Dienstleister synchronisiert Material- und InformationsfluMontagewerk in Kooperation mit externen IT-Spezialisten gebaut Von Dieter Wormuth*

13.08.1993

Lean Management praktiziert die Deutz Motor Industriemotoren GmbH (DMI) in ihrer neuen Montagefabrik in Koeln-Porz. Dabei kooperierte das Unternehmen der KHD-Gruppe bereits in der Planungs- und Realisierungsphase mit Lieferanten und Dienstleistern. Fabrikplanung, schluesselfertige Anlageninstallation und Betrieb des Lagers vergab DMI ebenso konsequent an Externe wie auch das Management logistischer Projekte sowie die Realisierung der Materialfluss- und Montagesteuerung.

Schon in die Planung der neuen Motorenfabrik wurden IT- Spezialisten einbezogen. Montageleiter Klaus Schmittbetz: "Durch folgerichtiges Outsourcing haben wir fuer jede Aufgabe Experten gewonnen, die in kuerzester Zeit Planungen in die Tat umsetzen konnten." Das enge Zusammenspiel aller Beteiligten in dem neuen Montagewerk (siehe Kasten) setzte Massstaebe: Nur 552 Tage nach dem ersten Spatenstich begann am 6. Oktober 1992 die Vorserienproduktion.

Kurze Durchlaufzeiten

trotz Variantenvielfalt

Kundenorientierung, Total-Quality-Management sowie Liefertermintreue bei maximaler Volumenflexibilitaet sind wesentliche Elemente der KHD-Firmenphilosophie und Leitlinien fuer die neue Fabrik. Trotz der Variantenvielfalt gilt es darueber hinaus, kurze Durchlaufzeiten mit einem minimalen Materialbestand zu erzielen. Diese Rahmenbedingungen erfuellt das Werkskonzept durch folgende Ansaetze:

- Die Kombination von Stand- und Fliessmontage ermoeglicht Flexibilitaet und kurze Lieferzeiten.

- Just-in-time-Anlieferungen durch einen externen Logistikspezialisten minimieren Materialbestaende im Montagewerk.

- Roboter in Montage und Lackierung uebernehmen nur schwere und monotone Aufgaben, bei denen auf hohe Qualitaet Wert gelegt wird.

- Computer steuern die Ablaeufe vom Auftragseingang bis zum termingenauen Versand; fahrerlose Transportsysteme versorgen die einzelnen Stationen.

- Die Mitarbeiter in der Fabrik arbeiten im Team und organisieren ihre Arbeit eigenverantwortlich.

Voraussetzung fuer die hohen Ansprueche an Schnelligkeit, Flexibilitaet und Qualitaet ist eine reibungslose Kommunikation. Durch die notwendige Synchronisation von Material- und Informationsfluss erhaelt die Informationstechnologie (IT) einen zentralen Stellenwert. DMI-Systemplaner Martin Feller: "Dies setzt voraus, dass IT-Funktionen nicht erst im Laufe der Baumassnahmen vergeben werden, sondern IT-Spezialisten von Anfang an im Projekt integriert sind." DMI ging dabei einen Schritt weiter und beauftragte den IT-Dienstleister EDS mit dem Projekt-Management. Montageleiter Schmittbetz: "Die Informationstechnik muss wie ein stummer Diener jederzeit funktionieren. Deshalb war die Expertise eines Dienstleisters gefragt, der Erfahrung mit aehnlichen Projekten hat." Seit Fruehjahr 1990 ist EDS an dem KHD-Projekt ,Neue Motorenfabrik beteiligt. Die gemeinsame Arbeit vollzog sich in drei Phasen:

- Bei Planung und Pflichtenhefterstellung konzipierte der Dienstleister zusammen mit KHD und den beteiligten externen Lieferanten die neuen Montagelinien, das Prueffeld und die Lackieranlage fuer unterschiedliche Motorenbaureihen. Die Dienstleistung von EDS umfasste Consulting sowie Projekt-Management fuer Logistik, Materialfluss und Montagesteuerung.

- Fuer die abgeleiteten logistischen Teilprojekte uebernahm EDS das Projekt-Management; fuer Montage- und Materialflusssteuerung darueber hinaus auch die komplette Realisierung. Diese Phase endete mit der offiziellen Eroeffnung der neuen Motorenfabrik am 2. Juni 1993.

- Seit Juni 1993 betreibt der IT-Dienstleister im neuen KHD- Motorenwerk den Montageleitrechner und entwickelt die vorhandenen Anwendungen weiter.

Fuer alle drei Phasen gibt es einen Rahmenvertrag mit festen Konditionen. Grundlage sind die Zielsetzungen der Werksverantwortlichen: Papierloser Belegfluss mit autarken, intelligenten Komponenten auf der Prozessleitebene, eindeutig definierte Schnittstellen, hohe Verfuegbarkeit und Transparenz im Netzwerk sind zentrale Anforderungen. Die daraus abgeleiteten IT- Komponenten sind Bestandteil des Outsourcing-Vertrages.

Nach Vergabe eines Zusatzvertrages wurde eine auf Windows basierende Anwendungssoftware fuer die Werkerfuehrung erstellt. 125 PCs kommen hierbei zum Einsatz. Mit ihrer Installation sowie mit der Konzeption und Realisierung des Netzes, der zentralen Anlagen- und Prozessueberwachung und des Transportleitrechners wurde DMI- Systemplaner Feller betraut.

