Drahtlose Netze/GSM-Netz uebermittelt Bauplaene und Fotos Das mobile Buero auf Baustellen soll die Koordination verbessern

28.07.1995

Die drahtlose Kommunikation hat auch das Interesse des Bundesministeriums fuer Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) in Bonn geweckt. Das von Zukunftsminister Juergen Ruettgers gefuehrte Haus beteiligt sich am Foerderprojekt "Mobile Telekooperation in der Bauwirtschaft", bei dem die digitale Mobilfunktechnologie die Kooperation und Koordination der am Bau beteiligten Unternehmen verbessern soll. Die konzertierte Aktion ist nach Auffassung von Bernd Schulte* notwendig, weil die Baubranche ein grosses und sehr spezielles Kommunikationsbeduerfnis hat, das von den Anbietern derzeit nicht befriedigt wird.

Die Anwendung moderner Telekommunikationstechnologien ist in der Baubranche bisher unterentwickelt. Schuld daran sind auch die Hersteller von Telekommunikationstechniken. Sie bieten bisher kaum branchenspezifische Systemloesungen an, die fuer den Einsatz der nur voruebergehend stationaeren Fertigung auf der Baustelle geeignet waeren. An diesem Schwachpunkt soll die im Projekt entwickelte Loesung ansetzen, an deren Entwicklung die Heilit+Woerner Bau-AG, die Siemens Nixdorf Informationssysteme AG sowie die Betriebswirtschaftliche Projektgruppe zur Unternehmensentwicklung (BPU) GmbH beteiligt sind.

Vielfaeltige Abstimmungsprobleme ergeben sich insbesondere zu Beginn einer Taetigkeit, etwa wenn die Baustelle neu eingerichtet wird. Bis zum Aufbau einer funktionsfaehigen Kommunikationsinfrastruktur vergehen haeufig Wochen. So kommt es in der Anfangsphase immer wieder zu Engpaessen in der Kommunikation mit der Baustellenmannschaft. Besonders in den neuen Bundeslaendern tritt dieses Problem verstaerkt zutage, denn meistens dauert es vier bis acht Wochen, bis die Baustelle ueber Anschluesse fuer Telefon, Faxgeraet oder Modems verfuegt, mit denen der Bau- oder Projektleiter seinen Kommunikations- und Koordinationsbedarf decken kann.

Modacom ist fuer das mobile Buero unbrauchbar

Im Herbst 1993 entstand bei den Projektplanern erstmals die Idee, ein mobiles Buero im Koffer zu entwickeln, mit dem sofort die noetige Infrastruktur bereitsteht und die Mitarbeiter vom ersten Tag an voll in die Kommunikationsstruktur eingebunden sind. Realisiert werden sollte dieses Vorhaben mit Hilfe der digitalen Mobilfunktechnologie nach dem GSM-Standard, die sich gerade im Aufbau befand. Der Datenfunk Modacom der DeTeMobil erwies sich aus zwei Gruenden als unbrauchbar: Heilit+Woerner ist ein auch im Ausland taetiges Unternehmen, Modacom jedoch im Gegensatz zum GSM- Standard nur national verfuegbar. Des weiteren sind die volumenabhaengigen Gebuehren bei Modacom bei der Uebertragung groesserer Datenmengen, wie sie beispielsweise bei digitalen Fotos oder eingescannten Bauzeichnungen anfallen, unguenstiger als die zeitabhaengig anfallenden Gebuehren in GSM-Netzen.

Zusaetzlich kuendigte sich bereits 1993 der PCMCIA-Karten-Standard an. Die Siemens Nixdorf AG hatte fuer die CeBIT 1994 die Fax- und Datenuebertragung per Handy ueber ein "Funk"-Modem im PCMCIA-Slot eines Notebooks angekuendigt, und D2 Mannesmann Mobilfunk wollte ab Maerz 1994 die Testphase fuer die Faxdatenuebertragung per Funk im D2-Netz einlaeuten. Heilit+Woerner stellte die Pilotanwender, BPU uebernahm die betriebswirtschaftliche Begleitforschung.

