PC-Multiuser-Systeme kontra PC-LANs

Downsizing oder Rightsizing: Auf die Verbindung kommt es an

14.08.1992

PC-Multiuser-Systeme auf der Grundlage serieller Verbindungen können eine echte Alternative zu klassischen Mehrplatzsystemen oder LANs darstellen. Robert Poorman* begründet seine These mit dem zunehmenden Markterfolg der PC-Unix-Anbieter und beschäftigt sich vor allem mit den Kriterien, die seiner Ansicht nach bei der Auswahl und Installation entsprechender I/O-Komponenten wichtig sind.

Für rund zwei Jahrzehnte waren Großrechner und später Minis quasi die einzigen Multiuser-Alternativen, wenn es um die Erfüllung hoher Leistungsanforderungen an verteilten Arbeitsplätzen ging. Erst die fast explosionsartig gestiegenen Applikations-Möglichkeiten bei PCs und Workstations, ihre Verbindung zu intelligenten Netzen sowie die Realisierung offener Systeme bieten heute neue Perspektiven.

Als sich beispielsweise die Universität Zürich entschied, einen - inzwischen sehr wartungsintensiven - Host durch zehn Unix-Rechner zu ersetzen, war zuerst nur ein entsprechendes Konzept vorhanden. Das heißt, es existierten Analysen für die Strukturen der Benutzerprofile und klare Vorgaben für die Ziele der Umstellung. Die Lösung hieß daher nicht Downsizing um jeden Preis, sondern - entsprechend den Anforderungen - Rightsizing.

Lösungen müssen ihrer Umgebung angepaßt sein

Im Gegensatz zum radikalen Umstieg auf kleinere Einheiten wird damit ein Prozeß beschrieben, bei dem es auf Lösungen ankommt, die ihrer Umgebung angepaßt sind. Dies mag letztlich ein Streit um Worte sein, Tatsache ist jedoch: Offene Systeme und Downsizing sind zwei aktuelle Themen in der DV-Technologie. Sowohl offene Systeme als auch der Trend zu kleineren, aufgabengerechten Systemen entsprechen den Forderungen nach preisgünstigen, produktiven Lösungen für verschiedene Anwendungsbereiche. Die zunehmende Einführung von PC-basierten Mehrplatzsystemen ist dafür der beste Beweis.

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für offene Systeme und die damit verbundene freie Komponentenwahl des Anwenders sind verbreitete und abgesicherte Industriestandards. Einer davon hat sich in den letzten zwei Jahren in Form des Betriebssystems Unix herausgebildet. Treibende Kräfte dieser Entwicklung waren letztlich die Anwender selbst, indem sie skalierbare, portierbare und interoperative Lösungen im Hardware-, vor allem aber auch im Softwarebereich forderten. Nicht zuletzt die intelligente Verbindung von Komponenten und Konzepten entscheidet heute über Erfolg oder Mißerfolg der gewählten Applikation.

Seit geraumer Zeit gewinnen Unix-Systeme auf der Basis von 386er und 486er PCs beziehungsweise Workstations im Markt verstärkt an Boden. Als echte 32-Bit-Maschinen arbeiten sie besonders effektiv mit entsprechend leistungsfähigen Betriebssystemen, zum Beispiel der 386er Unix-Version, zusammen. Zudem erbringen erst Systeme dieser Prozessorklasse die

erforderliche interne Leistung von vier bis acht MIPS. Der Intel-486-Prozessor leistet bereits deutlich mehr und verarbeitet zehn bis zwölf MIPS. Multiprozessor-Systeme dieser Prozessorklasse bieten sogar schon Eckwerte bis zu 40 MIPS - Leistungen, die allerdings erst in Form von Applikationen an den Anwender gebracht werden wollen.

Weitere Abhängigkeiten bestehen hinsichtlich der Taktrate des Prozessors. 386er Modelle mit 16 oder 20 Megahertz reichen in der Regel aus, vier bis 16 Anwender zufriedenzustellen; Rechner mit 25 oder 33 Megahertz verkraften ohne Schwierigkeit über 32 Anwender. Die meisten PC-Systeme enthalten jedoch lediglich zwei serielle RS232-Kommunikations-Schnittstellen. Für ein Multiuser-System, in dem ein PC als Host fungiert, werden daher zwangsläufig weitere Anschlüsse benötigt. Die in diesen Fällen optimale Lösung ist meist die Aufrüstung des PCs mit einem oder mehreren I/O-Systemen beziehungsweise Mehrkanal-Ports (Multiport-Adaptern).

Kritische Beurteilung von Multiuser-Systemen

Bisher wurden "zusammengenagelte" Multiuser-PC-Unix-Systeme von der Mehrheit der Integratoren, OEMs und Endanwender - oft zu Recht - sehr kritisch beurteilt. Dabei bedienten sie meist nicht mehr als 16 Anwender. Es bedurfte langer

Überzeugungsarbeit führender Anbietern von I/O-Systemen und

anderer Unix-Integratoren, bis PC-Multiuser-Lösungen als echte Alternative zu klassischen Multiuser-Maschinen oder PC-Netzen angesehen wurden.

