Anwender bereiten umfassende Open-Source-Projekte vor

Dienstleistungen für Linux sind gefragt

09.05.2003
MÜNCHEN (ls) - Das starke Interesse an Linux und Open-Source-Software hat zu Veränderungen in der Dienstleistungsbranche geführt. Aufgrund der regen Nachfrage der Anwender boomt das Geschäft mit entsprechenden Services. Zahlreiche Firmen bieten ihre Hilfe für Linux-Projekte an.

Wer mit Linux arbeiten will, muss ohne Services auskommen, hieß es jahrelang. Dem ist längst nicht mehr so. Rund um das alternative Betriebssystem und quelloffene Software ist ein florierender Dienstleistungsmarkt entstanden - mitten in einer tiefen Wirtschaftskrise. IBM hat im vergangenen Jahr 1,5 Milliarden Dollar Linux-Umsätze gemacht. HP behauptet sogar, zwei Milliarden Dollar mit Linux-Produkten und Services eingenommen zu haben. Wie viel von diesen Umsätzen auf den Service entfält, ist in beiden Fällen nicht bekannt.

Auch die großen Systemintegratoren und Beratungsunternehmen sind auf den Linux-Zug aufgesprungen. Siemens Business Services, SAP SI, T-Systems, Cap Gemini Ernst & Young, CSC Ploenzke, Mummert, Materna, Compunet und andere bieten allesamt Dienstleistungen rund um Linux an. Die meisten haben sich dazu mit spezialisierten Linux-Firmen zusammengeschlossen, darunter auch Distributoren wie Red Hat und Suse.

Die Distributoren selbst hatten Ende der 90er Jahre ihre Service-Abteilungen stark ausgebaut. Als sie mit dem Platzen der Dotcom-Blase in die Krise gerieten, strichen sie diese Bereiche stark zusammen. Erst seit etwa einem Jahr legen die Distributoren wieder mehr Gewicht auf Dienstleistungen - allerdings konzentriert auf professionelle Anwender. In diesem Bereich arbeiten bei Suse 45 Angestellte, nicht gerechnet die Mitarbeiter im Support, die sich zum Teil mit dem Entwicklungsteam überschneiden.

Der Charakter der Dienstleistungen von Suse verschiebt sich immer mehr, erklärt David Burger, Vice President Enterprise Sales and Services beim Nürnberger Distributor. Früher habe man vor allem kundenspezifische Softwareentwicklung, Linux-Implementierungen und nachfolgenden Support betrieben. Jetzt gehe es zunehmend um Beratung, Machbarkeitsstudien und die Zusammenstellung von Lösungspaketen auf Open-Source-Basis. Dabei kooperiert das Unternehmen verstärkt mit Partnern.

Ein Netz von Partnerschaften

"Die können den Markt alleine nicht abdecken", stellt Lothar Papenberg, Gründer und Vorstand des Suse-Parnters RZnet AG, fest. Das Unternehmen hat vor vier Jahren mit Linux-Services begonnen. Die Schwerpunkte sind Machbarkeits- und Kostenstudien sowie Portierung und Implementierung von Anwendungen. Außerdem gehören die Kerpener zu den wenigen Anbietern von Linux-Outsourcing.

Die meisten Serviceunternehmen im Linux-Umfeld tummeln sich bei Banken und Versicherungen. An zweiter Stelle kommt das Geschäft mit der Automobilindustrie, die zunehmend auf Intel-basierende Linux-Cluster für Crash-Simulationen setzt. High Performance und Ausfallsicherheit, insbesondere für Datenbanken und SAP, sind Hauptthemen bei industriellen Linux-Anwendern. Primär konzentriert sich das Dienstleistungsgeschäft also auf Linux-Server. Eine Sonderrolle spielt die öffentliche Verwaltung, deren IT-Abteilungen aus Kostengründen zu Open-Source-Produkten greifen. Hier ist auch Beratung für Linux-Clients gefragt.

