Zahl der Vertragspartner in Anwenderunternehmen steigt

Dirigent im Dienstleister-Orchester

13.04.2001
MÜNCHEN (CW) - Gern und oft nehmen die IT-Anwender die Dienste externer Anbieter in Anspruch. Einer Studie von Forrester Reseach zufolge wird die Zahl der Dienstleister pro Unternehmen in den kommenden Jahren steigen. Daraus erwächst ein neues Problem, denn herkömmliche Methoden zur Betreuung und Koordination der Service-Provider greifen nicht mehr.

Goldene Zeiten brechen für E-Business-Dienstleister an, sollten die Marktforscher von Forrester Research Recht behalten. Die Autoren der Studie "Orchestrating Service Provider" befragten insgesamt 55 IT- und E-Business-Verantwortliche, deren Arbeitgeber zu den weltweit größten 2500 Unternehmen zählen, zum Einsatz von Serviceanbietern. Dabei kristallisierte sich heraus, dass die Anwender eine Vielzahl von externen E-Business-Dienstleistern beschäftigen. Die Nachfrage wird sich in den nächsten zwei bis drei Jahren noch verstärken, denn die befragten Unternehmen wollen künftig sogar vermehrt auf externe Hilfe zugreifen.

Generalunternehmen unerwünschtGefragt sind eher Spezialisten denn Alleskönner. Das Gros der Anwender achtet außerdem darauf, unterschiedliche Perspektiven in ein Projekt einfließen zu lassen und kurze Amortisierungszeiten zu erreichen. "Wir haben bei verschiedenen großen Dienstleistern nach schlüsselfertige Lösungen gefragt, angeboten wurde uns teure Einheitsware. Der Einsatz von vielen kleinen Providern erbrachte eine hohe Qualität für weniger Geld", erklärte ein IT-Verantwortlicher aus der Luftfahrtbranche. Sechzig Prozent der IT-Verantwortlichen lehnen es ab, einen Generalunternehmer zu engagieren. Der Grund: Sie wollen die Kontrolle über sämtliche Aktivitäten behalten.

In ihrer Analyse listen die Marktforscher drei Erklärungen für den Trend zur externen Hilfe: Der Einsatz von E-Business-Verfahren in allen Branchen verschärft den Wettbewerb, drückt die Margen und beschleunigt die Produktzyklen, daher müssen Abläufe effektiv gestaltet werden. Des Weiteren erfordert das E-Business-Umfeld einen IT-Betrieb rund um die Uhr. Schließlich entblößt das Internet veraltete Informationen und senkt die Schwelle bei Kunden und Partnern, zum Konkurrenten zu wechseln. Die Anbieter sind demnach unter ständigem Innovationsdruck, um Geschäftskontakte zu festigen und zu pflegen. In all diesen Fällen sollen externe Anbieter helfen.

Die Koordination der vielen Lieferanten versuchen die Unternehmen mit herkömmlichen Management-Ansätzen in den Griff zu bekommen. Interne Mitarbeiter werden darauf angesetzt, die Qualität der Externen zu überwachen, deren Aufgaben zu definieren und in turnusmäßigen Sitzungen die abgeschlossenen und bevorstehenden Aktivitäten zu besprechen. Nicht immer ist diese Methode erfolgreich. Zum Teil scheiterten ganze Projekte, weil nicht berücksichtigt wurde, dass mit der Zahl der Anbieter auch der Koordinations-, Integrations- und Kommunikationsaufwand stark ansteigt. Das führt dann oftmals zu den üblichen Begleiterscheinungen von missglückten Vorhaben: Schuldzuweisung hat Vorrang vor der Fehlerbehebung.

Die Konzentration auf einzelne Projekte steht zudem einer anbieterübergreifenden Diskussion und Kommunikation entgegen, so dass der Blick für unternehmensweite und -übergreifende E-Business-Vorhaben verloren geht. Ein Beispiel: Einem Finanzdienstleister entglitt die Kontrolle über die Vielzahl der laufenden Projekte, so dass im Haus zwei Anbieter ein Online-Angebot für die Investment-Beratung entwickelten. Herausgefunden haben die Marktforscher auch, dass viele Anbieter ihr Augenmerk allzu sehr auf die Einführung von E-Business-Verfahren richten, den nachfolgenden Betrieb jedoch außer Acht lassen. Auch hier kann Forrester mit einem abschreckenden Fall aufwarten: Ein Mineralölkonzern engagierte einen E-Commerce-Integrator und suchte erst unmittelbar vor der Freischaltung eines Online-Service nach einem Hosting-Anbieter. Das Resultat war schließlich, dass die Infrastruktur des Hosters und die erstellte Anwendungsarchitektur nicht kompatibel zueinander waren.

Trotz dieser Erfahrungen verfahren viele Anwender immer noch nach dem üblichen Muster bei der Auswahl des Anbieters. Selektiert wird nach traditionellen Kriterien wie Branchenwissen, technisches Know-how und Kosten. Diese Konzentration auf funktionale Aspekte ist ein Relikt der herkömmlichen IT-Welt, in der Projekte auf die Organisationsstruktur eines Unternehmens (etwa Finanzbuchhaltung oder Verkauf) aufsetzten oder sich an Applikationen etwa von Oracle oder Siebel ausrichteten. E-Business funktioniert indes anders, denn hier müssen Vorhaben auf Prozessebene umgesetzt werden. Außer Acht lassen die meisten Anwender zudem die Frage nach der Befähigung des Dienstleisters, mit anderen Anbietern effektiv zusammenzuarbeiten.

Projektteams sind ungeeignetAus all diesen Erkenntnisse formuliert Forrester folgende Ratschläge: Statt Projektteams sollten Programm- und Prozessgruppen gebildet werden. Die Mitarbeiter eines Programmteams sollten die funktionalen Abläufe und die eingesetzten Anwendungen eines Unternehmen genau kennen. Sie koordinieren sämtliche Aktivitäten der Dienstleister, die an Projekten mit bestimmten Geschäftsfunktionen arbeiten. Ein Verkaufs- und Marketing-Programm-team sollte beispielsweise die Siebel-Implementierung und das darauf folgende Hosting verantworten. Prozessteams müssen hingegen die unternehmensweiten und -übergreifenden Lösungen im Auge haben, also etwa die Einführung eines elektronischen Beschaffungswesens.

Sinnvoll erscheint den Marktforschern zudem, dass nicht sämtliche Dienstleister in Eigenregie betreut werden. Nur dort, wo die Kernprozesse eines Unternehmens betroffen sind, muss eine hausinterne Arbeitsgruppe als Generalunternehmer in Erscheinung treten. Sind jedoch weniger kritische Vorhaben in Arbeit, etwa die automatisierte Beschaffung von Büromaterialien, empfiehlt es sich, einen Dienstleister zur Koordination sämtlicher externer Serviceunternehmen zu engagieren.

Abb.1: Zahl der Dienstleister

Ohne externe Hilfe kommt kaum noch jemand aus. Die Anzahl pro Unternehmen wird sogar zunehmen. Quelle: Forrester Research

Abb.2: Typ und Zahl der Externen

Viele Unternehmen engagieren durchaus mehrere gleichartige Anbieter. Quelle: Forrester Research