorhandenen Equipment muß untersucht werden, ob und wie moderne Publishing-Software genutzt und wo entsprechende Ein- und Ausgabegeräte integriert werden können. Die technischen Aspekte sind sicher nicht trivial.

Ebensowenig trivial aber ist die Aufgabenstellung, in einer gemeinsamen konzertierten Aktion den gesamten Publishing-Prozeß - vom

Rasterpunkt-Mainframesystem bis zum 2000 Mark "teuren" PC-System - auch organisatorisch in den Griff zu bekommen. Brauchen wir letztendlich einen Publishing-Beauftragten? Eine neue Bewegung im Unternehmen, getragen von denen, die gerade entbehrlich sind im aktuellen Geschäft, die nach einem neuen Profil suchen? Keine Angst, es ist wohl nicht möglich, den Allround-Profi hierfür zu finden. Zu unterschiedlich sind Aufgabenstellungen, technische Hilfsmittel und Arten der Lösungswege.

Allein in einer Großbank werden über Mainframe-Systemen unvorstellbare Größenordnungen von Formularen beziehungsweise Vordrucken erstellt. Wer könnte hier mit Desktop-Publishing ad hoc neue Welten herbeizaubern? Isolierte PC-Anwendungen sind wohl keine flächendeckende Lösung. Allein schon aus einem wichtigen Aspekt: der Sicherheit. Die Angst wächst, mit komfortablen Systemen (leicht zu bedienen), exzellenten Scannern und Laser-Printern Schecks und sonstige sensitive Vordrucke fälschen zu können, nur mal eben so, unbeobachtet

nach Feierabend auf dem Abteilungssystem und mit Daten im Direktzugriff vom Host. Die totale, kreative Freiheit bringt Desktop-Publishing aus diesem Grunde schon nicht. "Zwangsvernetzt" muß die individuelle Kreativität zugunsten der Sicherheit und der Corporate-Identity-Anforderung zurücktreten.

Hier fällt das nächste Stichwort: Vernetzung. Ähnlich wie bei Bürokommunikation hat sich sehr schnell herausgestellt, daß flächendeckende Effizienz und Effektivität in der Gestaltung und Produktion von Dokumenten nur erzielbar ist, wenn die Systeme in einem Netzwerk, das den gesamten Informationsprozeß verwaltet, verbunden sind, Informationen sind also aus der Vielfalt unterschiedlichster Systeme herauszuholen und unter neuen Gesichtspunkten zu komprimieren, zu erweitern, zu ergänzen. Architekturstandards und Kompatibilität sind auch hier wieder die Voraussetzungen, um unterschiedliche Systeme in einem insbesondere auf der Peripherieseite - ungewohnt hochgradigen Herstellermix erfolgreich bewältigen zu können, vom PC-DTP-Basissystem über Workstation/Minis bis hin zum großrechnergesteuerten High-End-System.

Schulungen und praktische Tips sind unumgänglich

Dokumenten-Architekturen müssen konsistente Speicherung und Austausch von Dokumenten mit Text, Grafik und Bildinhalten garantieren und darüber hinaus auch regeln, wer überhaupt Publishing-Aufgaben erfüllen soll, ob und welche Änderungen an welchem Arbeitsplatz überhaupt vorgenommen werden dürfen. Das klingt schon wieder sehr restriktiv, aber DTP bedeutet grundsätzlich nicht nur neue Dinge erfinden, sondern auch Bestehendes ordnen, vereinfachen, reduzieren und damit optimieren. Wer einmal miterlebt hat, wie gestalterische Aufgaben mit Hilfe integrierter Bürofunktionen/DTP-Programme am Sekretariats- oder Sachbearbeiterplatz angegangen werden, kann ermessen, daß Schulung und Hilfestellungen mit der Zurverfügungstellung von fertigen Symbolen, Aufteilungsvorschlägen und sonstigen Gestaltungshilfen unumgänglich sind.

DTP-Pioniere lassen Integration außer acht

Natürlich bleibt dadurch der kreative Ansatz, der Ad-hoc-Erfolg sicherlich unterrepräsentiert. DTP hat und kann, auch integriert in die bestehende Umgebung, den Anstoß geben für neue Publikationsideen. Es zwingt aber gleichzeitig zum Überdenken, zur Analyse bestehender Publikationsaktivitäten. DTP im integrierten Sinne bedeutet vor allem aber Kooperation, interdisziplinäres Arbeiten. Und gerade das ist es, was die Fans der Pionierzeit eigentlich nicht damit verbinden. In einer Zeit jedoch, in der sich Produkte und Dienstleistungen im Markt immer ähnlicher werden, sind qualitative "Alleinstellungsmerkmale" zur Wahrung und Stärkung des Firmenimages von wachsender Bedeutung, aber immer nur im Gleichklang mit CI-Normen.

Hat ein Unternehmen sechs- bis siebenstellige Beträge zur Entwicklung von Firmenlogos ausgegeben, kann es nicht zulassen, daß dieses Image durch andere, weil zufällig auf dem DTP-System verfügbare Fonts und Grafikmöglichkeiten, unterlaufen wird. Das Grüne Band der Dresdner Bank, der Bundesadler, das ICE-Emblem der Bundesbahn (zugegebenermaßen hochgegriffene Beispiele), müssen hundertprozentig in dezentralen DTP-Systemen erzeugbar beziehungsweise speicherbar sein, oder sie müssen im zentralen dedizierten Rechnerbereich verbleiben. Hier ergeben sich klare alternative Lösungsmöglichkeiten: Entweder Technik, die dezentral entsprechende Fähigkeiten besitzt - oder eben keine Dezentralisierung auf diesem (einen) Anwendungsgebiet.

Der rasante technologische Fortschritt im Publishing-Bereich, insbesondere im Bereich der Peripherie, wird es mittelfristig erlauben, komplexe Dokumente einschließlich Bildgrafik in CAD-Qualität optional an jedem erforderlichen Arbeitsplatz als Bildschirminhalt oder auch als Papierausdruck verfügbar zu machen. Ziel ist es also, die zwei bestehenden Welten - DTP und professionell bestehende Layout- und Drucksysteme - miteinander zu verbinden, intern wie auch extern hin zu Kunden, Lieferanten, Agenturen, Druckgewerbe.

Jeder kann die Zukunft mitgestalten

1988 wird vornehmlich im Zeichen der Integration im Anwendungsbereich Elektronic Publishing stehen. Die "Informationsgesellschaft" verlangt neue Qualitäten, die absolute Aktualität bei Kommunikationsmedien. Papier wie Bildschriminhalte müssen sich diesen neuen Aufgäben stellen. Der Wettbewerb auf diesem Gebiet hat für alle Marktbeteiligten, Anwender wie Anbieter und Konsumenten, gerade erst begonnen. Den Startschuß hat DTP gegeben - und DTP wird als Maßstab hinsichtlich Benutzeroberfläche und Flexibilität der weiteren Entwicklung dienen, als aktiver Partner, die notwendige Neuorientierung. Keiner der Beteiligten kann sich dem Wandel langfristig mit Erfolg entziehen. Wir wissen aus der Zeitungs- und Verlagsbranche, wie schnell sich Änderungen in Technik und Organisation auf Berufe und Arbeitsplätze auswirken. Veränderungen kommen also nicht überraschend. Jeder kann sich darauf einstellen und aktiv die Zukunft mitgestalten. Insofern gehen wir alle einem interessanten neuen Jahr entgegen - dank Desktop-Publishing.