Dokumenten-Management/Document Management Alliance (DMA) mit mehr als 50 Mitgliedern DMA fordert weltweite Norm fuer Dokumenten-Management

15.09.1995

Von Ulrich Kampffmeyer*

Auf dem IMC-Kongress, der vor kurzem in Amsterdam stattfand, sollten die Meinungen von Propagandisten unterschiedlicher Produktphilosophien aufeinanderprallen. Doch das so sorgfaeltig geplante Streitgespraech wurde kein solches - die drei Herstellervertreter Susan Ryan von Lotus, Frank Dawson von IBM und Alvin Tedjamulia von Novell zeigten sich in seltener Einigkeit: Die Kontroverse geriet zu einer "Werbeveranstaltung" fuer die Document Management Alliance (DMA). Was war passiert?

Der Markt fuer Dokumenten-Management-Systeme (DMS) hat sich innerhalb kuerzester Zeit veraendert. Die Unzulaenglichkeiten von hierarchisch organisierten File-Systemen in grossen Netzwerkanwendungen, fehlendes Versions-Management, weltweit einheitliche Dokumenten-IDs fuer den Informationsaustausch und der Mangel an datenbankgestuetzten DMS hatte in der Vergangenheit zu proprietaeren Loesungsansaetzen und Produkten gefuehrt:

- IBM und Saros hatten auf die Shamrock Coalition gesetzt, die den in der ISO 10166 beschriebenen Standard fuer Document Filing and Retrieval (DFR) weiterentwickelte.

- Novell hatte erste Module seines Middleware-Produkts Document Enabled Network auf den Markt gebracht.

- Lotus hielt mit seinem replizierenden Groupware-Datenbankkonzept dagegen.

Auf der Konferenz der Association for Information and Image Management (AIIM) in San Franzisko im April 1995 kamen diese Hersteller jedoch ueberein, einen gemeinsamen Standard fuer Dokumenten-Management zu entwickeln: DMA.

Inzwischen haben sich auch Microsoft und eine Vielzahl anderer Hersteller dieser Allianz angeschlossen. Zur Zeit besitzt sie bereits mehr als 50 Mitglieder. Durch eine Arbeitsgruppe innerhalb von DMA soll auch die Kompatibilitaet zu Standards, die von der Workflow Management Coaltion (WfMC) entwickelt werden, sichergestellt sein. In das DMA-Konzept wird als Client- Schnittstelle auch der ODMA-Standard integriert.

Die AIIM International wird diese Standardisierungsgruppe koordinieren und deren Ergebnisse publizieren.

Dokumenten-Management erlaubt den einfachen Zugriff auf alle unstrukturierten Daten (Dokumente) innerhalb eines Unternehmens, unabhaengig davon, wo und in welchem Format die Dokumente gespeichert sind. Daneben beinhaltet es die Sicherstellung von Genauigkeit, Performance, Sicherheit und Zuverlaessigkeit bei der Handhabung der Dokumente. Unternehmen, die auf der Suche nach einem geeigneten DMS sind, werden es kuenftig einfacher haben, wenn die DMA ihr Ziel erreicht, hier eine einheitliche Menge von Standards zu schaffen.

Die DMA, die als Projektgruppe der AIIM organisiert wurde, ist das Ergebnis des Zusammenschlusses der zwei fuehrenden Dokumenten- Management-Initiativen:

- Document Enabled Networking (DEN), von Novell und Xerox im Mai 1994 gegruendet, und die

- Shamrock Document Management Coalition, die durch IBM und Saros im Februar 1994 ins Leben gerufen worden war.

AIIM-Projektgruppen beschaeftigen sich mit speziellen Problemen, die im Laufe der Entwicklung von Dokumenten-Management- Technologien auftreten. Sie sollen schnelle Entscheidungen treffen, die sowohl die Beduerfnisse der Hersteller als auch die der Anwender befriedigen.

Waehrend DEN Standards fuer den Zugriff auf elektronische Dokumente unabhaengig davon entwickelt hat, wo sich diese befinden und um welchen Dateityp es sich handelt, hatte die Shamrock Coalition zum Ziel, die Interoperabilitaet und Konsistenz zwischen Dokumenten- Repositories sicherzustellen, die von verschiedenen DMS auf unterschiedlichen Plattformen verwaltet wurden. Die DMA wird diese Ziele kombinieren und versuchen, Spezifikationen zur Verfuegung zu stellen, die die Interoperabilitaet von Dokumenten-Management- Anwendungen, Services und Repositories ermoeglichen.

Die DMA-Spezifikationen werden auf allen bekannten Plattformen verfuegbar sein und sollen einen einheitlichen Zugriff auf Dokumente erlauben - den direkten Zugriff auf Library-Services sowie den Middleware-Zugriff auf verschiedene Daten-Repositories.

