Einstige Digital-Ausgründung geht ins fünfte Geschäftsjahr

Ditec will sich weiter auf den Mittelstand konzentrieren

19.11.1998
Von Beate Kneuse* MÜNCHEN - Das Münchner Systemhaus Ditec Informationstechnologie AG verzeichnete im abgelaufenen vierten Geschäftsjahr 1997/98 erneut einen operativen Verlust. Doch Vorstandschef Wolfgang Stübich ist sich sicher, mit der im Oktober 1994 aus der Digital Equipment GmbH ausgegliederten Mitarbeitergesellschaft im aktuellen Fiskaljahr endlich in die schwarzen Zahlen zu kommen.

"Das Unternehmen ist in der stabilsten Phase seit seiner Gründung. Und das gleichermaßen in puncto betriebswirtschaftlicher Rahmenbedingungen, Motiva- tion, Produktpolitik und Strategie." Stübich, seit 1. Juli 1997 Vorstandsvorsitzender der Ditec, strotzt vor Selbstbewußtsein. Die Konsolidierung sei weitgehend abgeschlossen, nun stehe man vor der Expansion. Für das laufende Geschäftsjahr hat sich die Ditec mit rund 550 Mitarbeitern einen Umsatz von 146 Millionen Mark vorgenommen, was nach den 133,2 Millionen Mark vom Vorjahr ein Plus von knapp zehn Prozent bedeuten würde.

Vor allem aber rechnet der langjährige DEC-Manager fest mit den langersehnten schwarzen Zahlen. Zwar konnte das Systemhaus schon im abgelaufenen Fiskaljahr Profit vermelden, doch kam dieser lediglich durch außergewöhnliche Erträge aufgrund eines Vergleichs mit DEC zustande. Dabei handelte es sich um eine Ausgleichszahlung in nicht genannter Höhe für Risiken, die bei der Ausgründung 1994 nicht eingeschätzt werden konnten. Operativ lag man mit 3,5 Millionen Mark im Minus. 1998/99 will Stübich jedoch einen Ertrag von zwei bis drei Millionen Mark erzielen.

Das Service- und Produktportfolio der Ditec gliedert sich heute in drei Segmente. Mit dem Schulungsbereich erzielte das Unternehmen im vergangenen Geschäftsjahr einen Umsatz von 32 Millionen Mark. Er soll sich im laufenden Jahr auf 36 Millionen steigern. Insgesamt unterhält Ditec sieben Bildungszentren im Bundesgebiet, in denen pro Jahr mehr als 30000 IT-Professionals unter anderem in Sachen Microsoft, Novell und Oracle-Anwendungen aus- und weitergebildet werden. Darüber hinaus sind die Münchner Schulungspartner für Compaq-Händler.

Die nach Mitarbeitern und Umsatz größte Ditec-Division ist der technische Service mit rund 250 Mitarbeitern. Ausgerichtet auf Wartung von Rechnern und Druckern diverser Hersteller sowie Netzplanung, -installation und Einrichtung von Call-Centern, verzeichnete dieser Bereich zuletzt Einnahmen in Höhe von 63 Millionen Mark Umsatz. Für 1998/99 erwartet Stübich hier ein Wachstum auf 68 Millionen Mark.

Die positivste Entwicklung verzeichnet derzeit jedoch das Geschäftsfeld Small Medium Enterprises (SME), das auf den Vertrieb und die Implementierung von betriebswirtschaftlicher Standardsoftware bei mittelständischen Kunden inklusive Dienstleistungen fokussiert ist. Im Vorjahr erwirtschafteten rund 160 Mitarbeiter einen Umsatz von 33 Millionen Mark. Kalkulation für 1998/99: 42,5 Millionen Mark. Auf der Produktebene setzen die Münchner hier vor allem auf "Concorde XAL" des dänischen Softwarehauses Damgaard - eine Suite, die ursprünglich in den Labors der IBM entstand, sowie auf "Carat", eine frühere Kienzle-Lösung für das Rechnungswesen, die von Ditec weiterentwickelt wurde. Neu hinzugekommen sind seit der Systems "Ditec Lohn" und das "Ditec Personalinformationssystem HRS".

SAP hingegen ist für Stübich im Enterprise-Resource-Planning- (ERP-)Geschäft kein Thema. "Wir haben uns ganz klar gegen R/3 entschieden, weil es für einen Mittelständler nach wie vor zu kompliziert und zu teuer ist." Auch von Baan haben sich die Münchner mittlerweile distanziert, obwohl es in der Ditec-Anfangszeit zu einer intensiven Zusammenarbeit zwischen beiden Unternehmen kam. "Die jüngsten Ereignisse haben gezeigt, daß der Baan-Erfolg nichts als eine große Luftblase war. Durch den Börsengang haben die eine Menge Geld bekommen, dann wurde auf dem Markt viel und wild zusammengekauft. Resultat: Die Produkte passen nicht zueinander, und es mehren sich die Beschwerden der Kunden über schlechte Performance", kritisiert Stübich den Ex-Partner.

