Fragen und Antworten zum Thema Management verteilter Systeme

DME von der OSF stellt sich als offene Management-Plattform vor

28.08.1992

Die Zahl der Lizenznehmer eines Produktes ist noch kein Hinweis für die Offenheit einer Systemarchitektur. Im Management-Bereich jedenfalls gibt es derzeit keine wirklich offenen Architekturen; dazu fehlen den Basisprodukten noch wichtige Eigenschaften.

Fast alle großen Hersteller unterstützen deshalb die Distributed Management Environment (DME) der Open Software Foundation (OSF), die sich als offene Systemarchitektur vorstellt.

Das Management verteilter heterogener Systeme ist eines der wichtigsten Themen der nächsten Jahre. Da sich die Technologien für verteilte Anwendungen langsam ihren Weg aus den Forschungslaboratorien in die Industrie bahnen, stellt sich den Anwendern das Problem ihres Managements. Die Zeiten des zentralen Managements auf einem Großrechner sind endgültig vorbei. Herstellereigene Management-Systeme werden den neuen Anforderungen nicht mehr gerecht.

Die erste Frage, die sich in diesem Zusammenhang aufdrängt, heißt: "Warum braucht die Industrie eine offene Systemarchitektur im Management-Bereich?"

Um sie zu beantworten, muß man wissen, welches die Hauptforderungen an zukunftsweisende Management-Lösungen sind.

Sie lauten:

- Integration von System- und Netz-Management,

- Konsistenz beim Administrieren unterschiedlicher Ressourcen, das heißt Netz- und Systemressourcen,

- "No more gurus", also einfache Beherrschbarkeit des Systems;

- Interoperabilität mit existierenden auf standardisierten Management-Protokollen basierenden Produkten,

- Unterstützung von Standardprogrammier-Schnittstellen wie XMP (X/Open Management Protocol API) und das API der Object Management Group (OMG),

- Erweiterbarkeit des Systems hinsichtlich neuer Protokolle,

- Skalierbarkeit vom Einplatzsystem bis zur unternehmensweiten Management-Lösung,

- Herstellerunabhängigkeit.

Welche Triebkräfte stehen nun hinter diesen Forderungen? Überraschenderweise ziehen hier drei Gruppen an einem Strang: Endbenutzer, Softwarehäuser und Systemhersteller. Endbenutzer wollen integrierte und konsistente Anwendungen. Sie wollen keine unbezahlbaren Management-Gurus mehr, die sich in jahrzehntelanger Arbeit in die verschiedenen Technologien hineingewühlt haben und nun unersetzbar sind.

Sie brauchen kostengünstige Lösungen, die Standards unterstützen, aber dennoch flexibel genug sind, um an die eigene Umgebung vernünftig angepaßt werden zu können.

Und sie wollen die Wahl haben, bei welchem Hersteller sie eine Standard-Managementlösung für ihre heterogene Rechnerwelt kaufen.

Kein großer Markt für Management-Anwendungen

Softwarehäuser sehen heute immer noch keinen großen Markt für neue Management-Anwendungen. Der Grund: Sie müssen sich für eine der jetzt existierenden Management-Plattformen entscheiden und sind dann an diese gebunden. Eine Portierung auf ein anderes Rahmenwerk eines anderen Herstellers ist in der Regel so aufwendig, daß sie sich nicht lohnt. Da helfen selbst standardisierte Management-Protokolle nichts.

Auch die Systemhersteller haben ein überaus großes Interesse an einer neuen Management-Architektur. Management-Lösungen bieten die beste Möglichkeit, mit neuen Kunden Kontakt zu bekommen.

Mit herstellereigenen Produkten ist in der heutigen heterogenen Welt kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Fazit: Fast niemand ist mit der heutigen Situation zufrieden. Nur eine offene Systemarchitektur für

Netz- und System-Management kann die obigen Forderungen erfüllen. Warum gibt es derzeit keine offenen Systemarchitekturen im Management-Bereich? Der Markt ist gekennzeichnet durch

- das Fehlen standardisierter Programmier-Schnittstellen,

- mehrere standardisierte Netz-Management-Protokolle,

- viele herstellereigene Management-Protokolle,

- viele herstellereigene Managemen-t-Plalttformen und -produkte.

Zwar haben sich in der Vergangenheit manche Basisprodukte größere Beliebtheit erfreut als andere, aber allein die Zahl der Lizenznehmer eines Produkts ist noch kein Hinweis für die Offenheit einer Systemarchitektur.

Allen derzeitig existierenden Produkten fehlen eine oder mehrere der geforderten Eigenschaften. Die Verpflichtung fast aller großen -Systemhersteller, die Distributed Management Environment (DME) der Open Software Foundation (OSF) zu unterstützen, ist eine Art Eingeständnis dieser Behauptung.

Vier Beispielapplikationen die helfen sollen

Was ist DME, und warum ist DME eine offene Systemarchitektur?