Um unternehmensweite Spezifikationen fuer Library-Services sowie fuer die Middleware-Ebene festzulegen, die es den Anwendern gestatten sollen, auf Dokumente verschiedener Systeme, Flat-File- Repositories und File-Server zuzugreifen sowie die entsprechenden Dokumente zu suchen, wird die DMA drei Kernelemente definieren:

- eine gemeinsame Schnittstelle zur Integration des Zugriffs und der Suchmethoden einzelner Library-Services;

- eine einheitliche Applikations-Schnittstelle (API) fuer den Zugriff und die Suche ueber verschiedene Dokumenten-Management- Services hinweg sowie

- ein objektbasiertes Datenmodell, um den Zugriff auf unternehmensweite Library-Services zu standardisieren. Das Modell wird eine modulare Integration von Library-Services unterstuetzen, wobei Hersteller entweder einzelne Komponenten oder das gesamte Modell implementieren koennen.

Die DMA-Spezifikationen basieren auf einem herstellerunabhaengigen C-Language-API. Sie sind flexibel bezueglich des Zugriffs auf einen einzelnen oder auf eine Menge verschiedener Library-Services. Dienste und Applikationen, die ueber DMA operieren, werden den Anwendern einen transparenten, zuverlaessigen und einheitlichen Zugriff auf Informationen in elektronischen Dokumenten ermoeglichen, unabhaengig davon, wo und in welchem Format diese gespeichert sind.

Durch verschiedene Applikations- und Benutzer-Schnittstellen lassen sich die Dokumente der meisten Office-Applikationen anhand ihrer Attribute oder Inhalte auffinden und benutzen. Infolge der objektbasierten DMA-Architektur werden existierende Investitionen geschuetzt. Gleichzeitig behalten Unternehmen die Freiheit, verschiedene Applikationen zum Erstellen neuer Dokumente zu benutzen. Zudem kann der Benutzer mit Hilfe von DMA neue Dokumente in den meisten bekannten Dokumentenformaten einfach integrieren und diese auch fuer kuenftige Anwendungen migrieren.

Zusaetzlich wird durch DMAs umfassende Skalierbarkeit sichergestellt, dass sich kleine Arbeitsgruppenumgebungen zu grossen unternehmensweiten Umgebungen erweitern lassen. Der Verband Optische Informationssysteme e.V.(VOI) wird die Arbeit der DMA begleiten und VOI-Mitglieder, die nicht direkt in der Document Management Alliance mitarbeiten, dort vertreten. Der VOI ist der deutsche Fachverband der Anbieter und Hersteller von elektronischen Archiv-, Scan-, Groupware-, Dokumenten-Management- und Workflow-Systemen. Ihm gehoeren alle fuehrenden Unternehmen dieser Branche an.

Wichtigste Veranstaltung im deutschsprachigen Raum

Erste Ergebnisse der Document Management Alliance werden auf dem DMS-'95-Kongress in Stuttgart (vom 19. bis 21. September) vorgestellt, der gemeinsam vom VOI, dem Kongressausrichter Compunication und der Zeitschrift "Infodoc" veranstaltet wird. Mit einem hochrangig besetzten Vortragsprogramm, zu dem auch internationale Sprecher von AIIM, IMC, der Gartner Group und von Wang erwartet werden, und einer Fachausstellung mit ueber 65 Unternehmen der Branche (darunter Agfa, Anacomp, File Net, HP, IBM, Kodak, Novell, Rank Xerox und viele andere) ist der DMS-'95- Kongress im deutschsprachigen Raum die wichtigste Veranstaltung zum Thema Dokumenten-Management. Er wird darueber hinaus von den kooperativen Mitgliedsverbaenden des VOI wie AIIM, AWV, BVB, FMI, IMC und VTV aktiv unterstuetzt.

Ziele der DMA-Spezifikationen:

- Eine gemeinsame, nichtproprietaere Schnittstelle (Versionskontrolle, Sicherheitsaspekte, Skalierbarkeit) fuer Applikationen, die auf unternehmensweite Library-Services zugreifen;

- Zugriff auf ein DMS von mehreren Desktop-Applikationen aus;

- konsistenter Zugriff auf verschiedene DMS von einer einzigen Desktop-Applikation aus sowie

- eine Vereinfachung der Schnittstelle zwischen DMS und vorhandenen Legacy Systems, Desktop-Applikationen, E-Mail- und Workflow-Systemen.

* Dr. Ulrich Kampffmeyer ist Geschaeftsfuehrer der Project Consult Unternehmensberatung GmbH in Hamburg.