Zunaechst sollte eine Analyse der Kommunikationsstruktur und der Arbeitsvorgaenge auf der Baustelle durchgefuehrt werden, um eine sinnvolle Ausstattung des Koffers mit Informations- und Kommunikationstechnik zu gewaehrleisten. Die anspruchsvolle Zielsetzung bestand darin, von allen benoetigten Techniken moeglichst wenig in den Koffer zu packen, jedoch im Bedarfsfall an einem beliebigen und mobilen Arbeitsplatz nichts zu vermissen.

Der Koffer sollte folgende Funktionalitaeten beeinhalten:

-Sprache per Handy;

-Fax senden und empfangen (Papier und elektronisch);

-Drucken von Texten;

-Scannen von DIN-A4-Seiten und grossformatigen Vorlagen (etwa Bauplaene);

-Datenuebertragung sowie

-digitale Fotos (zur Archivierung oder um Bilder uebertragen zu koennen).

Verkleinerung der Geraete reduziert auch das Gewicht

Zunaechst wurden die damals verfuegbaren Geraete als einzelne Module getestet, die lose in einer Tasche transportiert wurden. Diese Loesung erwies sich jedoch als wenig bedienerfreundlich, da alle Kabel und Netzgeraete vor jeder Benutzung einzeln angeschlossen werden mussten. Sehr schnell kristallisierten sich folgende Punkte heraus: Die einzelnen Geraete waren qualitativ zu schlecht, zu gross, zu schwer und das ganze Handling zu umstaendlich. Die Integration in einen Koffer mit einer zentralen Stromversorgung und Lademoeglichkeit wurde als absolut notwendig erkannt. Im Sommer 1994 kamen neue, kleinere, leichtere portable Geraete auf den Markt, die es ermoeglichten, das Gewicht des Koffers von anfangs ueber 17,5 auf zirka 12,5 Kilogramm zu reduzieren. Gleichzeitig liessen sich seine Abmessungen auf 55 x 45 x 15 Zentimeter begrenzen. Diese Masse sind sicherlich noch verbesserungsfaehig, ermoeglichen aber bereits ein akzeptables Benutzen des Koffers. Transporte im Auto oder im Flugzeug (als Handgepaeck) sind unproblematisch; auch die Personenkontrollen am Flughafen stellen kein Problem dar, weil der Koffer, der nahezu eine komplette Bueroausstattung enthaelt, in zwei bis drei Minuten auf Drogen- oder Sprengstoffspuren untersucht werden kann.

Er beinhaltet in der jetzigen Version folgende Module: ein SNI- Notebook Scenic 4NC - ein portabler PC mit einem SL-Enhanced- Prozessor i486 SX, der mit 33 MHz getaktet ist. 8 MB RAM und 240 MB Festplattenspeicher stehen dem Anwender zur Verfuegung. Der LC- Bildschirm mit einer Groesse von 9,5 Zoll arbeitet nach dem Verfahren Dual Scan-STN. Stromsparfunktionen wie automatisches Abschalten der Stromzufuhr fuer LCD und Platte sowie die Betriebsarten "CPU Schlummer", "Systembereitschaft" und "Systemunterbrechung" helfen, die mobile Betriebsdauer zu verlaengern. Am Parallelport sind alternativ ein Drucker und ein Scanner angeschlossen, deren Auswahl ueber einen elektronischen Kippschalter erfolgt. Am seriellen Port COM1 laesst sich ein digitaler Fotoapparat anschliessen, dessen Bilder auf den Rechner uebertragen werden koennen.