Das Geschäft der Linux-Dienstleister konzentriert sich auf Großunternehmen und den gehobenen Mittelstand. Hier gibt es kompetente IT-Abteilungen, und entsprechend ist weniger Support als vor allem die Integration von Linux in bestehende heterogene Umgebungen gefragt. Mittelere Unternehmen interessieren sich für Linux-Implementierungen mit "ausschleichendem" Support, der - vergleichbar mit der schrittweisen Absetzung eines Medikaments - durch das von den Dienstleistern erteilte Training der DV-Spezialisten abnimmt. Kleine Unternehmen neigen dazu, ihre Linux-Projekte aus eigener Kraft zu stemmen, oder sie lagern ihr Linux-System aus (Outtasking). Es ist eine Black Box, im Problemfall wird der Dienstleister angerufen.

Machbarkeitsstudien sind gefragt

Die aktuellen Schwerpunkte der Linux-Dienstleister sind eindeutig. "Gefragt sind Machbarkeitsstudien, Projektberatung, Open-Source-Implementierungen und Migration", stellt Thomas Uhl, Geschäftsführer der Stuttgarter Millenux GmbH, fest. Diese von allen Dienstleistern bestätigte Nachfrage ist Kennzeichen einer geänderten Rolle von Open Source im Markt. Heute wird Linux als gleichberechtigt neben anderen Systemen akzeptiert.

Linux wird vor allem aus wirtschaftlichen Gründen in die Kalkulationen der Anwender einbezogen. "Eigentlich ist die aktuelle Krise eine sehr gute Antriebskraft für den Linux-Markt", fasst Alfred Schröder, Geschäftsführer der Gonicus GmbH aus dem nordsauerländischen Arnsberg, eine übereinstimmende Beobachtung der Serviceunternehmen zusammen. "Man versucht, mit Linux und Open-Source-Software die Kosten zu senken." Aber die Wirtschaftkrise hat auch ein hemmendes Moment, so Schröder: "Man ist zurzeit vorsichtig mit Investitionen. Vieles wird verschoben. Die Anwender haben zahlreiche Evaluierungsprojekte gemacht, die großen Investitionen stehen aber noch an."

Alles muss sich binnen einem Jahr rentieren, sonst bleibt es als Plan in der Schublade. "Was seine Wirtschaftlichkeit erst in zwei Jahren erbringt, geht man nicht an. Aber alles, das sich schnell rechnet, zum Beispiel Server-Konsolidierung, wird gemacht", hat RZnet-Chef Papenberg beobachtet. Deswegen sei "neben dem Nachweis der technischen Machbarkeit die betriebswirtschaftliche Rechtfertigung" eines Open-Source-Projekts bei den Anwendern sehr gefragt und eine unverzichtbare Kompetenz von Dienstleistern.

Zufriedene Kunden präsentieren

Das sehen nicht alle Serviceanbieter so. Jeder Wirtschaftlichkeitsberechnung werde Microsoft oder ein Unix-Anbieter mit einer eigenen begegnen, die das Gegenteil belegt. Johannes Loxen, Geschäftsführer der auf Linux-Security spezialisierten Göttinger Firma Service Network GmbH (Sernet), macht es daher anders: "Man kann die Linux-Vorteile anhand von klaren Beispielen zeigen. Ich stelle dem Kunden einen zufriedenen Kunden vor. Er soll mit dem sprechen und ihn nach seinen Erfahrungen befragen. Kunden interessieren sich für Ansprechpartner, Kompetenz, Verfügbarkeit der Lösung."

Dies kann Millenux-Chef Uhl, der auch Chairman der Linux-Arbeitsgruppe in der IBM-Anwendervereinigung GSE Deutschland ist, bestätigen: "Kompetenz wird heute in erheblich höherem Maße geprüft als früher. Sie wird durch Referenzen beurteilt." Gonicus-Chef Schröder stimmt zu: "Referenzen sind das A und O."

Daraus ergibt sich ein Einstiegsproblem für die große Zahl der Dienstleister, die als Linux-Spezialisten begonnen haben. Dienstleister aller Größenordnung betrachten es als ideal, die reinen Linux-Firmen mit ihrem tiefen Know-how als Subunternehmer mit ins Boot zu nehmen. Davon haben alle was: die großen Dienstleister, die jungen Linux-Firmen - und nicht zuletzt die Kunden.