DME ist ein Rahmenwerk für Management-Anwendungen. Es enthält zusätzlich vier Beispielapplikationen, die helfen sollen, die drängendsten Probleme im Systemadministrations-Bereich zu lösen, als da sind

- eine standardkonforme Lösung für Druckaufträge in verteilten Umgebungen,

- eine netzweite Lizenz-Management-Anwendung,

- eine Software-Installations und -Verteilungsanwendung,

- und eine Host-Administrationsanwendung, die gleichzeitig auch als Beispielanwendung für das objektorientierte DME-Rahmenwerk dient.

Das DME-Management-Konzept basiert auf dem Modell kommunizierender Objekte. Typische Bestandteile einer Management-Anwendung wie grafische Darstellungen von Netzwerktopologien, grafische Dialoge oder auch die Definition der exakten Ausprägung einer Management-Anwendung (Management Policy) werden ebenfalls als Objekte modelliert. Die Programmier-Schnittstelle, mit der diese Objekte angesprochen werden können, ist das Corba-API (Common Object Request Broker Architecture der Object Management Group).

Diese standardisierte Schnittstelle zusammen mit einem sogenannten Management Request Broker sind die zentralen Bestandteile der DME-Architektur. Eine weitere Programmier-Schnittstelle (XMP, X/Open Management Protocol API verbindet die DME-Objektwelt mit Hilfe von Adapterobjekten mit der standardisierten Netz-Management-Welt. Diese Schnittstelle unterstützt die Protokolle SNMP und CMIP. Andere Protokolle können ebenfalls an die DME-Objektwelt angeschlossen werden.

Der unmittelbare Nutzen läßt auf sich warten

DME ist ein völlig neuer Management-Ansatz. Er verbindet Netz-Management und Systemadministration in einer Architektur, und er ist offen. Alle wichtigen Systemhersteller werden DME-konforme Systeme anbieten; für den Quellcode kann jeder Lizenzen erwerben. DME ist offen für alle Management-Protokolle, auch wenn es nur die wichtigsten direkt unterstützt. Und: DME bietet einen Migrationspfad in zukünftige objektorientierte Technologien.

Wann kommt DME, und was gibt es in der Zwischenzeit? Der unmittelbare Nutzen für die Anwender läßt leider noch etwas auf sich, warten. Wie bei allen OSF-Technologien ist auch bei DME ein aufwendiger Integrationsprozeß notwendig, der planmäßig - bis Ende 1993 läuft. Und auch dann steht erst -die Quellversion zur Verfügung, die noch durch die Mühlen der verschiedenen Qualitätssicherungsprozesse laufen muß. Mutige Softwarehäuser werden allerdings am Snapshot-Programm teilnehmen um schon früher mit dieser neuen Technologie vertraut zu sein. Das alles bedeutet,- daß nicht vor Mitte 1994 mit den ersten auf DME basierenden Produkten zu rechnen ist.

Erste Erfahrungen mit DM-ähnlichen Technologien

Was kann man in der Zwischenzeit tun? Die Netze, Anwendungen und Geräte warten schließlich nicht bis 1994 auf ihr Management. Es gibt keine einfache Antwort auf diese Frage. Die Anwender müssen hier abwägen, ob sie sofort eine neue Management-Lösung benötigen oder ob sie vielleicht noch warten und in der Zwischenzeit mit DME-ähnlichen Technologien erste Erfahrungen sammeln wollen. Nicht DME als Rahmenwerk, sondern die auf DME basierenden Anwendungen werden die Management-Probleme der Endanwender lösen. Das bedeutet, daß für eine kurzfristige Kaufentscheidung die Quantität und Qualität derjenigen Anwendungen eine große Rolle spielen wird, die auf bereits existierenden Management-Lösungen zur Verfügung stehen. Ebenso ist die Affinität der heutigen Lösungen zu einer zukünftigen DME-Lösung, also die Ähnlichkeit der Management-Konzepte, von hoher Wichtigkeit.

Welchen Nutzen hat DME? Dem Endbenutzer steht ein System zur Verfügung, das alle Tätigkeiten der System-, und Netzadministration mit einer konsistenten grafischen Benutzeroberfläche einschließt. Existierende Management-Lösungen können einfach in DME integriert werden. Die Anbindung der (DOS-)-PC-Welt an eine problemlos DME-Umgebung ist problemlos möglich. Nur Noch ein Basisprodukt und Training sind notwendig.

Die Softwarehäuser hätten damit endlich eine Plattform, die auf Rechnern und Betriebssystemen mehrerer Hersteller verfügbar ist. Der Markt für neue Management-Anwendungen wächst damit erheblich; der Anreiz, neue Ideen endlich in die Tat umzusetzen, steigt. Man denke nur an die Anbindung von Expertensystemen, die in der Lage sind, eine große Zahl von Standardproblemen selbsttätig zu bearbeiten. Und auch die Systemhersteller sind mit DME in der Lage, ihre Lösungen zu verkaufen und das Management der Mitbewerbersysteme mitzuübernehmen.