Anmerkungen und Formulierungsvorschläge zur geplanten Veröffentlichung

DIN 66 256: Schnittstelle für transaktionsorientierte Anwendungen

28.11.1986

Mit dem Ziel des freizügigen Anwendersoftwareaustauschs speziell für die

öffentliche Verwaltung wurde bereits Mitte der 70er Jahre die Definition der "Kompatiblen Schnittstellen" veranlaßt. Einige dieser sogenannten K-Schnittstellen avancieren zum heutigen umfassenden Systemstandard für transaktionsorientierte Datenverarbeitung DIN 66 256. Im folgenden wird die dort definierte Schnittstelle für transaktionsorientierte Anwendungsprogramme beschrieben, ferner werden die geplanten Weiterentwicklungen aufgezeigt. Außerdem wird DIN 66 256 im Vergleich mit herstellerspezifischen Möglichkeiten - wie zum Beispiel LU 6.2 (APPL) von IBM - betrachtet.

Im Januar 1986 ist die Norm DIN 66 265 "Schnittstellen eines Kerns für transaktionsorientierte Anwendungssysteme (KDCS-TAS-Kern)" veröffentlicht und somit zur verbindlichen Norm erklärt worden.

Initiatoren dieser Standardisierung waren dabei die öffentlichen Verwaltungen, die mit dem Ziel des freizügigen Anwendersoftwareaustausches Mitte der 70er Jahre die Definition der "Kompatiblen Schnittstellen" veranlaßten.

Diese K-Schnittstellen beinhalten neben den kompatiblen Datenkommunikationsschnittstellen (KDCS), die Gegenstand dieses Artikels sind, noch Schnittstellen zu Datenbanken (KDBS) und Systemdateien (KSDS). Die Datenbankschnittstelle wird unterteilt in KKDS (Schnittstelle zu komplexen DB-Strukturen) und in KLDS (Schnittstelle zu linearen DB-Strukturen). DIN 66 263 definiert die KLDS-Schnittstelle.

DIN 66 256 / KDCS beschreibt und definiert eine transaktionsorientierte Datenverarbeitung. Ein typischer Einzelfall kann in einem Buchungssystem gesehen werden, wobei von geographisch weitverteilten Datenstationen auf die Dienste eines zentralen Rechnersystems zugegriffen wird.

Anwendungsgebiet und Funktionalität

Dem Anwendungsprogrammierer bietet die genormte Schnittstelle einen umfassenden Vorrat von Diensten beziehungsweise Funktionen an:

- Transaktionsbildung sowie Verwaltung und Segmentierung von Anwendungsprogrammen

- Einfache Anwendung der Funktionen als CALL-Schnittstelle

- Nachrichtenaustausch zwischen Anwendungsprogramm (kurz AP) und Datenstation mit und ohne Formatservice

- Nachrichtenaustausch zwischen Anwendungsprogrammen

- Verwaltung system- und projektglobaler beziehungsweise transaktions- und anwendungsprogrammspezifischer Speicher

- Ausgabe asynchroner Nachrichten an Datenstationen und AP

Der überschaubare Funktionsumfang und die gebotenen Betriebsmittel ermöglichen eine zügige und sichere Programmerstellung.

Herausragende Zielsetzung dieser Schnittstellennorm ist dabei die weitestgehende Verwirklichung der Forderung nach Softwareportabilität. Dies bedeutet für den Anwender, daß einmal erstellte transaktionsorientierte Anwendungssoftware mit einem Minimum an Aufwand auf weitere, auch heterogene Rechensysteme übertragen werden kann. Durch die Verwendung dieser systemneutralen Schnittstelle wird eine gewisse Herstellerunabhängigkeit erreicht.

Einzelheiten zur genormten Schnittstelle

Der Hersteller von Anwendungssoftware für Transaktionssysteme (TAS) kann bei der Softwareerstellung mit DIN 66 256 / KDCS von folgendem Modell ausgehen. Ein Systemkern (KDCS-TAS-Kern) trägt und verwaltet die AP und stellt über die genormte Schnittstelle die oben beschriebenen Funktionen zur Verfügung. Darüber hinaus baut dieser Kern eine hoch zuverlässige Ablaufumgebung für die AP auf und sorgt somit für Fehlerbehandlung, Recovery und Restart sowie Synchronisierung konkurrierender AP.

DIN 66 256 / KDCS wird heute über eine breite Palette von Produkten verschiedener Hersteller angeboten (siehe Tabelle). Dabei werden zumeist sogenannte "Umsetzer" verwendet, die die genormte Schnittstelle auf beim Anwender vorhandene, herstellerspezifische DC/DB-Systeme beziehungsweise TP-Monitore abbilden. UTM der Firma Siemens bietet eine direkte ("native") Implementierung der genormten KDCS-Schnittstelle an.

DIN 66 256 / KDCS-Anwendungen werden vielfach in der Programmiersprache Cobol realisiert; deswegen ist in der Norm auch die Cobol-Spracheinbettung ("language-binding") beschrieben. Grundsätzlich ist aber die Schnittstelle programmiersprachenunabhängig (Call-Schnittstelle), das heißt, auch andere Sprachen wie zum Beispiel Assembler oder PL/1 können benützt werden.

Die DIN 66 256 besteht aus einem umfangreichen Textteil, der sich vor allem an den Anwendungsprogrammierer richtet und aus einer präzisen formalen Beschreibung der Schnittstelle, die in erster Linie für den Implementierer von KDCS die exakten Funktionen definiert.