Bereitstellung von notwendigen Leistungen

Downsizing oder Rightsizing wird vor allem auch durch die Verfügbarkeit kostengünstiger offener Mehrplatzsysteme auf der Basis von Betriebssystemen wie Unix vorangetrieben. Dies ermöglicht die Verlagerung von DV-Aufgaben von teueren und oftmals herstellerspezifischen Mainframes und Minis auf kleinere Systeme, die bei sehr viel günstigeren Preis-Leistungs-Relationen ein Mehr an flexibel konfigurierbaren Verarbeitungsoptionen bieten. Kurz gesagt: jedem Anwender wird die Leistung zur Verfügung gestellt, die er wirklich benötigt. Nur, die verschiedenen Mehrplatzanwendungen verlangen auch unterschiedliche Leistungsangebote.

Der Grund für den offensichtlichen Meinungsumschwung bei Integratoren und Hardware-Anbietern, beispielsweise bei IBM oder Compaq, die nun selbst die I/O-Karten fahrender Anbieter in ihre Systeme integrieren, liegt im rapiden technologischen Fortschritt, der nun den Aufbau leistungsstarker, ausbalancierter Multiuser-Systeme auf PC-Basis ermöglicht. Die wachsenden Absatzzahlen der fahrenden PC-Unix-Anbieter SCO und lnteractive sowie seit kurzem auch Sunsoft für die Intel-Prozessorwelt - belegen diesen Trend. Alle Hersteller erwarten für die nächsten Jahre ein weiteres Wachstum des Marktes.

Nicht zuletzt aufgrund der niedrigen Kosten pro Port, derzeit liegen sie bei etwa 200 Mark (beim LAN dagegen mindestens 800 Mark bis 1000 Mark), sind PC-Multiuser-Systeme auf der Grundlage serieller Verbindungen eine echte Alternative zu klassischen Mehrplatzsystemen oder LANs. Im Zuge der Akzeptanz des Marktes und der Verfügbarkeit leistungsstarker I/O Produkte war immer wieder zu hören, daß die Wahl der eingesetzten I/O-Komponenten eigentlich kein Problem darstellt. Der Grund: Die Produkte sind überwiegend als austauschbar zu betrachten.

Falsche Produkte können "Flaschenhals" erzeugen

Dabei wird jedoch ihre Bedeutung vollkommen unterschätzt. Da Gesamtsysteme nur so stark wie ihr schwächstes Glied sein können, haben Qualität und Performance der eingesetzten Connectivity-Produkte eine große Bedeutung. Mit den falschen Produkten kann ein Anwender oder Systemintegrator sehr schnell einen "Flaschenhals" in seinem System erzeugen und dadurch bestimmte Anwendungen unmöglich oder sogar das Gesamtsystem unbrauchbar machen.

Multiuser-I/O-Produkte als Basis von Downsizing-Lösungen sind keine Ladentisch-Komponenten. Bei über 40 I/O-Anbietern am Markt ist es jedoch verständlich, daß Anwender oder Systemintegratoren die geringe Transparenz bezüglich der Leistungsfähigkeit einzelner Produkte beklagen. Gleiches gilt für den zum Einsatz kommenden Host, die Terminals und die Software.

Im Unix-Markt ist eine Beruhigung eingetreten

Der Host-PC hält in der Regel, was die entsprechenden Werte versprechen. Voraussetzung dabei sind leistungsstarke intelligente Platten-Cache-Controller, die für die bei Multiuser-Systemen so wichtige optimierte Festplattenleistung sorgen. Noch besser ist es, einen Host einzusetzen, bei dem schon von Haus aus Hochleistungsalgorithmen für die Platten eingebaut sind.

Auch auf Betriebssystem-Ebene ist bei dem Gerangel um die unterschiedlichen Unix-Versionen eine Beruhigung eingetreten. Die Vielfalt mehrerer Varianten ist zwar nicht ganz verschwunden, ihre Zahl beschränkt sich jedoch inzwischen auf SCO, Interactive, System V.4, Sun-OS und AIX, wobei SCO in Deutschland unangefochtener Marktführer bei PC-Unix ist und nach Einschätzung der Marktforscher auch bleiben wird. Die Entscheidung, welches I/O-System eingesetzt werden soll, verlangt daher sorgfältige Überlegung.

Dabei gibt es einige entscheidende Schlüsselkriterien, die eine Entscheidung beeinflussen sollten. Wie bei jeder Beschaffung spielt die Solidität des Anbieters eine wichtige Rolle. Stabilität der Organisation, ausgereifter Produkt-Support, und Position im Markt sind die Garantie dafür, auch morgen noch vom gleichen Lieferanten bedient und mit zeitgemäßen Entwicklungen unterstützt zu werden.

Darüber hinaus sind die Kompatibilität der Produkte eines Herstellers zu Industriestandards und sichere Migrationspfade für zukünftige Entwicklungen wichtig. Denn dies bedeutet schließlich die Gewähr dafür, daß alle neuen I/O-Produkte und -Ansätze eines Anbieters leicht in vorhandene heterogene Umgebungen integriert werden können. Da die I/O-Technologie sich enorm schnell entwickelt, ist dabei die "Aufwärtskompatibilität" der Produkte eines Herstellers für den Anwender von besonders großer Bedeutung. Ist dies nicht der Fall, kann eine Installation zur "Investitionsruine" veralten, mit den dann üblichen Liefer-, Support- und Serviceproblemen.

Wichtig sind letzlich auch Breite und Tiefe des I/O-Sortiments. Dies sichert eine zukünftige Weiterentwicklung ab. Im Idealfall sollte der Hersteller daher ein umfassendes Angebot an Kommunikationsprodukten haben, das den Übergang zu LANs, WANs oder anderen Kommunikationsdiensten einfacher gestaltet.

*Robert Poorman ist Leiter der Europa-Geschäftsstelle der Digiboard GmbH, Köln