Was das eigene Unternehmen angeht, schaut der Ditec-Chef dafür um so zuversichtlicher in die Zukunft. In allen Marktsegmenten sei man "sauber aufgestellt". Dies ist auch das Ergebnis zum Teil einschneidender Maßnahmen in der Vergangenheit. Vor vier Jahren war Ditec mit rund 1300 Leuten gestartet, heute sind von den "Mitarbeitern der ersten Stunde" nur noch rund 450 an Bord. Seinen Arbeitsplatz verloren habe aber niemand, betont Stübich. Vielmehr gelang es, durch Management-Buyouts und Verkäufe von Unternehmensbereichen die Mitarbeiterzahl zu reduzieren. Hinzu kamen "freiwillige Leistungen" der Ditec-Gesellschafter in Form von Gehaltsabschlägen sowie des Verzichts auf Tariferhöhungen.

Der Kurs des nach einigen Turbulenzen im Management (siehe Kasten "Ditec-Geschichte") seit Mitte 1997 amtierenden neuen Vorstands unter Stübich scheint also zu stimmen. Auch die Bewegung, die zuletzt durch die Fusion von BIW und Rembold+Holzer zu Brain International in die deutsche Software-Mittelständlerszene gekommen ist, scheint Stübich nicht zu beunruhigen. "Wir sind der Partner für den Mittelstand", kommentiert Stübich denn auch kühn die Tatsache, daß immer mehr Hersteller und Dienstleister den Mittelstand entdecken und für sich reklamieren. Und er fügt hinzu: "Der deutsche IT-Markt hat ein Volumen von knapp 100 Milliarden Mark. Davon macht der Mittelstand allein 60 bis 70 Milliarden aus. Somit ist ausreichend Platz für uns, um Geld zu verdienen."

Nicht zuletzt aus diesem Grund steht für die Münchner eine internationale Expansion derzeit nicht zur Debatte. Hinzu kommen produktbezogene Motive: "Betriebswirtschaftliche Standardsoftware unterliegt zum Teil sehr strengen Auflagen der jeweiligen Gesetzgeber. Wir müßten unsere Software daher in den meisten Fällen mit großem Aufwand anpassen", erläutert der Ditec-Chef. Auch Zukäufe scheinen derzeit nicht geplant. Dafür müsse man sich aber mittlerweile Avancen anderer Art erwehren. "Es ist schon überraschend, welch renommierte Unternehmen bei uns heute zwecks einer Mehrheitsbeteiligung oder einer strategischen Allianz anklopfen", zeigt sich Stübich stolz. Immerhin wurde man bei der Gründung 1994 in der Branche vielfach als "The Company of Loser" angesehen.

Doch Ansinnen, die darauf hinausliefen, das Unternehmen zu verkaufen oder unter das Dach eines Großen der Branche zu bringen, stoßen bei den Ditec-Verantwortlichen auf wenig Gegenliebe. "Wir sind nicht daran interessiert, unsere selbsterkämpfte Unabhängigkeit in irgendeiner Form aufzugeben. Wir sind und bleiben eine Mitarbeitergesellschaft", stellt Stübich klar. Was auch für interessierte Venture-Capital-Firmen gilt, die Kapital für die weitere Expansion anbieten und dann das Unternehmen an die Börse bringen möchten. Grundsätzlich sei man jedoch dem Thema Going Public nicht abgeneigt.

Ditec-Geschichte

Im Oktober 1994 ging die Ditec Informationstechnologie GmbH als Ausgründung der deutschen Digital Equipment (DEC) GmbH mit den einstigen DEC-Bereichen Schulung, Mittelstand, Service, technischer Kundendienst, Kienzle Datensysteme und Philips Data Systems an den Start. Digital leistete eine Anschubfinanzierung von 148 Millionen Mark, die man anstelle der fällig gewordenen Abfindungen für die rund 1300 betroffenen Mitarbeiter bezahlte. Gleichzeitig übertrug man der Ditec ein Auftragsvolumen von 60 Millionen Mark und einen Kundenstamm von 20000. Die erste Geschäftsleitung dieser bis dahin in Deutschland einzigartigen Mitarbeitergesellschaft bestand aus Klaus Lutz, dem ehemaligen Arbeitsdirektor von Digital, und Dieter Jung, der bis dahin als Gesamtbetriebsratschef für Digital Deutschland fungiert hatte. Jung schied Mitte 1995 aus gesundheitlichen Gründen aus, Lutz bat Anfang 1996 um die Auflösung seines Vertrags. Zu seinem Nachfolger berief der Ditec-Aufsichtsrat des zwischenzeitlich in eine AG umgewandelten Unternehmens den früheren Treuhand-Manager Hans-Christoph Wolf, dessen Vertrag aber bereits am 30. Juni 1997 endete. Seither lenkt der frühere DEC-Manager Wolfgang Stübich die Geschicke des Systemhauses, das sich aus der engen Verzahnung mit Digital weitgehend gelöst hat.

*Beate Kneuse ist freie Journalistin in München.