Dienstleister spüren lahme Sites auf

27.04.2007
Spezialanbieter messen die Performance von Web-Seiten und suchen nach Flaschenhälsen.

Je mehr Firmen Geschäftsprozesse ins Internet verlagern, desto wichtiger sind zuverlässige Websites. Lange Antwortzeiten sind nicht nur ärgerlich für die Site-Besucher, sondern schaden auch dem Image des Anbieters. Zudem können schlechte Übertragungsqualität und Engpässe in Server-Farmen E-Business-Applikationen beeinträchtigen. Um solche Schäden abzuwenden, überprüfen Dienstleister über gezielte Performance-Messungen, wie es um die Web-Infrastruktur ihrer Kunden bestellt ist.

Hier lesen Sie ...

• warum Dienstleistungen zur Web-Performance-Messung Zulauf haben;

• wie solche Angebote funktionieren;

• dass es nicht ausreicht, Web-Seiten nur von außen zu begutachten;

• worin sich die Messmethoden unterscheiden;

• wie der Reiseveranstalter L’tur Performance-Messverfahren mit anderen Web-Analysekonzepten kombiniert.

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1217471: Lasttests mit Open Source;

1216209: HP kauft Mercury Interactive;

581145: User-Akzeptanz testen;

590935: Materna Webcheck;

584265: Gomez misst Antwortzeiten im Web.

L’tur analysiert die Web-Performance, die Bedienbarkeit der Seiten und die Besucherzahlen

Zu den Nutzern von Web-Analyseservices zählt der Reiseveranstalter L’tur. Auf gute Websites ist die Firma schon deshalb angewiesen, weil sie mittlerweile 40 Prozent des Umsatzes online erzielt. Bei den Web-Technikern im Hause steht gute Web-Performance daher in den Zielvereinbarungen.

Mit Hilfe der Messverfahren von Gomez ermittelt das Unternehmen die Verfügbarkeit der Web-Seiten innerhalb des L’tur-Netzwerks, zu dem eine Reihe von Marken gehören. "Wir messen, wie gut der Kunde unsere Angebote erreicht und wie lange er benötigt, eine Transaktion abzuschließen", erläutert Vorstandsmitglied Marcus Orth. Dies schließt Messungen in unterschiedlichen Provider-Netzen sowie die "letzte Meile" zum Konsumenten mit ein. Ermitteln lassen sich über den Service nicht nur die L’tur-eigenen Angebote, sondern beispielsweise auch in das Reiseportal eingebundene Drittsysteme von Partnern wie dem Auktionsanbieter Truition, dessen Server in den USA stehen. Orth und sein Team stellen so fest, ob die L’tur-Systeme oder ein Partnerangebot schlechte Antwortzeiten verursachen. Kooperationspartner werden informiert, wenn ihre Internet-Applikationen Web-Transaktionen verzögern.

Über grafische Berichte in einer Browser-Oberfläche erfährt Orth, wie es um die Qualität der L’tur-Seiten bestellt ist. Darüber hinaus lassen sich so Trends und mögliche Engpässe frühzeitig erkennen, so der Manager. Damit bei akuten Schwierigkeiten Hilfe zur Stelle ist, erhalten Administratoren eine Alarmmeldung per SMS.

Billig sind solche Dienste allerdings nicht: Für die Gomez-Messungen zahlt L’tur monatlich einen mittleren vierstelligen Betrag. Ein Site-Ausfall von zwei Stunden würde jedoch ein Vielfaches an wirtschaftlichem Schaden verursachen, so Orth.

Der Gomez-Dienst ist jedoch nur eines von drei Web-Analyseverfahren, die L’tur nutzt. Die Anzahl der Web-Besucher sowie der Seitenabrufe ermitteln Services von Nielsen und IVW. Der in Orem im US-Bundesstaat Utah beheimatete Dienstleister Omniture ("Sitecatalyst") testet, wie gut die Web-Seiten zu bedienen sind. Aus allen drei Messergebnissen können die Spezialisten beim Reiseveranstalter dann ermitteln, warum beispielsweise die Buchungszahlen zu einem Zeitpunkt auffallend niedrig sind.

