Wie die IT hilft, Geld zu verdienen

Digitale Transformation bei Smartrac

12.09.2015
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Die Plattform als Service

Von der Werbung zu den Fakten: Im Detail bietet Smart Cosmos drei Services, die der Kunde bei Bedarf nutzen kann:

  • "Profiles" enthält die herstellungsbezogenen Daten, quasi die DNA jedes einzelnen Smartrac-Transponders: Wie lautet die Seriennummer? Wann und wo wurde der RFID-Tag produziert? An welchen Kunden wurde er wann geliefert? Welche spezifischen Merkmale gibt es, wie sind die Lesereichweiten, und welche Qualität hat das Einzelexemplar? "Ohne ein einheitliches SAP-System weltweit haben Sie keine Chance, so etwas bereitzustellen", erinnert Petrongari an Sinn und Zweck seiner Aufräumarbeit in der Unternehmens-IT.

  • Der zweite Service, "Objects", bringt den Kunden und seine intelligenten Produkte ins Spiel. Er erlaubt es, alle Informationen, die mit dem Träger des RFID-Transponders (dem "intelligenten Ding") verbunden sind, zu speichern, zu verknüpfen und wieder abzurufen. Zur Verdeutlichung dieser "Metadaten" führt Petrongari das Beispiel eines Sportschuhherstellers an; hier sind das Informationen wie Schuhmodell, Farbe, Größe, aber auch Herstellungsland und Geschäft, in dem der Schuh verkauft wurde. Mit Hilfe der Daten lassen sich Fragen wie diese beantworten: Aus welcher Fabrik stammt der blaue Schuh in Größe 8, der gerade in meinem Store in Stuttgart verkauft wird? Das könnte beispielsweise für die Logistik- und Vertriebsabteilung von Interesse sein. Verknüpft man diese Information auf der Smart-Cosmos-Platform noch mit den Kundendaten aus einem Kassensystem oder mit Ortsangaben, dürfte auch die Marketing-Abteilung überzeugt sein

  • Der dritte Service heißt "Flows". Er hilft Abläufe zu konstruieren und Ereignisse auszulösen (zu triggern, wie es im Fachjargon heißt). Petrongari erläutert die Funktionsweise an einem Beispiel: "So kann ein RFID-Chip einen Kunden tracken, sofern er die Sportschuhe im Laden mit seinem NFC-Handy scannt. Gesetzt den Fall, der Kunde hat seine Daten freigegeben, kann man ihm passgenau individualisierte Informationen auf sein Smartphone schicken." Aber auch das Entlarven eines von Produktpiraten gefälschten Markenartikels ist auf diese Weise leicht möglich.

Die solchen Szenarien zugrunde liegenden Prozessketten kann ein Marketing-Spezialist ohne tiefgehende Programmierkenntnisse selbst am Bildschirm modellieren. "Auch wir denken darüber nach, das für unsere eigene Logistik zu nutzen", sagt Petrongari, "zum Beispiel um unsere eigene Produktion automatisch mit Nachschub aus dem Lager zu versorgen." Über eine Anbindung mittels APIs lasse sich nahezu jedes beliebige IT-System in Flows integrieren.

RFID-Tags Auf Metalloberflächen waren RFID-Etiketten lange ein Problem. Wie das Beispiel des Feuerlöschers zeigt, ist es gelöst: Neue Materialien ermöglichen es, die Funketiketten auf verschiedensten Flächen unterzubringen – egal ob gebogen oder plan, warm oder kalt, rau oder glatt.
RFID-Tags Auf Metalloberflächen waren RFID-Etiketten lange ein Problem. Wie das Beispiel des Feuerlöschers zeigt, ist es gelöst: Neue Materialien ermöglichen es, die Funketiketten auf verschiedensten Flächen unterzubringen – egal ob gebogen oder plan, warm oder kalt, rau oder glatt.
Foto: Smartrac

Analytics-Funktionen in Arbeit

Sicher gebe es andere Unternehmen, die an ähnlichen Plattformen für das Internet der Dinge arbeiten, räumt der Smartrac-CIO ein: "Aber unser Vorteil ist, dass die TransponderDaten uns gehören, wir quasi jeden mit Vornamen kennen." Das sei umso gravierender, als Smartrac sowohl bei den im Hochsicherheitsbereich als auch bei den industriell eingesetzten Tags einen Marktanteil von weit mehr als 50 Prozent habe.

Weiter aufwerten könnte Smartrac seine Plattform, wenn auch Analytics-Funktionen zur Verfügung gestellt würden. Das ist in Planung, aber noch nicht spruchreif. Immerhin verriet Petrongari kürzlich beim COMPUTERWOCHE-Roundtable "Cloud Readiness", dass er sich dafür Anwendungen wie zum Beispiel Predictive Maintenance vorstellen könne: "Damit würde es ein rundes Angebot."

