Document Imaging 1994: Europas Markt ist am Wachsen

04.11.1994

Mitte Oktober zeigte sich die Bundeshauptstadt einmal von ihrer besten Seite: Bei strahlender Herbstsonne hatte der International Information Management Congress (IMC) zur diesjaehrigen "Document Imaging" in die Hallen des ICC eingeladen. Angereist waren ueber 200 internationale Anbieter, die den rund 8000 Besuchern neue Produkte fuer die Dokumentenverarbeitung praesentierten.

Papier scheint immer noch das geduldigste Medium zu sein. Trotz der zahlreichen elektronischen Moeglichkeiten, die der technologische Fortschritt bisher zu bieten hat, "sind Papierdokumente heute die hauptsaechlichsten Traeger fuer die Aufnahme und Speicherung von Informationen", behauptete Jack Lacy, seit 1989 President des IMC, auf der diesjaehrigen "Document Imaging", die vom 10. bis 13. Oktober in Berlin stattfand.

Rund 90 Prozent aller Informationen werden weltweit auf dem aus Holz gefertigten Material festgehalten. Auf Mikrofilm und elektronische Anwendungen kommen weniger als zehn Prozent.

Eine etwas betruebliche, jedoch keinesfalls hoffnungslose Bilanz, denn die Wachstumsprognosen der Document-Imaging-Industrie sehen fuer die Zukunft nicht schlecht aus: 1993 betrugen die Umsaetze ueber 4,5 Milliarden Dollar. Bis 1998 wird ein jaehrlicher Zuwachs von elf Prozent erwartet, und zwar vor allem in Europa. Obwohl dieser Markt mit etwa 4,3 Milliarden Dollar etwas kleiner sei als der in den Vereinigten Staaten, so Lacy, werde er sich laut einer Studie des IMC in den naechsten vier Jahren verdoppeln.

Den groessten Anteil werde dabei die elektronische Bildverarbeitung und Archivierung haben, heisst es. Bereits jetzt habe sie mit 57 Prozent der Mikrofotografie als bislang haeufigster Methode zur Verwaltung von Dokumenten den Rang abgelaufen. Von heute auf morgen wird jedoch diese Art der Informationssicherung nicht von den Anwendertischen verschwinden. Neben festen Standards ermoegliche die Mikroverfilmung die Erfassung und Ablage umfangreicher Informationen mit grosser Geschwindigkeit, perfekter Qualitaet und geringen Kosten, zeigt man sich in Nutzerkreisen ueberzeugt.

Der Verschleiss sei dabei gleich Null. Im Gegensatz zur digitalen Speicherung: Hard- und Software wuerden im Laufe der Jahre veralten und muessten dann kostenintensiv ersetzt werden.

Der Computerarbeitsplatz der Zukunft hat auch dafuer Loesungen bereit, hiess es auf der Berliner Ausstellung. Mit der Entwicklung von Hybridprodukten "koennen Mikrofilmverfahren mit neuen Techniken kombiniert werden".

Den Beweis dafuer trat im ICC die schweizerische Nanomach AG mit ihrem "Screenscan" an. Der grosse Scanner im lila Design mit einer Aufloesung von 400 dpi, einem Scanzyklus von neun Sekunden und einer Geschwindigkeit von vier Seiten pro Minute wird an Mikrofilmlesegeraeten befestigt. Das Geraet - kosten soll es zwischen 6900 und 14 900 Mark - tastet den Mikrofilmschirm ab, fuehrt eine Bildnachbearbeitung durch und uebertraegt dann die Daten auf einen PC oder Laserdrucker.

Fuer Archivierungen, CAD/CAM-Anwendungen sowie Datenbank- und Textsysteme praesentierte die K&S Systemtechnik- und Vertriebsgesellschaft mbH aus Crossen ein Jukeboxsystem auf Transputerbasis. Das System der Thueringer - eine 32-Bit-Maschine mit 20 Megahertz, acht auswechselbaren Magazinen, sieben Erweiterungsmodulen und einer Speicherkapazitaet bis zu einem Terabyte - arbeitet unter Windows, Novell, Unix oder Sun. Laut Geschaeftsfuehrer Siegfried Knels kann der 1,70 Meter hohe Schrank bis zu 1600 CDs verwalten. Konfigurierbar ist er entweder mit einem Vier-CD-ROM-Laufwerk (als reines Retrieval) oder zwei CD- Rekordern oder zwei CD-ROM-Laufwerken und einem CD-Rekorder.

Die Headline "Workflow" - gemeint ist die elektronische Vorgangsbearbeitung - hatten sich zahlreiche Aussteller auf ihre Messeflagge geschrieben.

Der niederlaendische DV-Anbieter Origin stellte gemeinsam mit der Recognition International Inc., Kalifornien, eine Workflow- Integration mit SAPs R/3 vor. "Cascade" basiert auf der standardisierten GUI (Graphical User Interface)-point-and-click- Umgebung von Microsoft. Mit der Loesung beherrsche der Anwender auch "die komplizierten Prozeduren innerhalb von R/3", erklaerte Herbert Prooy, Chef-Manager des Image Processing Competence Center des Utrechter Dienstleisters. Unter anderem koennten alle Auftragseingaenge, die einen bestimmten Kreditrahmen uebersteigen, per elektronisches Routing an die betreffenden Mitarbeiter im Unternehmen zur Ueberpruefung gegeben werden, ohne andere Arbeitsablaeufe unterbrechen zu muessen.

