Jede dritte weiße Maus für die Katz:

DIMDINET - und die Linke weiß, was die Rechte tut

16.01.1976

Je stärker die Flut kontinuierlich anbrandender Forschungsberichte aus aller Welt anschwillt, um so größer wird die Verschwendung von Forschungsmitteln für obsolete oder aussichtslose Projekte. Mangels ausreichender Information über den aktuellen Wissensstand gehört heute schon - wie Experten befürchten - fast jedes dritte Forschungsprojekt zu den nutzlosen Doppel- und Leerlauf-Vorhaben, die man bei adäquater aktueller Dokumentation gar nicht erst angepackt hätte.

Wie man beispielsweise den Medizinern mit Computerhilfe einen Weg durch den zunehmend verfilzteren Wissens-Verhau ihres weiten Fachgebietes bahnen kann, erprobt seit sechs Jahren in Köln DIMDI, das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information. Die dort entwickelte medizinische Datenbank soll jetzt über ein neu aufzubauendes DIMDINET, einem Netzwerk von dialogfähigen Bildschirmterminals, dem Endbenutzer mühelos und aktuell ins Haus geliefert werden. Standort der Terminals sollen die großen Kliniken, Bibliotheken und Forschungsinstitute sowie Max-Planck-Institute sein. Soweit die DIMDI-Pläne.

Die DIMDI-Leute stellen sich dabei ein sternförmiges Informationsnetz vor, also neben dem zentralen Rechner in Köln noch mehrere Knotenpunkte, die mit Siemens-Transdata-Anlagen ausgerüstet werden sollen. Sie sollen den Simultan-Betrieb mehrerer Terminals gleichzeitig ermöglichen und so die Kapazität des Siemens-Zentralrechners optimal ausschöpfen helfen: die Grenze dürfte bei 50 Dialogen gleichzeitig liegen.

Außerdem sind Verbindungen zu bestehenden und geplanten europäischen und internationalen Informationsnetzen vorgesehen. Bis 1980 soll ET etwa 3,3 Millionen Mark jährlich erfordern, die beim Bundesforschungsministerium beantragt worden

Bisher kostete DIMDI insgesamt rund 25 Millionen Mark, und für 1976 liegt sein Etat bei 8 Millionen Mark. Für nur 3,3 Millionen Mark pro Jahr mehr - nämlich für das DIMDINET - könnte dieses Informationssystem seine Kapazität, die heute bei 9000 Anfragen pro Jahr liegt, um 15 000 Anfragen auf gut das Zweieinhalbfache steigern. Erst DIMDINET würde durch den Dialogverkehr, der die beliebige Verknüpfung von 20 000 Stichwörtern gestattet, die volle Nutzung des gespeicherten Wissens ermöglichen.

Per Saldo wird DIMDI also um so effektiver, je mehr Terminals angeschlossen werden. Spart man an ihnen - und das ist angesichts denk angespannten Etatlage in Bonn zu befürchten -, so gerät bei ohnedies erheblich geringerer Effektivität das bisherige Batch-Auskunftverfahren unweigerlich bald in einen Engpaß.

In den USA hat man die Bedeutung automatisierter Informationssysteme in Anbetracht der Gefahr, halb informiert Unsummen für überflüssige Forschungen auszugeben, offenbar bereits erkannt. Dem dortigen Medline-System, das sich auf die Auswertung von mehr als 3000 Ärzte-Zeitschriften stützt, sind bereits mehr als 300 Krankenhäuser und insgesamt rund 500 Datenterminals angeschlossen - einige davon sogar in Europa. DIMDI indes unterhält vorerst nur einige Leitungen zu Pharma-Betrieben und einigen ausländischen Institutionen.

24 Milliarden Mark werden hierzulande von Wirtschaft und Staat pro Jahr für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Solange die Informationstechnik für Wissenschaft und Forschung nicht auf den heute realisierbaren Standard gebracht ist, füttert eben rund jeder dritte Biomediziner seine weißen Mäuse - für die Katz.

*Egon Schmidt ist freier Wissenschaftsjournalist.