Diskrepanz zwischen Recht und Praxis Lizenzvertraege der Hersteller in den seltensten Faellen wirksam

27.01.1995

Von Christoph Zahrnt*

Viele US-Hersteller von PC-Programmen fuegen ihren Produktpackungen "Lizenzbedingungen" bei. Der Anwender weiss oft nicht, was er damit anfangen soll. Rein rechtlich gesehen, sollte er sie am besten ignorieren. Anwender, die ein PC-Programm fuer weniger als 1000 Mark erwerben, sehen sich manchmal mehr rechtlichen Regelungen ausgesetzt als bei einer SAP-Loesung fuer 100 000 Mark.

In der Praxis stellt sich der Kauf von Software haeufig so dar: Erst einmal verweist der Lieferant im Vertrag auf seine Lieferbedingungen (Allgemeine Geschaeftsbedingungen). Diese sind, was den Wortlaut und den Sinn betrifft, oft nur schwer verstaendlich. Ursache dafuer ist haeufig, dass Anbieter abschreiben, was ihnen an den Vertragsbedingungen von grossen Herstellern gefaellt; ob das zusammenpasst, interessiert sie dabei nicht.

Wenn der Anwender dann die Packung mit dem PC-Programm oeffnet, findet er etwas, was "Lizenzbedingungen" oder "Lizenzvertrag" heisst. Manchmal sind diese in Englisch abgefasst. Dann braucht sie der Anwender ueberhaupt nicht zu beachten: Sie sind wegen groben Verstosses gegen Treu und Glauben unwirksam, wie der Jurist das formuliert.

Grundsaetzlich koennen die Vertragspartner vereinbaren, was sie wollen. Nur unanstaendige Vereinbarungen akzeptiert die Rechtsordnung nicht, zum Beispiel ueber wucherische Zinsen. Wenn aber ein Vertragspartner, typischerweise der Lieferant, Bedingungen vorformuliert (Allgemeine Geschaeftsbedingungen), laesst die Rechtsordnung ihm nicht mehr soviel Freiheit.

Lizenzbedingungen in Englisch gelten nicht

Das AGB-Gesetz erlaubt ihm zwar weiterhin, von der Rechtsordnung (den Standardparametern) abzuweichen. Jetzt sind aber bereits grob unfaire Regelungen unwirksam. Vertragsbedingungen in Englisch fuer einen deutschen Anwender bei einem Geschaeft in Deutschland sind grob unfair, weil sie viele Anwender einfach ueberfordern.

Bevor man fragt, ob die einzelnen Regelungen in solchen Lizenzbedingungen des Herstellers unwirksam sind, muss man die Frage stellen, ob ueberhaupt ein Vertrag mit dem Hersteller zustande kommt. Rechtsprechung gibt es dazu bisher so gut wie nicht.

Eigentlich ist doch bereits alles in Ordnung: Der Anwender hat ein Produkt von einem Haendler erworben. Dieser hat das Produkt geliefert. Wenn ich ein Auto von einem Haendler kaufe, darf ich es hinterher benutzen. Warum muss ich, wenn ich ein Softwareprodukt erworben habe, hinterher noch einen Lizenzvertrag mit dessen Hersteller schliessen? Microsoft schreibt dazu: "Wenn Sie Ihr Microsoft-Produkt in Deutschland erworben haben, gilt fuer Sie der folgende Lizenzvertrag: . . . durch Oeffnen der versiegelten Diskettenpackung erklaeren Sie sich an die Bestimmungen dieses Vertrages gebunden." Das ist mitnichten der Fall: Der Anwender hat das Produkt vom Haendler bezogen. Der Haendler hat ihm damit das Recht zur Benutzung des Programms eingeraeumt. Wenn der Anwender die fuer die Benutzung erforderlichen Massnahmen trifft, fehlt ihm der rechtliche Wille, einen weiteren Vertrag zu schliessen.

Der Hersteller muss schon argumentieren, dass er dem Haendler - gegebenenfalls ueber den Distributor - nur den Datentraeger ohne das Recht, das Programm auch einen Anwender benutzen zu lassen, geliefert habe. Das ist rechtstechnisch moeglich, aber unwahrscheinlich. Letzteres liegt daran, dass das Urheberrecht an Programmen 1993 gesondert geregelt wurde, und zwar in der Weise, dass derjenige, der einen Datentraeger mit Programm liefert, dem Erwerber erlaubt, das Programm im normalen ("bestimmungsgemaessen") Umfang zu benutzen. Dieser kann den Datentraeger auch (als Haendler) an einen anderen (einen Anwender) weitergeben; dann darf der andere das auf dem Datentraeger gespeicherte Programm im normalen Umfang benutzen. Wenn der Hersteller das ausschliessen will, muss er schon mit dem Haendler - gegebenenfalls ueber den Distributor - vereinbaren, dass er beziehungsweise sein Kunde das Programm nicht benutzen darf, sondern dass der Hersteller dem Anwender das Benutzungsrecht direkt einraeumen soll.

Die AGB des Haendlers regelt die Benutzung

Ob das letztlich rechtlich funktioniert, soll dahingestellt bleiben. Es geschieht in der Praxis auf jeden Fall nicht. Dementsprechend raeumt der Haendler dem Benutzer ein, das Programm zu benutzen. Das Benutzungsrecht richtet sich nach den vereinbarten Allgemeinen Geschaeftsbedingungen des Haendlers; soweit darin nichts geregelt ist, darf der Anwender das Programm im normalen Umfang benutzen. Zwischenergebnis: Auch wenn die Vertragsbedingungen sich an Kaeufer in Deutschland wenden, koennen sie ignoriert werden.