Seit Anfang des Jahres sind beide Unternehmen verstaerkt auch auf dem deutschen Markt taetig. Bei der chemischen Industrie und im Krankenhausbereich "haben wir bereits offene Ohren fuer unsere Produkte gefunden", sagte Irja Wichert, Sales-Managerin der deutschen Niederlassung von Recognition.

Stadtsparkassen, Banken und Versicherungen sind eine bevorzugte Klientel der Bull-Gruppe. Mit seinen Tochtergesellschaften und etwa 2000 Mitarbeitern verbuchte das Unternehmen im letzten Jahr einen Umsatz von 676 Millionen Mark; davon kamen allein auf das Geschaeft in Deutschland 496 Millionen Mark.

Laut Pressesprecher Joerg-Michael Plaesker unterstuetzen die Workflow-Applikationen seines Hauses die "strukturierten Vorgaenge wie das Bearbeiten von Schadensmeldungen bei Versicherungsfirmen". Fuer die elektronische Archivierung gebe es kuenftig eine einfache Formel: "Alle aktuellen Informationen sind jederzeit an jedem Arbeitsplatz verfuegbar."

Zum europaeischen Anbietertreff war auch die Recognita Corp. aus Budapest angereist. Der Spezialist fuer OCR-Software zeigte fuer sein Programm "Recognita Plus 2.0" eine Neuauflage des Development Toolkits (DTK). Per Knopfdruck stehe dem Software-Entwickler "eine leistungsfaehige und akkurate optische Zeichenerkennung unter allen gaengigen Betriebssystemen" zur Verfuegung, behaupteten die

Ungarn.

Fuer die Speicherung und Aufbewahrung von riesigen Datenmengen hatte die internationale Anbieterriege interessante Komplettloesungen anzubieten. Neben Branchenfuersten wie AT&T, IBM, Filenet, HP, Bell&Howell und Kodak war auch Elektronik-riese Sony an die Spree gekommen.

Die Japaner hatten kuerzlich das gesamte Vertrags-Management der Siemens AG auf ein Host-System mit Sony-Zwoelf-Zoll-Worms (Write Once, Read Many) umgestellt. Ergebnis: Rund sieben Millionen Vertragsdokumente liegen nun auf etwa 199 optischen Bildplatten - eine Zwoelf-Zoll-Scheibe hat eine Kapazitaet von 6,55 GB -, die eine Haltbarkeit von ueber 100 Jahren haben sollen. Eine platzsparende und zugriffsschnelle Methode, die man den IMC-Besuchern im Detail demonstrierte.

Die Document-Imaging-Branche scheint im Aufwind zu liegen. Vor allem die europaeischen Anbieter werden in Zukunft staerker mitreden koennen. An guten Loesungen mangelt es nicht. Abzuwarten bleibt, wie die Anwender das Angebot annehmen werden. Was den IMC betrifft: Die Berliner Veranstaltung soll alle Erwartungen uebertroffen haben, melden die Organisatoren. Mit rund 8000 Interessenten und 900 Konferenzteilnehmern habe die deutsche Bundeshaupstadt sogar die Bruesseler Session im letzten Jahr ueberrundet.

Seit etwa 32 Jahren engagiert sich der IMC fuer die Dokumentenverarbeitung.

Als "internationale Vermittlerstelle" will der Verband laut den Initiatoren einem grossen Anwenderkreis "dokumentengestuetzte Informationssysteme unserer Zeit" praesentieren, um zu zeigen, "wo wir stehen und wohin es geht". Die in den USA gegruendete und in Europa aktive Organisation veranstaltet neben den jaehrlichen Ausstellungen auch regionale Konferenzen abseits der Metropolen. Vor allem dort wolle sich das Publikum ueber neue Technologien der Document-Imaging-Industrie informieren, heisst es. IMC-Chef Jack Lacy dazu: "Mit unseren weltweiten Kongressen foerdern wir die Vendors und User zugleich - und das aus gutem Grund. In der rasant fortschreitenden Entwicklung der DV-Branche mit ihren schnellen Netzen zur Breitbanduebertragung und der Moeglichkeit, Daten, Texte, Bilder und Ton ueber eine Leitung zu schicken, liegt ein immenses Potential fuer die elektronische Dokumentenverwaltung und - archivierung. Unterstuetzt wird dieser Trend durch das immer guenstigere Preis-Leistungs-Verhaeltnis bei Computern und peripheren Geraeten. Damit verliert die Bildverarbeitung ihre bisherige Rolle als spezialisierte Dienstleistung und dient einem immer breiteren Anwenderkreis als unmittelbares Arbeitsmittel."

Der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler, der 32 Jahre bei Kodak taetig war und bis 1989 die AIIM (Association for Image and Information Management) leitete, sieht in der Anwendung von Dokumenten-Management-Systemen einen strategischen Vorteil: "Die schnelle Verarbeitung von technischen Unterlagen kann die Einfuehrung neuer Produkte wesentlich beschleunigen."

Der IMC plant folgende Ausstellungen und Konferenzen:

1995 (Fruehling) Amsterdam

1995 (Herbst) Seoul

1996 Paris

1997 Berlin

1998 London

1999 Paris