Zur Anbindung an das GSM-Netz wurde das Siemens-S3-plus-Handy integriert. Dieses Geraet ist seit etwa einem Jahr im Betrieb und bedient die Fax- und Daten-Schnittstelle, die im D2-Netz seit Fruehjahr 1994 im Test und seit dem Herbst im produktiven Betrieb genutzt werden kann. Das Geraet ist in der speziellen Autofreisprech-Halterung gelagert und mit der PCMCIA-GSM- Modemkarte von SNI und Dr. Neuhaus im Notebook durch ein spezielles Kabel verbunden. Zum Telefonieren laesst sich der Apparat leicht aus der Halterung entnehmen oder ueber die in den Koffer eingebaute Freisprechanlage mit separatem Mikrofon, Lautsprecher und Seitenscheiben-Aussenantenne bedienen.

Dies hat den Vorteil, dass eine Strahlenbelastung durch das Handy im Autoinneren nahezu vollstaendig vermieden wird und zum Telefonieren im Auto nicht vom PCMCIA-Modem des Notebooks getrennt werden muss. So lassen sich auch waehrend der Fahrt Faxe und Daten empfangen und senden.

Zur Ausgabe von Daten auf Papier enthaelt der Koffer einen Thermotransferdrucker von geringen Abmessungen. Er besitzt eine Papierzufuhr fuer fuenf Seiten Normalpapier und eine Aufloesung von 360 x 360 dpi. Er erzeugt ein hochwertiges Druckbild in Farbe oder Schwarzweiss.

Koffer beinhaltet auch einen Scanner

Bei der Auswahl des Scanners war es erforderlich, die besonderen und vielfaeltigen Anforderungen der Bauwirtschaft zu beruecksichtigen, da in dieser Branche sehr unterschiedliche Vorlagen erfasst werden muessen. Haeufig sind Ausschnitte aus Bauplaenen und Bauzeichnungen einzuscannen, die als grosse Papierflaeche vorliegen und deswegen nicht in ein Geraet mit Papiereinzug passen. Fuer diese Aufgabe kann das Geraet, das ueber eine maximale Aufloesung von 400 dpi verfuegt, aus der Halterung des Koffers entnommen werden. Auf die Papiervorlage gelegt, laeuft er automatisch ueber die zu scannende Flaeche, deren Groesse sich frei definieren laesst. Das normale Scannen von DIN-A4-Blaettern ist mit Hilfe des automatischen Einzugs selbstverstaendlich ebenfalls moeglich. Die eingescannten Daten lassen sich wie bei einem Papierfaxgeraet verschicken.

Der digitale Fotoapparat ist ein weiteres Geraet, das spezielle Anforderungen hinsichtlich der Datenerfassung auf Baustellen befriedigt: Einerseits gilt es, Fortschritte oder Details am Bau festzuhalten, andererseits aber auch Baumaengel zu dokumentieren. Fotos lassen sich zudem dazu verwenden, Sachverhalte zu erklaeren oder Anweisungen zur Ausfuehrung einer Taetigkeit zu geben, die rein sprachlich nur schwer zu beschreiben sind oder gaenzlich an die Grenzen der Verstaendigung fuehren wuerden.

Alle Komponenten haben eigene Batterienversorgung

Der Fotoapparat laesst sich wie das Telefon S3 plus auch ausserhalb des Koffers verwenden. Je nach Aufloesung nimmt das Geraet bis zu 32 Fotos in Schwarzweiss oder Farbe auf und speichert die Daten im Apparat digital zwischen. Die Verbindung zum Notebook benoetigt er nur bei der Uebermittlung von Fotos, wo sie sich als Datei abspeichern oder weiterverarbeiten lassen.

Die Huelle des Koffers besteht aus kunststoffbeschichtetem Aluminium und gewaehrleistet einen robusten Schutz des Inhalts. Die einzelnen Geraete sind in der flachen Haelfte des Koffers auf einer Bodenplatte fixiert, nach Abnahme des Kofferdeckels frei zugaenglich und teilweise herausnehmbar. Alle Komponenten werden im mobilen Betrieb durch eigene Batterien versorgt, deren Ladung ueber eine gemeinsame Stromversorgung am Kofferboden erfolgt. Als externe Stromquelle fuer Betrieb und Aufladen dienen ein 220-Volt- Netzanschluss oder die Anbindung an eine 12-Volt-Autobatterie ueber den Zigarettenanzuender.