Vielleicht sind die Lizenzbedingungen fuer den Anwender auch nuetzlich. Er kann dann die Packung mit dem Willen oeffnen, dass ein Vertrag zustande kommen soll. Er kann auch die beigefuegte Registrierungskarte unterschreiben und an den Hersteller senden. Dann ist der Vertragsschluss sogar gut dokumentiert.

Nach allgemeiner Lebenserfahrung soll das "Kleingedruckte" dem Kunden nicht nutzen, sondern seine Rechte beschneiden. Die Lizenzbedingungen der US-Hersteller sollen das nach dem Recht (eines Staates) der USA tun. Dementsprechend sind einzelne Regelungen vollstaendig in Grossbuchstaben abgefasst, weil es das US- Recht so verlangt.

Inhaltlich kann es um drei Bereiche gehen: Erstens kann der Hersteller bestimmen, in welchem Umfang der Anwender das Programm benutzen darf. Darauf beschraenken sich zum Beispiel die "Nutzungsbedingungen" von IBM bei OS/2. Im wesentlichen geht es darum, dass der Benutzer nur berechtigt sein soll, das Programm auf nur einem PC zu benutzen. Dieses Ansinnen ist verstaendlich. Das Benutzungsrecht des Anwenders duerfte damit aber enger definiert sein, als es dem normalen Gebrauch entspricht. Es gibt einfach keinen Rechtsgrundsatz, dass es ein Datentraeger, der ein Programm enthaelt, dem Anwender erlaubt, dieses nur auf einem Computer zu benutzen. Wer eine "Tausender Lizenz" erwirbt, bekommt nicht tausend Datentraeger. Das Wort "Lizenz" heisst nichts anderes als "Erlaubnis". Deren Umfang muss vereinbart werden. Geschieht das nicht speziell, darf der Anwender das Programm bestimmungsgemaess benutzen.

Kein Vorteil durch einen Lizenzvertrag

Dementsprechend hat der Anwender keinen Vorteil davon, dass er die Lizenzbedingungen anerkennt. Beispiel: Ich habe fuer meine (aufgrund der Spezialisierung) kleine Kanzlei fuer meine beiden PCs zwei Packungen mit Windows for Workgroups und eine Packung mit Winword erworben, und zwar ohne schriftlichen Vertrag. Gelegentlich benutze ich Winword ueber den zweiten PC, um die Texte, die meine Sekretaerin geschrieben hat, zu kontrollieren und bei Bedarf zu korrigieren, waehrend sie weitere Texte erfasst. Ich betrachte das als ganz normalen Gebrauch einer solchen Konfiguration.

Ich will dem Raubkopieren nicht das Wort reden, aber darauf hinweisen, dass die derzeitige Vertragspraxis rechtlich nicht abgesichert ist. Die Hersteller koennten als Inhaber der urheberrechtlichen Nutzungsrechte die Benutzungsbeschraenkungen sogar wirksam vorgeben. Sie muessten dazu aber die Regelungen des neuen deutschen (und insoweit zugleich auch europaeischen) Urheberrechts befolgen; sie sind aber voll auf das US-Recht fixiert.

Zweitens geht es in den Lizenzbedingungen um die Einschraenkung der Gewaehrleistung/Garantie (zum Beispiel bei Novell und Microsoft). Auch das ist ein US-Problem. Nach US-Recht kann auch der Hersteller aus Gewaehrleistung/Garantie haften. Er kann diese Haftung einschraenken und tut das auch. Nach deutschem (und insofern auch europaeischem) Recht haftet der Hersteller nur sehr beschraenkt (Produkthaftungsgesetz); diese Haftung kann aber nicht eingeschraenkt werden. Die Gewaehrleistung/Garantie beinhaltet letztlich nicht mehr, als dass der Anwender das Programm, wenn es fehlerhaft ist, an den Hersteller gegen Erstattung des Preises zurueckgeben kann. Dieses Recht hat er bereits gegenueber seinem Lieferanten.

Drittens: Manche Lizenzbedingungen regeln alles, was ueberhaupt im Verhaeltnis zwischen Lieferanten (!) und Kunden zu regeln ist, zum Beispiel auch die Zahlungsbedingungen. Sie werden von Herstellern verwendet, die auch direkt vertreiben. Solche Regelungen sind schon wegen der Unklarheit, die sie schaffen, unwirksam: Wie soll der Anwender erkennen, welche dieser Regelungen fuer ihn gar nicht gelten sollen, weil er ja das Programm von seinem Haendler und nicht vom Hersteller erworben hat?

Bieten die Lizenzbedingungen nicht vielleicht doch auch Vorteile? So wird dort typischerweise ausdruecklich darauf hingewiesen, dass sich der Anwender Sicherheitskopien machen darf. Das darf er allerdings auch nach geltendem Recht; dieser Anspruch kann ueberhaupt nicht ausgeschlossen werden. Weiterhin "erlauben" es die Lizenzbedingungen dem Anwender, das Programm - unter vollstaendigem Verzicht auf eigene Benutzung - an einen Dritten weiterzugeben. Auch das darf der Kunde bereits nach geltendem Recht.

Das koennte ihm in Allgemeinen Geschaeftsbedingungen auch nicht untersagt werden. Ein solches Verbot waere nach dem AGB-Gesetz unwirksam. Ueberhaupt gilt: Wenn einem Anwender eine Klausel gar nicht passt, weil er sie ganz unfair findet, soll er sie einfach ignorieren. Sie ist nach dem AGB-Gesetz hoechstwahrscheinlich sowieso unwirksam.

* Dr. Christoph Zahrnt, Rechtsanwalt in Neckargemuend, hat sich auf DV-Vertraege und Softwareschutz spezialisiert.