Betrieben wird Smart Cosmos nicht bei Smartrac, sondern bei Amazon Web Services (AWS). Petrongari begründet diese Entscheidung damit, dass AWS eine enorme Skalierungsfähigkeit und damit eine viel höhere Geschwindigkeit und Verfügbarkeit garantieren könne. "Bei einem Umsatz von 300 Millionen Euro und rund 3500 Mitarbeitern wären wir normalerweise eher zu einem kleineren Partner gegangen, der sich quasi auf Augenhöhe befindet", räumt der IT-Chef ein.

Daran, mit einem Public-Cloud-Anbieter zu arbeiten, habe sich sein Team erst einmal gewöhnen müssen. Denn der operiere schließlich mit industrialisierten Lösungen, sprich: einem Warenkorbprinzip ohne Möglichkeit zu Anpassungen oder einen individuellen technischen Ansprechpartner: "Das ist eine neue Situation für Leute, die es gewöhnt waren, Server individuell zu konfigurieren." So ganz glücklich war die Smartrac-IT denn auch zunächst noch nicht mit dem Provider: "Zum Beispiel haben wir lernen müssen, dass es generell gar nicht so einfach ist, einen standardisierten Cloud-Service in die Unternehmens-IT einzubinden."

Außerdem sollte AWS mal überlegen, ob man nicht doch gerade für individuelle und komplexe Probleme in der Projektarbeit einen Ansprechpartner zur Verfügung stellen könne, schlägt der Smartrac-CIO vor - "gerade wenn es im technischen Klein-Klein hakt".

Auch Petrongari selbst musste sich schließlich ändern: "Für viele Kollegen ist die IT ja immer noch eine bequeme Nische", resümiert er. Er selbst sei allerdings nie einer gewesen, "der im Rechenzentrum sitzt, die Maschinen ölt und sich freut, wenn alle Lämpchen an den Servern schön grün leuchten".

Digitalisierung verlangt Zusammenarbeit

Andererseits nehme er für sich aber auch nicht in Anspruch, das Thema Digitalisierung allein voranzutreiben, merkt der Head of IT an. Das sei gar nicht möglich: "Digitalisierung erfordert ja im Gegenteil ganz neue Formen der Zusammenarbeit im Unternehmen." So sei auch Smart Cosmos "so lange nicht ans Fliegen gekommen, bis unser CEO erst einmal alle Leute an einen Tisch geholt hat": Das waren Research and Development (R&D) sowie IT, später auch Marketing, Vertrieb, Produktion und die Rechtsabteilung.

Und wie wirkte sich die neue Rolle im IT-Alltag aus? "Plötzlich war ich mit meinem Team ganz nah am Kunden, musste Service-Level-Agreements eingehen, Lieferzusagen nach außen abgeben etc. Das ist für mich und meine Leute schon ein Paradigmenwechsel." Aber auch eine Herausforderung, die Petrongari gern annimmt. Die IT müsse jetzt nicht nur als Berater im eigenen Haus, sondern auch gegenüber den Endkunden agieren. Zwar sollen in der Sales-Mannschaft Leute dafür "aufgebaut" werden, er und sein Team könnten es aber auch, so der IT-Verantwortliche: "Da ist ein internes Wettrennen zwischen IT und Vertrieb im Gang."

Auf längere Sicht sei es auf jeden Fall möglich und sinnvoll, dass ITler mit zum Kunden gehen, prognostiziert der CIO. Vor allem dann, wenn die IT des Kunden ebenfalls involviert sei. Um beispielsweise Terminals zu installieren, die der Kunde vor Ort zum Einspielen der Daten in den "Objects"-Service nutzt, muss ohnehin ein Netzexperte mit dem Vertriebler zusammenarbeiten: "Dann können wir direkt von Spezialist zu Spezialist sprechen."

Bei den IT-Mitarbeitern setzte das Projekt last, but not least einen Lernprozess in Sachen Geschwindigkeit in Gang, sagt Petrongari abschließend. "Der "externe" Kunde verlange noch mehr Flexibilität sowie die Bereitstellung von Lösungen auf unsicherer Faktenbasis: "In der klassischen IT denken wir in Drei- bis Fünfjahreszyklen und haben auf vergleichsweise sicherem Terrain operiert. Auch da muss ich bei meinem Team viel Überzeugungsarbeit leisten." Glücklicherweise habe er sechs Jahre in der Beratung gearbeitet: "Das hilft mir enorm, die Smartrac-IT auf das Geschäft mit dem Rohstoff Daten in der schönen neuen Cloud-Welt einzuschwören."