Der remote Zugang der mobilen Anwender in lokale Netze wird ueber die Funkverbindung realisiert. Dabei koennen prinzipiell alle Anwendungen in einer Weise kommunizieren, die bisher schon in der lokalen Umgebung einer Client-Server-Konfiguration praktiziert wurde. Abwandlungen waren nur in Teilbereichen aufgrund der Besonderheiten der Funknetze notwendig. Ein Ziel war es beispielsweise, die Verbindungsdauer im Netz aufgrund der hohen Gebuehren pro Zeiteinheit moeglichst kurz zu halten. Dazu wurden gaengige Verfahren zur Datenkomprimierung herangezogen, die sich unabhaengig vom logischen Kontext der Daten einsetzen lassen.

Als weitere Massnahme zur Optimierung des Systems fuer die drahtlose Uebertragung sollte die Aufgabenteilung zwischen Client und Server optimiert werden. Dieses Vorhaben erwies sich als eine besondere Herausforderung, da gaengige Client-Server-Konzepte auf heute ueblichen lokalen Netzen (LAN) mit einer staendig verfuegbaren und gebuehrenfreien Verbindung und mit hohen Uebertragungskapazitaeten aufbauen. Neben der bereits erwaehnten Gipsy-PCMCIA-GSM-Modem-Card von SNI und Dr. Neuhaus hat die Firma AVM Berlin fuer Juli 1995 einen mobilen ISDN-Controller im PCMCIA-Format angekuendigt, der den von D2 Mannesmann seit Maerz 1995 angebotenen Uebergang vom GSM- in das ISDN-Netz nutzt.

Diese direkte Kopplung zweier digitaler Netze bietet im Vergleich zur Schnittstelle zwischen GSM und dem analogen Telefonnetz folgende Vorteile:

AVM verspricht einen kuerzeren Verbindungsaufbau (etwa drei Sekunden gegenueber 20 Sekunden) und eine hoehere Datenuebertragungsrate (bis zu 10800 Bit pro Sekunde Nettodurchsatz) sowie eine groessere Uebertragungssicherheit. Damit duerften sich die anfallenden Gebuehren verringern. Zudem erhoeht sich der Bedienungskomfort. Beide Punkte foerdern darueber hinaus die Benutzerakzeptanz.

Die Ankuendigung der Daten- und Faxdienste in den D-Netzen hat das allgemeine Interesse an der Verbindung von Notebooks und Mobiltelefonen gesteigert. Immer haeufiger sehen Anwender, dass sich mittels mobiler Produktivitaets-Tools Arbeitsablaeufe optimieren lassen. Mobile Arbeitsstationen werden zunehmend mit Moeglichkeiten der drahtlosen Kommunikation kombiniert. Dadurch entstehen einerseits voellig neue Moeglichkeiten der Anwendung und Nutzung von Telekommunikationstechnik und andererseits auch neue Endgeraete beziehungsweise Kombinationen von Endgeraeten wie das beschriebene mobile Buero in Form von verschieden bestueckten Kofferloesungen.

Die Realisierung dieser Loesungen ist aber auch mit einer Reihe von Unannehmlichkeiten behaftet, die bei der Implementation eines mobilen Bueros nicht unterschaetzt werden sollten. So fallen beispielsweise teure Mobilfunkgebuehren an, oder es ergeben sich Garantie- und Haftungsprobleme mit den einzelnen Geraeteherstellern, weil im Koffer nicht mehr die Originalnetzteile verwendet werden. Letztlich entscheiden aber immer die Anwendung und die Akzeptanz des Endbenutzers ueber die Wirtschaftlichkeit eines mobilen Bueros.

*Diplomkaufmann Bernd Schulte ist Seniorberater und Projektleiter der BPU GmbH in Muenchen.