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„Digitale Bohème“ oder was es mit den Laptops im Café auf sich hat

02.11.2006

Auch ihr Blogger-Kollege Johnny Haeusler („Spreeblick.com“) glaubt an eine neue Arbeits- bzw. Lebensform. „Viele Leute werden das eher als Bedrohung sehen, aber da ich es schon immer geliebt habe, wenn ich selbst wählen konnte, wann und wo ich arbeite, empfinde ich die Mobilität als große Erleichterung“, sagt er. Mit dem Begriff „Digitale Bohème“ sei Friebe und Lobo ein „großartiger Schachzug“ gelungen. „Das Buch ist klasse, die beiden wissen aber auch, dass das niemand bemerkt hätte, wenn sie nicht einen hübschen Begriff dafür gefunden hätten.“ Trendforscher Andreas Haderlein vom Zukunftsinstitut (Kelkheim/Frankfurt) fasst es so zusammen: „Kommunikation wird schick. Das sieht man nicht zuletzt am iPod.“

Im Berliner St. Oberholz hat die Bohème Tradition. In den zwei Geschossen des denkmalgeschützten Hauses war in den 20er Jahren ein Aschinger-Lokal der Treffpunkt von Künstlern wie George Grosz und Schriftstellern wie Döblin, dessen Roman „Berlin-Alexanderplatz“ quasi vor der Tür spielt. Heute kommen viele Gäste aus der Galerieszene, Musiker, Film- und Medienschaffende aber auch Berlin-Neulinge auf Wohnungssuche, erzählt Mitinhaber Ansgar Oberholz. Kunden, die sich stundenlang an einem Espresso festhalten und das Gratis-Internet ausnutzen, seien selten. „Die meisten behandeln das fair, indem sie es über den Konsum honorieren.“

So haben viele einen Laptop als Gegenüber, ohne dabei isoliert zu wirken. Christopher (35) ist Stammgast. Der Amerikaner schreibt seine Doktorarbeit über Hegel und Aristoteles, allerdings nicht im Café, sondern zu Hause, wo er keinen Internetzugang hat. „Ich komme eher zum Zeitung lesen und E-Mail schreiben her“, erzählt er. Vier Cafés mit Internetzugang kann er in wenigen Minuten von seiner Wohnung aus zu Fuß erreichen. So bleibt die Arbeit bei ihm in der Wohnung, wo er nicht von Internetmagazinen wie „Slate.com“ abgelenkt wird. „Die Trennung finde ich schön», sagt er. Eine Etage höher sitzt Linguistik-Studentin Rebekka (25) an einem Abschlussbericht für ein Praktikum. Im Café fällt es ihr leichter, sich zu konzentrieren. „Ich kann zu Hause nicht arbeiten, da ich nur putzen würde.“ (dpa/tc)