Rueckgrat der uebergreifenden, materialflusssynchronen Informationsuebermittlung ist eine komplexe Netzwerk-Architektur. Sie basiert auf einem organisatorischen Drei-Ebenen-Konzept mit Planung, Produktionsleitebene und Prozesssteuerung.

- Auf der Planungsebene ist ein IBM-Grossrechner mit den Funktionen Vertriebssteuerung, Einkauf, Produktionsprogramm-Planung, Materialdisposition, Montageplanung, Arbeitsvorbereitung und Versandabwicklung installiert. Ein Netz-Server verbindet den Host online mit einem Token-Ring-Backbone. Der Lagerverwaltungsrechner (LVR) eines externen Logistikdienstleisters kommuniziert ebenso ueber das Token-Ring-Backbone wie die KHD-Fertigung in den Werken Koeln-Deutz und -Kalk. Alle Systeme der Fabrik sind ueber einen Router ebenfalls an das Backbone-Netz angeschlossen. Der Einsatz des Routers entkoppelt die Netzlasten von Fabrik und Backbone. Ein Ethernet-Netz verbindet die Fabriksysteme. Angeschlossene Prozesssteuerungsrechner sind so konzipiert, dass die verschiedenen Gewerke ihre Auftraege autark bearbeiten koennen.

- Kernstueck der Auftragssteuerung auf Produktionsleitebene ist ein Unix-Doppelrechner-System mit gespiegelten Datenplatten. Innerhalb dieses Montageleitrechners wird der Nachrichten-Verteilmechanismus des von EDS entwickelten Event- Handlers Inter System Communication (ISC) fuer den Datenaustausch zwischen den einzelnen Subsystemen genutzt.

- Die IT-Komponenten der Prozesssteuerung kommunizieren ueber einheitlich definierte Schnittstellen unter dem Protokoll TCP/IP; unterlagerte speicherprogrammierbare Steuerungen beispielsweise des fahrerlosen Transportsystems nutzen das Protokoll Sinec-AP. Der Datenaustausch erfolgt grundsaetzlich ueber einheitlich aufgebaute Nachrichten (Events).

Alle Komponenten dieser durchgaengigen IT-Loesung wurden waehrend der Realisierung kontinuierlich mit Pflichtenheften abgeglichen. Ein zusaetzlicher Audit durch neutrale, nicht im Projekt eingebundene Spezialisten gewaehrleistete die Systemdurchgaengigkeit. Sie sei beispielhaft an der Auftragsverwaltung dargestellt.

Die Auftragsverwaltung (vgl. Abbildung) uebernimmt den Montageauftrag mit Motorgrunddaten, Montageanweisungen (Text und Grafik) und den zu verbauenden Teilen vom Planungsrechner (Host). Vor der Uebergabe erfolgt eine komplette Verfuegbarkeitspruefung aller notwendigen Materialien und Fertigungsinformationen. So ist sichergestellt, dass beispielsweise Roboter-, NC- und Pruefprogramme vollstaendig vorhanden sind und die geplante Durchlaufzeit in der Montage eingehalten werden kann.

Nach der Aufloesung des Auftrages in einzelne Produktionsauftraege quittiert der Montageleitrechner die Uebernahme an den Host. Die aufgeteilten Auftraege werden der Reihenfolgeplanung zur Verfuegung gestellt, um daraus eine neue Montagesequenz zu berechnen. Dabei werden kurzfristige Restriktionen wie Liefertermine, Anlagen- und Personalkapazitaet sowie Teilerestriktionen (Sperrungen, Defekte) als Parameter beruecksichtigt.

Auch bei Ausfall des

Netzes autark arbeiten

Parallel dazu wird der Materialfluss angestossen. Der Montageleitrechner ermittelt Materialbedarfe fuer bedarfsgesteuerte Teile. Eine Unterdeckung loest einen Abruf an das externe Lagerverwaltungs-System aus. Zielsetzung ist eine maximale Materialreichweite von vier Stunden. Montageleitrechner sowie Lagerverwaltungs-System verfuegen aber immer mindestens ueber einen Auftragsvorrat von vier Schichten. Durch diesen geplanten Auftragsvorlauf kann selbst bei Netzausfaellen autark gearbeitet werden.

Das reibungslose Zusammenspiel der Auftragsverwaltung mit Anwendungen wie Montagesteuerung, Transportsystem, Werkerfuehrung (Montageanleitung via PC) sowie Betriebsdatenerfassung wurde zunaechst ablauforganisatorisch optimiert. Erst danach folgte in einem zweiten Schritt die DV-technische Umsetzung. Montageleiter Schmittbetz: "Mit dieser Vorgehensweise bestimmt eine effektive Organisation die Funktionen der IT. Damit ist gewaehrleistet, dass unsere Zielvorgabe mit einer Montagedurchlaufzeit von 14,5 Stunden realisiert werden kann."

* Dieter Wormuth ist Consultant bei EDS Electronic Data Systems (Deutschland) GmbH.

Abb. 1: Die Netzarchitektur basiert auf einem Drei-Ebenen-Konzept.

Abb. 2: Die Auftragsverwaltung sorgt fuer kurze Durchlaufzeiten.

Abb. 3: Die neue Motorenfabrik: Kennzahlen auf einem Blick