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Dotcoms schneiden besser als traditionelle Retailer ab

11.01.2000
Künftig gibt es keine klaren Grenzen mehr

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - In der umsatzstärksten Weihnachtssaison aller Zeiten haben die reinen US-Internet-Shops im Online-Geschäft gegenüber dem traditionellen Handel die Nase vorn gehabt. Beobachter gehen jedoch davon aus, dass sich die beiden Geschäftstypen in den nächsten Jahren angleichen.

Die Umsatzzahlen des letztjährigen Weihnachtsgeschäfts in den USA sprechen eine klare Sprache: Reine Internet-Shops – neudeutsch "Dotcoms“ genannt – haben die Saison eindeutig als Sieger abgeschlossen. Unter den zehn Online-Anbietern im Business-to-Consumer-Bereich mit den meisten Besuchern finden sich lediglich zwei Unternehmen, die auch über stationäre Filialen verfügen. Dabei handelt es sich um die in traditioneller Ziegelbauweise errichteten "Brick-and-Mortar“-Läden Barnesandnoble.com sowie Toys R Us.

Ähnlich sieht es auch Jamie Hale vom US-Finanzdienstleister Nextcard: "In einem neuen Medium müssen die Produkte eben so einfach wie möglich präsentiert werden.“ Diese Aufgabe hätten die virtuellen Geschäfte besser gemeistert. Außerdem sei es ihnen gelungen, die Besucher auf der Website häufiger zu einem Kauf zu "überreden“. Hales Folgerung: "Die trationelle Online-Maßeinheit des Unique visitors sagt nur wenig über den wahren Erfolg eines Web-Shops aus.“

Beispielsweise belegte Toys R Us den fünften Platz auf der weihnachtlichen Besucherrangliste, die von Media Metrix aufgestellt wurde. In der Nextcard-Reihenfolge der größten Transaktionsvolumina findet sich das Spielzeugunternehmen aber nicht einmal auf Platz 30. Drugstore.com und More.com hingegen tauchen bei den Besuchszahlen nicht auf den ersten 25 Plätzen auf, in der Umsatztabelle liegen sie jedoch auf den Positionen neun und zehn.

Zu den großen Gewinnern des E-Weihnachtsgeschäfts zählte wieder einmal der allerdings nach wie vor defizitäre Buchhändler Amazon.com. Das Unternehmen verbuchte laut Netcard 44 Prozent aller Umsätze auf sein Konto, die von den zehn größen E-Commerce-Firmen insgesamt erwirtschaftet wurden. Verglichen mit den direkten Konkurrenten aus dem Buch- und dem CD-Segment schneidet Amazon.com ebenfalls gut ab: Durchschnittlich kauften Kunden für 36 Dollar auf der Website ein, während bei Barnesandnoble.com lediglich rund 22 und bei Cdnow knapp 26 Dollar hängen blieben.

Trotzdem ist festzustellen, dass der stationäre Handel noch nie so viel Geld in den neuen Vertriebskanal investiert hat wie im vergangenen Jahr. Allerdings ist es bislang nur wenigen Traditionalisten gelungen, die Vertriebswege effizient zu gestalten. Wer gewohnt ist, ein Filialnetz regelmäßig mit Waren zu versorgen, stößt bei der sporadischen Belieferung von Einzelkunden unweigerlich auf Schwierigkeiten. Experten rechnen damit, dass es noch zwei bis drei Jahre dauert, bis dieser Wettbewerbsnachteil vollständig abgebaut sein wird.

Im Gegenzug, so Robin Lanier von der International Mass Retailer Association in den USA, ändern auch die reinen E-Commerce-Anbieter ihr Geschäftsmodell: "Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die ersten Online-Shops Filialen traditioneller Art errichten.“ Seiner Meinung nach verschwinden nach und nach die Grenzen zwischen den Vertriebswegen Online, Katalog und Geschäft. Die Synergieeffekte führten dazu, dass es in Zukunft vornehmlich gemischte "Click-and-Mortar“-Geschäfte gebe.