Vom Werkzeug zum Dienst

Große Unternehmen nutzen schon seit einiger Zeit Softwarewerkzeuge von Unternehmen wie Empirix, der von Hewlett-Packard gekauften Mercury Interactive, Radview und BMC Software, um die Leistungsfähigkeit ihrer Web-Applikationen zu testen. Nach Angaben von Empirix, dessen deutsche Niederlassung in Erding bei München angesiedelt ist, fragen Anwender vermehrt nach solchen Dienstleistungen. Einerseits, weil Site-Betreiber einer guten Web-Performance immer mehr Bedeutung beimessen. Andererseits erfordert es fachkundiges Personal, um beispielsweise Empirix-Produkte für die meist komplexen IT-Infrastrukturen der Anwender aufzusetzen. Doch gute Leute sind rar. Außerdem beauftragen gerade Mittelständler lieber einen Dienstleister mit der Überprüfung, als eigene Software dafür zu kaufen.

Die am Markt verfügbaren Services konzentrieren sich grundsätzlich auf zwei unterschiedliche Testszenarien: Entweder werden Web-Applikationen, bevor sie ans Netz gehen, im Rahmen von Lasttests auf Herz und Nieren geprüft. Oder die Services ermitteln das Antwortzeitverhalten einer Website beziehungsweise bestimmter darüber angebotener Funktionen aus Sicht des Site-Besuchers. Über spezielle Computer werden Seitenzugriffe simuliert und die Reaktionszeit der Internet-Seiten gemessen.

Zu den bekanntesten Diensteanbietern von Web-Performance-Messungen zählen die Unternehmen Keynote Systems, Gomez und Mercury Interactive. Letzteres Unternehmen bietet sowohl Messdienste als auch Produkte an, seit der Übernahme arbeitet HP jedoch daran, die Angebote in das Outsourcing-Portfolio zu integrieren.

Weltweit verteilte Messrechner

Keynote unterhält ein Netz aus Messcomputern mit Schwerpunkten in Nordamerika, Europa sowie Asien. Die Messsysteme verhalten sich wie Surfer und ermitteln, in welcher Zeit die Websites der Keynote-Kunden die Seiten ausliefern. Mit dem Angebot "Application Perspective" begutachtet der Betreiber nicht nur Homepages, sondern auch transaktionsorientierte E-Commerce-Sites von Anwenderunternehmen. Einen Schritt weiter geht er mit dem Dienst "Transactional Perspective": Hier werden Agenten-PCs mit Internet-Browsern so eingestellt, dass sie Transaktionen auf den Kundensystemen erzeugen. Weitere Messpunkte in Form von Agenten-Servern befinden sich an weltweiten Lokationen. Die dritte Komponente sind "Private Agents", die unmittelbar vor den Web- und Applikations-Server des Anwenders platziert werden. Nach dem Internet-Boom ist es etwas still geworden um Keynote Systems. Neben den Web-Performance-Diensten vermarktet die Firma nun auch Verfahren, die Mobilfunknetze und Voice-over-IP-Infrastrukturen prüfen.

Ebenfalls eine Vielzahl von Softwareagenten zum Messen von Web-Anwendungen betreibt die amerikanische Firma Gomez mit deutschem Sitz in Düsseldorf. Darüber lasse sich die Qualität des Internet-Angebots der Kunden über Modem- und DSL-Zugänge aus verschiedenen Regionen der Welt testen, verspricht der Anbieter. Site-Betreiber erfahren über grafische Reports, wie lange es dauert, Seiten-Elemente wie Grafiken, Werbe-Banner und Ähnliches zu laden. Typische Gomez-Kunden messen hierzu rund 500000-Mal pro Monat. Laut Firmenangaben gestattet es der Dienst auch, einzelne Objekte einer Website zu analysieren. Zum Beispiel könne eine Firma so herausfinden, ob Drittanwendungen wie ein Routenplaner die Gesamt-Performance der Site in Mitleidenschaft ziehen. Testen lasse sich so auch, ob der Internet-Service-Provider die Leistungen erbringt, die er dem Kunden verspricht (siehe Kasten "L’tur analysiert die Web-Performance").

Gomez drängt nach Europa

Da Gomez auch mittelständische Website-Betreiber ansprechen will, wurde ein spezielles Paket für diese Zielgruppe aufgelegt. Für rund 370 Euro im Monat können Unternehmen etwa 10 000 Messungen vornehmen, allerdings nicht weltweit. Bis auf die Menge an Messwerten unterscheidet sich diese Offerte dem Anbieter zufolge nicht von den übrigen Diensten. Im Februar hatte Gomez den schweizerischen Web-Performance-Dienstleister Sysperformance AG übernommen. Damit wollen die Amerikaner ihre Präsenz in Europa verstärken.

