Allzu teure Berater?

Dirk Lippold Marketingleiter der ADV/ORGA F. A. Meyer GmbH, Wilhelmshaven

03.08.1979

Jedes Unternehmen weiß, daß es nicht nur auf dem Absatz-, sondern auch auf dem Arbeitsmarkt Mitbewerber hat, insbesondere wenn es um die Beschaffung qualifizierter Arbeitskräfte geht. Eine rühmliche Ausnahme macht da der EDV-Personalmarkt keineswegs. Im Gegenteil, in kaum einem anderen betrieblichen Teilbereich dürfte die Nachfrage nach qualifizierten Projektmitarbeitern so stark angeheizt sein, wie gerade im Bereich der Organisation und Datenverarbeitung.

Genau hier aber bietet sich der Einsatz eines externen DV-Beraters geradezu an, wenn es um besondere Kenntnisse für die Entwicklung von DV-Systemen geht, für die ein festangestellter Mitarbeiter kurzfristig nicht zur Verfügung steht oder wenn mehrere DV-Projekte gleichzeitig durchgeführt werden müssen oder wenn das DV-Management vor einem Problem steht, mit dessen Lösung es aufgrund vorübergehender Arbeitsüberlastung nicht recht vorankommt.

Jeder Anwender kennt diese oder ähnliche quantitativen oder qualitativen Engpaßsituationen, in denen die Inanspruchnahme externer Fachleute besonders nutzbringend wäre. Dennoch, für viele Unternehmen ist der Ruf nach einem DV-Berater immer noch keine Selbstverständlichkeit, sondern lediglich ultima ratio oder schlimmer: Die Zusammenarbeit mit einem Externen wird von vorneherein aus Kostengründen überhaupt nicht in Betracht gezogen. Doch ist die Zusammenarbeit mit einem externen Spezialisten wirklich teurer als die Einstellung eines neuen Mitarbeiters für das gleiche Aufgabengebiet?

Eigentlich stellt sich diese Frage - wenn überhaupt - erst in zweiter Linie. Vielmehr sollte die Effektivität, der Nutzen der Arbeit, als Bewertungskriterium im Vordergrund stehen. Schließlich gibt es genügend Beispiele, in denen Hard- oder Softwareberater durch ihr fundiertes Fachwissen ihren Auftraggebern zu Einsparungen in Millionenhöhe verholfen haben.

Setzt man dennoch einmal den direkten Kostenvergleich als Bewertungs- oder Beurteilungsmaßstab "für oder wider DV-Berater" an so kommt man zu folgendem

aufschlußreichen Ergebnis, das ein namhaftes süddeutsches Industrie unternehmen für seine Personalkostenanalyse errechnet hat:

Gesucht wird für die Durchführung eines DV-Projektes ein Mitarbeiter mit der Qualifikation eines Systemplaners, -analytikers oder -programmierers. Sein Jahresgrundgehalt soll sich auf 60 000 Mark belaufen. Hinzu kommen Gehaltsnebenkosten von zirka 40 Prozent. Diese Nebenkosten in Höhe von 24 000 Mark beinhalten den Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Berufsgenossenschaftsbeiträge und andere soziale Lasten, soweit sie tariflich beziehungsweise gesetzlich fixiert sind. Freiwillige soziale Leistungen sind in den Nebenkosten jedoch nicht eingeschlossen. Rechnet man nun noch Fortbildungskosten für Seminare und Reisen in Höhe von 1000 Mark hinzu, so ergeben sich 85 000 Mark Gesamtkosten für diesen Arbeitsplatz.

Diese Kosten lassen sich jedoch nur schwer mit dem in der Regel in Manntagen kalkulierten Honorar eines Beraters vergleichen. Deshalb müssen die oben errechneten Gesamtkosten zu den nutzbaren Zeiten eines Mitarbeiters in Beziehung gesetzt werden.

Von den insgesamt 240 im Jahr verfügbaren Arbeitstagen müssen Im Durchschnitt 30 Urlaubstage und je zehn Tage für Schulung und Krankheit abgezogen werden, so daß sich jährlich 190 nutzbare Manntage ergeben. Damit errechnen sich für diese Leistungseinheit Kosten in Höhe von 450 Mark pro Manntag. Bei dieser Kalkulation geht man jedoch von ausgebildeten und eingearbeiteten Mitarbeitern aus, die über einen längeren Zeitraum hinweg den beschriebenen Arbeitsplatz bekleiden sollen.

Wenn jedoch für einen von vornherein befristeten Zeitraum neue Mitarbeiter eingestellt werden müßten, die nach Erledigung des vorgesehenen Arbeitspensums wieder auscheiden sollten, kämen noch eine Reihe weiterer Kosten hinzu:

- Einmalige Einarbeits- und Anlaufkosten (zirka drei Mannmonate)

- Abfindung bei Kündigung (verbunden mit dem Risiko, daß ein zunächst befristeter Arbeitsplatz unvorhergesehenerweise zu einem Dauerarbeitsplatz wird)

- Auslaufzeit, das ist die Zeit von der Kündigung bis zum Ausscheiden (mindestens drei Mannmonate)

- Unannehmlichkeiten (Unruhe, sinkende Arbeitsmoral), die mit einer vom Unternehmen ausgelösten Entlassungsaktion verbunden sind.

Diese vier Faktoren dürften - soweit sie sich quantifizieren lassen - mindestens den Wert eines Mannjahres erreichen, so daß noch einmal 85 000 Mark als einmalige Kosten hinzukommen.

Damit belaufen sich die Gesamtkosten für einen ein Jahr befristet einzustellenden Mitarbeiter auf mindestens 900 Mark pro Manntag, ein Wert, der dem durchschnittlichen Tageshonorar eines externen Systemanalytikers entspricht.

Unberücksichtigt bleiben bei dieser Betrachtungsweise ferner die Opportunitätskosten, die bei der Einstellung eines festangestellten Mitarbeiters zumindest in den ersten drei Monaten gegenüber der Inanspruchnahme eines externen Spezialisten anzusetzen sind. Denn ein Berater ist es gewohnt, sich sofort in ein neues Aufgabengebiet hineinzuversetzen und sich direkt an die kritischen Punkte der Problemstellung heranzuarbeiten. Er hat unmittelbar Zugriff zu einer Reihe fertiger Lösungskonzepte, Anwendungsbausteine und Werkzeuge und verfügt über wirkungsvolle Methoden und Verfahrenstechniken. Das Ergebnis: Die Lösung ist schneller verfügbar.

Zieht man außerdem in Betracht daß ein externer Fachmann unabhängig, objektiv und ohne betriebliche Scheuklappen Lösungsmöglichkeiten vorschlägt und mit seinen auf dem neuesten Stand gehaltenen Kenntnissen auch wirkungsvoll realisiert, so sollte endlich mit der Mär vom allzu teuren Berater Schluß gemacht werden.

Kurzum: Bei der Lösung einmaliger aber auch wiederholt auftretender schwieriger Aufgabenstellungen ist es nicht nur ratsam, sondern für jeden Manager, der um seine Verantwortung weiß, eine wirtschaftliche Notwendigkeit, die Inanspruchnahme externer Fachleute in die personalpolitischen Überlegungen einzubeziehen.