Wo hakt es und was ist zu tun?

Digitale Transformation fällt den Energieversorgern schwer

09.03.2015
Von 
Mario Zillmann ist Leiter Professional Services bei Lünendonk und Experte in den Themen Management- und IT-Beratung sowie Outsourcing. Als Analyst und Berater beobachtet er seit sieben Jahren den ITK-Markt und betreut die seit Jahrzehnten als Marktbarometer geltenden Lünendonk-Listen und -Studien zu IT-Beratung und IT-Service, Business Intelligence, Standard Software, Business Innovation/Transformation Partner (BITP) und Technologie-Beratung.
Vor allem die Energieversorger sollten mit zu den ersten Wirtschaftsunternehmen gehören, die den Weg in die Digitalisierung gehen. Aufgrund der Komplexität ist diese Wandlung mit eigenen Bortmitteln jedoch kaum zu schaffen. Der Autor zeigt dazu mögliche Wege auf.

Ein wichtiger Behinderungsfaktor für den digitalen Wandel in der Energiebranche sind dezentral gewachsene und teilweise noch sehr starre IT- und energiespezifische Prozesse. So liegen beispielsweise wichtige kundenbezogene Daten sowie Daten aus den Erzeugungs- und Verteilernetzen in mehreren Datenbanken und in unterschiedlichen Datenformaten vor, was ein umfassendes Kundenmanagement sowie kundenspezifische Tarife und Services erschwert. Kundensegmentierungen und individuelle Angebote für einzelne Kundengruppen werden dadurch erschwert, ebenso wie Kundenbindungsmaßnahmen in einer hochgradig wettbewerbsintensiven Branche.

Ob Wind-, Wasser- oder Solarkraft. Die Energieversorger stehen vor Herausforderungen, die den Einsatz von modernen Technologien sowie die Neuordnung der IT-Prozesse dringend nötig machen.
Ob Wind-, Wasser- oder Solarkraft. Die Energieversorger stehen vor Herausforderungen, die den Einsatz von modernen Technologien sowie die Neuordnung der IT-Prozesse dringend nötig machen.

Energieversorger stehen allerdings vor einigen Herausforderungen, die den Einsatz von modernen Technologien sowie die Neuordnung der IT-Prozesse dringend nötig machen: Die Wechselbereitschaft der Kunden ist hoch, Online-Energiebörsen führen zu einer vollständigen Preis-/Leistungstransparenz und Kunden möchten über unterschiedliche Kanäle wie mobile Endgeräte, Call Center, Brief oder PC mit dem Energieversorger kommunizieren. Integrierte Multi-Channel-Strategien haben allerdings nur die wenigsten Energieversorger konsequent umgesetzt - von Themen wie Smart Grid oder Smart Home ganz zu schweigen. Hier nehmen lediglich große Energiekonzerne eine Vorreiterrolle ein.

IT ist Kernprozess und Strategie

Die Energiewende in Deutschland sowie der digitale Wandel sind für alle beteiligten Akteure mit starken Auswirkungen verbunden. Einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren ist die Akzeptanz der IT als wesentlicher Produktionsfaktor. Die IT darf nicht als Cost Center im Hintergrund stehen, sondern muss als Generator für Kosteneindämmung, Geschäftsentwicklung und Umsatzwachstum betrachtet werden. Dies drückt sich in der immer engeren Zusammenarbeit zwischen der IT und den Fachbereichen aus. Die IT hat sich in vielen Branchen von einer rein kostenorientierten Rolle zu einer wertschöpfenden Funktion entwickelt, was den digitalen Transformationsprozess erst ermöglicht und beschleunigt. An dieser Stelle muss der Energiesektor aufholen.

Vor allem das Top Management der kleinen und mittleren Energieversorger muss hier schnell handeln, um den Anschluss nicht zu verlieren. Besonders für die Stadtwerke und regionalen Versorger besteht die Gefahr, dass branchenfremde Unternehmen durch den Markteintritt den Wettbewerbsdruck nochmals verstärken.

IT-Konzerne und Technologieunternehmen positionieren sich bereits im Energiemarkt. Beispiele sind Konzerne wie Google, IBM, Intel, Cisco ABB, Bosch oder General Electric, die an Konzepten zur Vernetzung und (mobilen) Steuerung der Haushaltsgräte arbeiten. RWE geht beispielsweise in einer aktuellen Studie davon aus, dass 2018 mehr als die Hälfte aller neuen Endgeräte aus den Bereichen Weiße Ware (Elektrogroßgeräte) und Unterhaltungselektronik untereinander vernetzt sind und sich über das Internet steuern lassen. Hier entsteht ein völlig neues Kundenerlebnis und für viele Versorger ist ihre zukünftige Rolle mehr als unklar.

Was ist zu tun?

Die technologische Umsetzung neuartiger Geschäftsmodelle ist mit einer Vielzahl von Herausforderungen verbunden. Mit Blick auf eine optimale Steuerung muss ein Verbund von Energie- und Datennetzen aufgebaut werden. Dies stellt hohe Anforderungen an die Modernisierung der Geschäfts- und IT-Prozesse durch den Einsatz von Automatisierungslösungen und analytischen Software-Anwendungen, aber auch an die interne Projektorganisation sowie die Zusammenarbeit mit externen Partnern.

Ferner bedarf es geeigneter IT-Prozesse, um das durch Smart Grid bedingte dramatisch ansteigende Datenvolumen verarbeiten und in unterschiedliche Anwendungen integrieren zu können. Hierzu eignet sich der Aufbau von hybriden Cloud-Modellen, um die bisherige IT mit eigenen Cloud-Anwendungen sowie den IT-Anwendungen der Partner im Sinne von End-to-End integriert zu managen.

Da sich auch die technologischen Innovationszyklen immer schneller entwickeln, haben Energieversorger das Problem, wichtige Projekte an der Schnittstelle zwischen Business und IT nicht mit eigenen Mitarbeitern besetzen zu können und benötigte Kompetenzen intern aufzubauen. Daher wird es immer mehr Wertschöpfungspartnerschaften mit externen Beratungs- und IT-Dienstleistern sowie Technologieunternehmen geben, um Innovationen möglichst schnell einzuführen. An der Schnittkante von Business und IT verändert sich auch die Projektkultur, indem Projekte mit agilen Methoden wie scrum umgesetzt werden, da ihre Komplexität steigt und der Zeit- und Qualitätsdruck zunimmt.

Zusammengefasst haben Energieversorger folgende zentrale Probleme anzupacken:

Business-Perspektive:

  • Entwicklung einer klaren digitalen Strategie

  • Einziehung der Fachbereiche sowie des CIOs in die Digitalisierungsstrategie

  • Neuordnung der Fachprozesse im Sinne der Kundenorientierung

  • Aufbau von IT-Kompetenzen in den Fachbereichen

  • Bildung von Business-/IT-Arbeitsgruppen, um digitale Ideen zu entwickeln und ganzheitlich umzusetzen

IT-Perspektive:

  • IT-Effizienz fortführen und Prozesse standardisieren, Anwendungen modernisieren und Nicht-Kerntätigkeiten auslagern

  • Systemintegrationskompetenz aufbauen

  • IT-Investitionen der Fachbereiche akzeptieren und dabei unterstützen, neue Anwendungen in die alte IT-Welt zu integrieren

  • Hybride Cloud-Plattformen aufbauen, um alte und neue IT End-to-End zu managen

  • Gemeinsam mit den Fachbereichen neue IT-Sourcing-Konzepte entwickeln (bw)