Dorn(en)krone

22.03.1985

Alwin Stumpf nicht mehr bei Commodore; Bernhard Dorn, frischgebackener Generalbevollmächtigter der IBM Deutschland GmbH, von IDC zum "Computermann des Jahres 1985" gewählt: Schlagzeilen, die, so paradox das im Dorn-Falle klingt, dicke Luft im Mikromarkt signalisieren - oder jedenfalls nicht signalisieren, daß alles in Butter ist im PC-Geschäft.

Das PC-Marktpotential wurde von den Anbietern offensichtlich überschätzt - selbst IBM bildet da ausnahmsweise keine Ausnahme. Als Reaktion hat der Mainframe-Marktführer jetzt das "rote Fähnlein der IBU-Aufrechten" in die "blauen" Bataillone eingegliedert - vorbei ist es mit der Narrenfreiheit, die eine "lndependent Business Unit" genießt. Der "Personal Computer" wurde bekanntlich von einer IBU entwickelt.

Da auch in der Marktforschung der Zweck die Mittel heiligt, und da die IBM Deutschland im PC-Sektor bisher nicht die ihr zugedachte Rolle als Marktbereiter spielen konnte, wurde Dorn von der IDC ausgezeichnet. Begründung: sein Engagement für den Fachhandel. Wir wollen den IDC-Juroren keinen Zynismus unterstellen - aber man frage die IBM-PC-Händler, was sie vom Einsatz der ehemaligen Dorn-Division halten, zuständig für den Aufbau des Händlervertriebs in Deutschland.

Nein, zufrieden können Dorn und dessen Boß, Lothar Sparberg, mit den Ergebnissen des PC Vertriebs nicht sein. Jedenfalls war das Weihnachtsgeschäft mau, und es ist ein offenes Geheimnis, daß auch die ersten beiden Monate 1985 keine Hausse gebracht haben. Analysten zerbrechen sich die Köpfe, woran es liegen könnte, daß die PC-Idee hierzulande nicht zündet. Die Erklärungen scheinen abgenutzt: Die deutschen Anwender seien konservativ; Manager tastaturscheu (man denke an die Apple-Werbung). Und dann ist immer wieder vom Ausbildungsleck die Rede - die Schule versage eben, was PC-Promotion betrifft.

Eine "deutsche Krankheit", in diesem Sinne, gibt es nicht. Auch in Amerika ist der PC-Boom bisher ausgeblieben. Dabei sah es anfänglich durchaus rosig aus. Das hatte etwas mit der Einführungswerbung der IBM zu tun - und das erklärt auch die heutige Mikro-Misere. Als Big Blue ins PC-Geschäft einstieg, gab es einen Run auf die IBM-Läden: Alle wollten ein Charlie-Chaplin-Poster und ließen sich gleich den PC einpacken. Flugs rechneten die Marketing-Strategien aus diesen Ergebnissen die Verkaufszahlen von morgen hoch - eine Fehlkalkulation, wie sich zeigen sollte.

Als die Imagekäufe getätigt waren, flaute das Geschäft ab. Da auch die, "Technoiden", Leute mit Computer(sach)verstand, bedient waren, mußten neue Märkte erobert werden. Und hier zeigte sich nun, daß die Branche nichts zu bieten hatte, um einen PC-Bedarf über den Anstoß zur Kreativität zu wecken, neue Anwendungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Dazu hätte es entsprechender Software bedurft - mit Wordstar, Visicalc und dBase, von Spielprogrammen gar nicht zu reden, waren die Möglichkeiten zu intuitiver Betätigung, zum "persönlichen Computern", schnell erschöpft.

Die Software-Entwickler, dies das Fazit, tun sich schwer, es dem PC-Benutzer leichtzumachen. Auch sogenannte, "integrierte Pakete" wie "Framework" von Ashton Tate oder "Symphony" von Lotus lassen sich nicht wie warme Semmeln verkaufen: die Micro-Softies unter dem Fenster (Window-Programme!) ratlos? So spitzt sich die Frage zu: Ist der "Personal Computer" nur eine Modeerscheinung? Und was wird man morgen tragen? Ketzerische Antwort: Eher schon einen Supermini als einen Portable.