Doppel-DECer

14.05.1982

DEC muß expandieren. Deshalb drängt der Minicomputer-Marktführer jetzt in den Markt für kommerzielle Kleinsysteme. Den Personal Computer "Rainbow 100" sowie die "Professionals" 325 und 350 im Akquisitionsgepäck, will die Crew um Ken Olsen auf der Arbeitsplatzcomputerwelle mitschwimmen (siehe Seite 1).

"Dieses Betriebssystem ist besonders geeignet für die Entwicklung von Anwendungsprogrammen für den Unterricht an Schule und Universität sowie für den kommerziellen Bereich." Was das DEC-Presserelease über das 16-Bit-Betriebssystem MS/DOS des Rainbow-Mikros mitteilt, kommt einem irgendwie bekannt vor. Und siehe da, das COMPUTERWOCHE-Archiv erweist sich als Fundgrube für DEC-Zitate: "Der Schwerpunkt der Vertriebsaktivitäten", heißt es an einer Stelle, "wird kurz- und mittelfristig im kommerziellen Bereich liegen." Und weiter: "Langfristig sind vielleicht Schulen und Universitäten ein interessanter Markt." Für welches Produkt bitte? Auflösung: das DEC Data System 310. Ein Frontpage-Artikel war überschrieben "Neue DEC 310 - Mini gegen MDT". Die Ausgabe: CW Nr. 6 vom 7. Februar 1975.

Für Chronisten dürfte aufschlußreich sein, mit welcher Aufmachung der DEC-310-Mini vor sieben Jahren daherkam: 16 KB Prozessor, zwei Floppy-Disks mit je 310 KB Speicherkapazität, Bildschirm mit Tastatur. Das Ganze war für weniger als 50 000 Mark zu haben.

Seit DECs MDT-Debüt 1975 hat sich das Preis-/Leistungsverhältnis zwar enorm verbessert - jetzt macht's der Mini-Riese nicht mehr unter 64 KB, und mit rund 10 000 Mark ist der Erstanwender auf dem "Regenbogen"-, doch was die Konkurrenz betrifft, tat sich DEC damals gewiß leichter. Magnetkonten-Computer, sogenannte MKC-Anlagen, beherrschten noch das Feld der Kleinen - heute dominieren Mikros mit Bildschirm, Floppy oder Winchester.

Duplizität der Ereignisse: Dem 310-Announcement vor sieben Jahren war die Ankündigung des IBM-Systems /32 vorausgegangen - und auch mit der jüngsten Rainbow-Premiere wagt Digital ein Mikro-Tänzchen erst nach dem IBM-Einstieg. Der Minileader schwenke damit, wie DEC-Konkurrenten behaupten, voll auf einen IBM-Kollisionskurs ein. Der Minicomputerboom, so das Urteil der Marktbeobachter, sei auch nicht mehr das, was er einmal war: Zeit für den PDP-Entwickler, sich nach neuen Märkten umzusehen. Und die lägen in IBM-Nähe.

Für DEC-Kenner ist diese Argumentation ein gefundenes Fressen, auf das mögliche Scheitern des im technisch-wissenschaftlichen Feld beheimateten Mini-Anbieters hinzuweisen. Es spricht in der Tat einiges für die Annahme, daß Digital Equipment am besten dort gedeiht, wo IBM nicht ist.

Das war's doch, was die Marke DEC gegenüber Big Blue auszeichnete, der mit einem Wust von Software und Peripheriegeräten leben muß: Ein klares Angebot zu sein für Anwender, die mit schierer Rechnerleistung etwas anzufangen wissen, die sich nicht blenden lassen von dem, was man "lmage" nennt. Wer exzellente Hardware suchte, war mit DEC-Minis stets gut bedient. Das zeigen alle Umfragen, die bei DEC-Kunden durchgeführt wurden. DEC-Kunden sind deshalb Wiederbesteller, IBM-Kunden auch. Doch diese führen gerne Service, VB-Betreuung und Verfügbarkeit von freier Software als Gründe für die Entscheidung pro IBM an; Kriterien, die im Geschäft mit Kommerz-Computern eine größere Rolle spielen als im Minicomputer-Business. Der Markt lieferte den Beweis - bei der 310, die nicht sonderlich erfolgreich war. Aber auch bei einer Reihe von Nachfolgeprodukten. Steht DECs Rainbow unter einem schlechten Stern?