IPOs: Ision Internet AG

Distefora-Tochter will als Web-Dienstleister durchstarten

17.03.2000
FRANKFURT/M. - In die Schar der Internet-Firmen am Neuen Markt hat sich nun auch die Ision Internet AG eingereiht. Der in Hamburg ansässige Anbieter von Web- und Application-Hosting-Lösungen möchte mit einer aggressiven Akquisitionsstrategie zu einem Internet-Dienstleister mit europäischer Reichweite avancieren.Von Andrea Goder*

Den Grundstein für die Ision Internet AG legte Alexander Falk bereits 1997. Damals verkaufte der heute 30-jährige Vorstandsvorsitzende den von seinem Vater 1945 gegründeten Falk-Stadtplan-Verlag mit Ausnahme der Sparte digitale Kartografie an die Bertelsmann AG. Mit dem Erlös stieg Falk mehrheitlich bei der Schweizer Distefora-Gruppe ein und baute sie zur Internet-Holding um. Eine bis dato gelungene Unternehmung, denn mit einem Kursgewinn von 1800 Prozent wies die Distefora-Holding im vergangenen Jahr die beste Performance aller an der der Züricher Börse gehandelten Papiere aus. Bereits im November 1998 wurden sämtliche Internet-Aktivitäten der Gruppe in die Hamburger Tochter Ision ausgegründet, die jetzt am Neuen Markt ebenfalls eine Erfolgsgeschichte schreiben soll.

"Unser Plus gegenüber dem Wettbewerb ist die Kombination von Infrastruktur und Applikationen", betonte Vorstandschef Falk auf der Emissionspressekonferenz in Frankfurt am Main. Als eher technikorientierter Internet-Dienstleister bietet die Ision Firmenkunden Zugang zum Internet, betreibt deren Server und liefert Equipment sowie Lösungen rund um das Thema E-Commerce. Herzstück der Infrastruktur ist neben dem eigenen Rechenzentrum in Hamburg ein Backbone mit einer Kapazität von bis zu 155Mbit/s und bundesweit über 200 Einwahlknoten. Angemietet werden die Leitungen von der Deutschen Telekom und anderen Netzbetreibern.

Eigenen Angaben zufolge betreuen die Hamburger den Internet-Zugang von über 30000 Geschäftskunden. Rund ein Drittel von insgesamt 114 Millionen Mark Umsatz wurde im letzten Geschäftsjahr in dieser Business-Sparte erzielt (siehe Abbildung "Ision-Umsatzstruktur"). Ein Wachstum, das jedoch bereits jetzt seine Grenzen erreicht hat. Angesichts rückläufiger Margen im Geschäftsfeld "Backbone/Access" und des sich verschärfenden Wettbewerbs unter den einschlägigen Anbietern rechnet der Ision-Chef in den kommenden Jahren mit eher rückläufigen Umsatzzahlen.

Ausgereizt ist auch die zweite und mit knapp 50 Prozent bislang umsatzstärkste Geschäftssparte "Systems & Services". Trotz der, wie die Hamburger nicht müde werden zu betonen, "Positionierung als Internet-Dienstleister" stammte im Geschäftsjahr 1999 noch knapp die Hälfte der Einnahmen aus dem Verkauf von Hard- und Software (55 Millionen Mark). Um die Profitabilität der Company zu steigern, soll deshalb in Zukunft der Schwerpunkt stärker auf Serviceleistungen, etwa der Analyse von Systemumgebungen, gelegt werden.

Lukrativere Margen mit bis zu 90 Prozent lassen sich Falk zufolge auf dem Gebiet Business-Hosting erzielen, dem mit sieben Millionen Mark Umsatz (1999) bislang kleinsten Geschäftsfeld von Ision. Zum Leistungsspektrum gehört hier das Management von komplexen Websites, Internet-Portalen und E-Commerce-Lösungen. Mit einem Marktanteil von 40 Prozent sehen sich die Hanseaten im Bereich Web-Hosting als führend in Deutschland.

Die stärksten Zuwachsraten erwartet das 470-Mitarbeiter-Unternehmen in den nächsten Jahren im Bereich "Integrated Solutions". 1999 entfielen darauf 17 Prozent der Einnahmen (18,8 Millionen Mark). Ziel ist es, die gesamte elektronische Produktpalette abzudecken, angefangen von E-Commerce über Content-Management bis hin zu Themen wie IT-Security. "Wir wollen die Wertschöpfungskette nach oben hin besetzen", erklärte Falk, der vor allem die Weiterentwicklung als Application-Service-Provider forcieren und mit diesem derzeit in aller Munde befindlichen Geschäftsmodell die Gewinnschraube nach oben drehen will.

Dass sich die Hanseaten mit ihrer Produktpalette, die laut Falk schon bald Nachahmer finden dürfte, bislang ohne Konkurrenz sehen, mag zutreffen. In den einzelnen Teilsegmenten ist Ision jedoch allenfalls ein Me-too-Player im Markt. So führen europaweit im Bereich Access und Hosting vor allem Unternehmen wie Exodus, Integra, Verio oder Digex die Liste der Konkurrenten an. Im Bereich E-Business-Lösungen ist die Zahl der Wettbewerber im In- und Ausland mit immer neuen Namen kaum mehr überschaubar.

Vor allem auf europäischer Ebene will der Ision-Chef deshalb auch und vor allem mit einem "aggressiven Expansionskurs" Marktanteile erobern. Das Wachstum soll dabei stark aus Zukäufen stammen. Neben der Schweiz ist das Unternehmen bislang erst in Österreich und Grossbritannien präsent. Zielmärkte sollen schon in Kürze Frankreich und Italien sein.

Das beim Börsengang eingespielte Kapital (bis zu 393 Millionen Mark) brauchen die Newcomer jedoch auch an anderer Stelle dringend: Angelaufene Schulden in Höhen von 85 Millionen Mark gilt es zu tilgen. Allein im letzten Jahr riss der Ausbau der Unternehmengruppe, die sich derzeit aus 23 Firmen zusammensetzt, ein Minus von 23,7 Millionen Mark in die Kassen. Gekauft wurden unter anderem der Hamburger Internet Service Provider IS Internet Services GmbH & Co., das Kieler IT-Service-Unternehmen Ohltec GmbH & Co. sowie der ebenfalls in der Hansestadt ansässige E-Business-Dienstleister Crocodial GmbH.

Wie sich die Bilanz in den nächsten Jahren entwickeln wird, ist fraglich. Nach sehr konservativen Schätzungen von DG-Bank-Analysten soll der Umsatz im Jahr auf lediglich 133 Millionen Mark, bis 2001 auf 201 Millionen Mark steigen. Mit ersten Gewinnen wird frühestens für das Geschäftsjahr 2002 gerechnet.

* Andrea Goder ist freie Journalistin in München.

Abb.: Etikettenschwindel? Noch stammt fast die Hälfte des Umsatzes des Internet-Dienstleisters Ision aus dem Verkauf von Hard- und Software. Quelle: Ision