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Daten werden ohne das Wissen der Nutzer gesammelt

Digitale Überwachung: 100.000 US-Surfer ausspioniert

07.04.2008
Von pte pte
In den USA haben Internet-Provider das Surfverhalten von mindestens 100.000 Bürgern mitgeloggt und analysiert. Ziel war es, passendere Werbung einzublenden.

Wie die "Washington Post" berichtet, kam beim Lauschangriff eine speziell entwickelte Werbekontroll-Software zum Einsatz, die das komplette Online-Verhalten der Nutzer ausspioniert und aus den gewonnenen Informationen detailreiche Profile erstellt hat. Davon betroffen sind neben den besuchten Internetseiten auch gesendete E-Mails und einzelne Suchabfragen der User. Die auf diese Art gesammelten Daten können dann an Werbepartner verkauft werden, damit diese ihre Werbebotschaften punktgenau auf den User und seine jeweiligen Interessen zuschneiden können. Nach dem Bekanntwerden der Internetspionageaktion regt sich nun heftige Kritik an den angewandten Praktiken. So fordern Datenschützer eine Nachbesserung der Datenschutzbestimmungen, verstärkte Aufklärung der Nutzer in Bezug auf digitale Beschnüffelung und ein generelles Verbot des Anzapfens des Internetverkehrs.

Ein derartiges Vorgehen sei untragbar, kritisieren US-amerikanische Datenschützer. Vor allem der Umstand, dass das systematische Datensammeln ohne die ausdrückliche Einwilligung und das Wissen der Nutzer geschehe, sei äußerst bedenklich. Tim Berners-Lee, ein Vordenker des World Wide Web, sieht die Zukunft des Internets in Anbetracht solcher Entwicklungen in Gefahr. "Ein Missbrauch solcher Daten wäre jederzeit möglich", stellt er fest. Beispielsweise habe er keine Lust, dass seine Krankenversicherung wisse, zu welchen Themen er im Netz recherchiert hat. "Wir wissen zwar von solchen Praktiken, haben aber noch mit keinem konkreten Fall zu tun gehabt", erklärt Rainer Hämmer, stellvertretender Landesbeauftragter für den Datenschutz in Niedersachsen, auf Anfrage von pressetext. Es sei in diesem Zusammenhang wichtig zu wissen, dass in Deutschland in jedem Bundesland eine eigene Landesbehörde für Datenschutzbelange zuständig ist. "An uns ist jedenfalls noch kein Betroffener herangetreten", schildert Hämmer.

Zum Einsatz kam in den betroffenen Überwachungsfällen in den USA die Methode der so genannten "Deep Packet"-Inspektion. Dabei werden alle Vorgänge, die ein Nutzer online tätigt, in Datenpakete unterteilt und einzeln analysiert. Die Analyseergebnisse werden anschließend den jeweiligen Usern zugeordnet und ein entsprechendes Interessensprofil erstellt. Die angewandte Methode ist es auch, die Internetprovider als Argument für sich einsetzen, um den Vorwurf der Datenschützer zurückzuweisen. Bei der Tiefenanalyse würden keinerlei Daten erhoben, die zu einer persönlichen Identifizierung der einzelnen Nutzer herangezogen werden könnten, heißt es von Providerseite. Das eingesetzte Verfahren sei vielmehr äußerst sicher und anonym. "Wir halten uns beim Thema Datenschutz an die in Deutschland geltende Gesetzgebung. Unter anderem bedeutet das, dass wir grundsätzlich keine Nutzungsdaten von Kunden speichern und dies auch in Zukunft nicht vorhaben", betont Sonja Schaub, Sprecherin des deutschen Internetproviders Hansenet, gegenüber pressetext.

Bereits vor knapp einem Monat hatte ein erster Test eines ähnlichen Werbesoftwaresystems namens "Phorm" in Großbritannien für Aufregung gesorgt. Laut einem Bericht der Zeitung "Daily Mail" gab der britische Internetprovider BT bekannt, bereits 36.000 Kunden in Bezug auf ihr Online-Verhalten ausspioniert zu haben. (pte)