Im Gegensatz zu den agentengestützten Messverfahren hat sich der Softwarehersteller Empirix mit dem Dienstleistungspaket "E-Loadexpert" auf Lasttests konzentriert. Er basiert auf Lastgeneratoren, die von Experten des Anbieters mittels Testscripts an die jeweilige Web-Umgebung des Kunden angepasst werden. Unter anderem verwenden Banken E-Loadexpert, um einen Online-Banking-Service vor der Live-Schaltung unter Last zu testen. In Anspruch genommen werden solche Methoden auch, wenn Firmen ihre Website überarbeiten.

Materna kombiniert Methoden

Lasttest-Dienste à la Empirix und Messung über Agenten schließen sich nicht aus. Vielmehr haben beide Verfahren ihre Berechtigung und ergänzen sich. Das weiß man auch bei Materna in Dortmund. Das Software- und Beratungshaus betreibt zwar keine Agentennetze, offeriert aber dennoch Messdienste für die Performance von Websites. Unter dem Label "Webcheck" vermarktet Materna eine Reihe von Beratungsdiensten, darunter "Webcheck Performance".

Zunächst machen sich die Materna-Experten ein Bild von der Systemarchitektur, Netzwerktopologie sowie den Komponenten und Softwareprodukten, aus denen die Web-Infrastruktur des Kunden besteht. Basierend darauf erfasst, dokumentiert und bewertet das Team dann die aktuelle Leistung des Web-Auftritts und stellt diese der Soll-Performance und den technischen Möglichkeiten der verwendeten Plattform gegenüber. Dabei wird sowohl die Leistung einzelner Sessions als auch der Gesamtdurchsatz berücksichtigt. Flaschenhälse innerhalb der Auslieferungskette lassen sich so identifizieren und Verbesserungsvorschläge unterbreiten, versprechen die Dortmunder. So lasse sich beispielsweise ermitteln, ob die Applikations-Serverfarm nicht ausreichend dimensioniert ist oder die Datenbanksysteme für Anfragen zu lange benötigen. Materna stützt sich hierbei auf selbstentwickelte Messwerkzeuge sowie auf das Open-Source-Tool "Apache Jmeter". Insbesondere dann, wenn nur einzelne Web-Services zu testen sind, werden diese flexiblen Programme eingesetzt.

Bei Bedarf greifen die Spezialisten auch auf die Messsonden von Keynote Systems zurück, um die Internet-Anbindung einer Web-Präsenz in Augenschein zu nehmen. "Keynotes klassischer Ansatz ist es, von unterschiedlichen Orten aus zu prüfen, wie schnell die Site reagiert, doch mittlerweile haben die Firmen Vertrauen in die Internet-Anbindung", erläutert Mathias Hehn, Webcheck-Verantwortlicher bei Materna, die dürftige Nachfrage nach Keynote-Services. Gleichwohl seien solche Methoden nicht obsolet, denn die Keynote-Technik vermag herauszufinden, welche Elemente einer Web-Seite besonders lange brauchen.

HP Business Availability

Outsourcer wie Hewlett-Packard bieten ebenfalls Messmethoden für Web-Applikationen an. Der Konzern betrachtet dies als Ergänzung zum Applikations- und Infrastruktur-Outsourcing. Wer E-Business-Anwendung, Intranets und Partnerportale in HP-Rechenzentren betreiben lässt, dem stehen Performance-Monitoring-Dienste zur Verfügung, die Teil des "HP Business Availability Center" sind. Ebenso können Anwender davon Gebrauch machen, die ihre Inhouse-Lösungen von HP verwalten lassen. Gemeinsam mit den Kunden definieren HP-Spezialisten Messpunkte innerhalb der IT-Infrastruktur. HP-eigene Werkzeuge ermitteln dann beispielsweise das Antwortzeitverwalten der Applikationen vom Frontend bis zur Datenbank im Backend. In regelmäßigen Abständen erhält der Anwender Berichte. Einerseits eignen sich diese Messungen dazu, die mit HP vereinbarte Dienstqualität zu überprüfen (Service-Level-Agreements), andererseits bieten sie eine Grundlage für spezifische Verbesserungen von Transaktionslösungen.

Gemessen wird jedoch nicht über verteilte Agenten, wie es Keynote Systems und Gomez tun. Vielmehr stehen die Messrechner in den Rechenzentren und ermitteln, wie rasch Datenbank- sowie Applikations-Server die Anfragen bearbeiten und wie sich über Integrationslösungen wie MQ Series angekoppelte Backend-Systeme verhalten. Künftig sollen die mit der Übernahme von Mercury Interactive erworbenen Werkzeuge und Dienste vor allem im Bereich der Performance-Analyse - dazu zählt das Produkt "Loadrunner" - mit dem HP-Portfolio kombiniert werden.