In der formalen Bescheibung werden Prädikat-Transitions-Netze und Pascal-ähnliche Prozeduren verwendet.

DIN 66 256 im Vergleich

Grundsätzlich ist DIN 66 256/ KDCS die derzeit einzige bekannte Schnittstellennorm, die dem Anwender einen umfassenden System- und Funktionsstandard für den Softwareaustausch bietet. Herstellerspezifische DC-Systeme (DC/DB-Systeme beziehungsweise TP-Monitore) ermöglichen diese Portabilität nur zwischen homogenen Systemen und binden den Anwender an Systemsoftware des jeweiligen Herstellers. Die Herstellersysteme bieten umfangreiche Funktionen und vielfältige Dienste an.

Die genormte Schnittstelle bringt eine sinnvolle Konzentration auf wichtige, grundlegende Funktionen im Zuge der Erstellung von transaktionsorientierter Anwendersoftware und ermöglicht dadurch den Einsatz unterschiedlicher Basissoftware für die KDCS-Programme.

Die geplante, organische Erweiterung von DIN 66 256 / KDCS um die verteilte Transaktionsverarbeitung ("VTV") wird für den Anwender eine interessante Alternative zu herstellerspezifischen Produkten in bezug auf program-to-program communications sein.

In diesem Zusammenhang ist insbesondere das IBM-Produkt LU 6.2 (APPC) zu nennen, das in seiner Ausprägung nicht an die geplante Erweiterung DIN 66 256 heranreicht:

- Der Gedanke der Softwareschnittstelle zum AP findet zu wenig Einfluß.

- Die Problematik des automatischen Wiederanlaufes bei Session- und Systemabbrüchen sowie der Wiederstart von Anwendungsprogrammläufen wird nicht berücksichtigt.

Darüber hinaus stehen im Rahmen der ISO interessante Normungsvorhaben ins Haus, wie zum Beispiel das Project TMC (transactions mode communications) in das auch Ergebnisse der ECMA (distributed processing environment) einfließen sollen. Der DIN-Arbeitskreis wird sich hieran beteiligen, um möglichst viele Vorzüge von DIN 66 256 / KDCS einfließen lassen zu können.

Pflege und Weiterentwicklung der Norm

Offizieller Ansprechpartner in Sachen KDCS ist das Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen, Dezernat 232, Postfach 11 05, 4000 Düsseldorf 1, Telefon (02 11) 4 49 71 oder 44 97-5 89.

Die Weiterführung und Pflege der Norm DIN 66 256 / KDCS obliegt dem jetzigen DIN-Normungsarbeitskreis NI 21.5.5, der sich im Rahmen der ISO-OSI-Normungsbestrebungen mit "transaction processing" befaßt. Speziell für den Bereich öffentlicher Verwaltungen in Bund/ Länder/Kommunen wirkt dabei der Kooperationsausschuß ADV (KoopA ADV) mit.

DIN 66 256 wird in den kommenden Jahren im Zuge eines nationalen Ansatzes ausgebaut werden. Folgende Erweiterungen sind dabei derzeit in der Bearbeitung beziehungsweise in der fachlichen Diskussion:

- Integration von zeitgesteuerten freilaufenden Nachrichten (DPUT)

- Erweiterung um die verteilte Transaktionsverarbeitung (VTV)

- Einbindung neuer Datenstationsmodelle, wie zum Beispiel virtuelles Terminal, Btx-Terminal oder multifunktionale Datenstation.

Der Normungsarbeitskreis des DIN NI-21.5.5 ist an der Mitwirkung einiger Anwender interessiert, die sich mit VTV beschäftigen und DIN 66 256 beziehungsweise die entsprechende ISO-Norm mitgestalten möchten.

Einstieg in die KDCS-Nutzung jetzt

Dem Anwender, der sich gezielter mit KDCS beschäftigen möchte, sei die Lektüre des "KDCS-Benutzerhand-buches", Version 3.2, empfohlen (zu beziehen über LDS, Düsseldorf). Primäre Informationsquelle für DIN 66 256 / KDCS ist naturgemäß der Text der DIN-Norm.

Als Einsatzbeispiel mit den kompatiblen Schnittstellen können realisierte Anwendungen der Landeshauptstadt München genannt werden.

Diese KDCS-Programme laufen mit folgender Basissoftware (siehe nebenstehende Tabelle).

Der Anwender ist heute gut beraten, wenn er nicht die Ergebnisse dieser internationalen Normung abwartet, sondern bereits jetzt in die KDCS-Nutzung einsteigt. DIN 66 256 hat auf dem Gebiet der Transaktionsverarbeitung einen klaren Vorsprung. Was Ende der 80er Jahre international genormt wird, ist jedoch offen. Zudem wurden bislang von der ISO im Rahmen der OSI nur "services and protocolls" genormt, aber noch keine Schnittstellen zur Anwendungssoftware.

*1. Ferdinand Ketterl, Gruppenleiter Systemtechnik und Systemprogrammierung, Landeshauptstadt München, Direktorium, Amt für Datenverarbeitung

2. Joachim Reiprich, Dipl.-Inform., Projektleiter für Studien Telekommunikation, Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft mbH

3. Herbert Sattler, Siemens AG, Bereich Datentechnik, Datenfernverarbeitung (Transaktionsfunktionen), München