Dramatischer Einbruch am IT-Arbeitsmarkt

11.10.2001
Von in Alexandra
Erneut spielt die IT-Branche eine Vorreiterrolle auf dem Arbeitsmarkt, wenn auch eine unerfreuliche. Glänzte sie seit 1999 mit den höchsten Zuwächsen an Stellenangeboten, verbucht sie in diesem Jahr mit 30 Prozent den größten Rückgang der Offerten.

Ein Blick auf die in 40 Tageszeitungen und der CW publizierten Stellenanzeigen zeigt, dass sich der Einbruch am IT-Arbeitsmarkt in den vergangenen sechs Monaten drastisch verschärft hat. Nach Auswertung des Marktforschungsunternehmens EMC/Adecco ging die Zahl der IT-Jobofferten im ersten Quartal dieses Jahres um 17 Prozent, im zweiten Quartal um 30 Prozent und in den vergangenen drei Monaten sogar um 58 Prozent zurück. Zusammengerechnet gab es von Januar bis einschließlich September 58 582 Angebote, was einem Minus von über 25 000 Stellen oder 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Zum Vergleich: Die freien Plätze für Fach- und Führungskräfte insgesamt verminderten sich um etwa 22 Prozent.

Zu den größten Verlieren gehören die Branchen, die in den vergangenen Jahren am stärksten zugelegt hatten: allen voran die Telekommunikation, derzeit gebeutelt durch schleppenden Handy-Verkauf und den Preisverfall netztechnischer Produkte, die mit 4658 Offerten 55 Prozent weniger anbietet als noch im vergangenen Jahr. Groß sind die Einschnitte aber auch im Bereich IT-Beratung, wo die Zahl der Jobangebote von 30 136 auf 17 111 schrumpfte. Aber auch klassische Anwenderbranchen rekrutieren IT-Kräfte zurückhaltender: So gab es im Bereich Elektronik über 2200 Stellenanzeigen weniger, während sich im Maschinenbau, der Fahrzeugtechnik, in Banken und Versicherungen der Rückgang nur auf einige hundert Offerten belief. Lediglich Behörden und Zeitarbeitsfirmen suchen mehr beziehungsweise annähernd so viele IT-Mitarbeiter wie im Vorjahr.

Hinsichtlich der einzelnen Berufe kommt die EMC/Adecco-Auswertung zum Ergebnis, dass sich Anwendungsentwickler, IT-Vertriebsmitarbeiter und Netzspezialisten mit einer über 40 Prozent reduzierten Jobauswahl begnügen müssen. 11 330 Offerten weniger gab es allein für Softwareentwickler - ein Verlust, der fast so groß ist wie in den Bereichen DV-Vertrieb, Systeme/ Datenbanken, Rechenzentrum und Internet zusammen. Lediglich für CAD/CAM-Experten stehen die Chancen im Vergleich zum Vorjahr unverändert gut: Hier ging die Zahl der Anzeigen nur um neun Anzeigen auf 8402 zurück.

Selbst der Herstellerverband Bitkom nimmt mittlerweile Abstand von einigen seiner Arbeitsmarktprognosen. Von 75 000 oder gar 100 000 nicht besetzten Stellen mag niemand mehr sprechen. "Wir haben kein aktuelles Umfragematerial dazu", versucht Stephan Pfisterer, Bitkom-Referent für Arbeitsmarkt und Bildung, zu begründen, warum sein Verband die Zahl der unbesetzten Stellen nicht mehr nennen kann.

Immerhin erklärt der Verband, wieviele neue Stellen die IT- und TK-Branche, in der 836 000 menschen arbeiten, in diesem Jahr schaffen wird: Es sind 16 000. Mittelfristig geht Pfisterer von einem jährlichen Bedarf von 20 000 Informatikern aus. Zahlen, die im Vergleich zu den jüngsten Prognosen der Bundesregierung äußerst moderat wirken: Sie geht davon aus, dass bis 2005 mehr als 350 000 neue IT-Stellen geschaffen werden.