Neustart abermals verschoben

Die Zukunft von Napster bleibt ungewiss

09.11.2001
MÜNCHEN (CW) - Das Schicksal der US-amerikanischen Musiktauschbörse Napster bleibt ungewiss. Nachdem sich der Start des kostenpflichtigen Angebots weiter hinauszögert, muss das Unternehmen die ersten Mitarbeiter entlassen. Der Mehrheitseigner Bertelsmann arbeitet derweil daran, Teile der Napster-Technik in seinen eigenen Online-Musikvertrieb zu integrieren.

Insgesamt 16 von 107 Napster-Angestellten müssen, nachdem der ursprünglich dieser Tage vorgesehene Neustart erneut verschoben wurde, ihren Hut nehmen. Mit den Restrukturierungsmaßnahmen wolle man sich ganz dem Aufbau der künftigen Musikplattform widmen, verlautete aus der kalifornischen Firmenzentrale. "Die Technologie ist parat, aber die Verhandlungen mit den Labels werden das Startdatum und den Preis des Dienstes bestimmen", dämpfte Vorstandschef Konrad Hilbers die Erwartungen. Vor allem die Bereiche Verwaltung und Kundenservice müssen künftig mit weniger Personal auskommen.

Dieser Einschnitt dürfte derzeit kaum jemandem wehtun: Bereits seit Juli dieses Jahres ist Napster offline. US-Bezirksrichterin Marylin Patel verurteilte die Tauschbörse zum weiteren Stillstand, weil sie trotz mehrmaliger Aufforderung nicht in der Lage gewesen sei, den Tausch urheberrechtlich geschützter Songs zu unterbinden. Die Tauschbörse dürfe erst wieder ans Netz gehen, wenn der Urheberschutz hundertprozentig gewährleistet sei.

Im Rechtsstreit ist alles offenEin endgültiges Urteil in diesem Streit ist bislang nicht in Sicht. Es sei laut Patel noch zu früh. Ein unabhängiger Experte müsse zudem prüfen, inwieweit die Eigentumsrechte an den umstrittenen Songs geklärt sind. Die Napster-Verantwortlichen werfen den Bossen vor, ihre Vormachtstellung bei den Urheberrechten auszunutzen, um lästige Konkurrenz zu behindern. Auch Richterin Patel beurteilt die Kooperationen und Joint Ventures der Musikbranche kritisch. Die US-Gerichte würden prüfen, ob bei den Musikkoalitionen wettbewerbsrechtlich alles mit rechten Dingen zugehe.

In der Tat arbeiten die großen Musikkonzerne angesichts des eindrucksvollen Erfolgs von Napster an eigenen zahlungspflichtigen Musikbörsen für das Internet: Das japanische Elektronik- und Entertainment-Imperium Sony hat sich mit Vivendi zusammengeschlossen um die Plattform "Pressplay" zu entwickeln. Die Konkurrenten Warner Music Group (AOL Time Warner), BMG Entertainment (Bertelsmann Media Group) und EMI wollen die Vertriebsplatt-form "Musicnet" auf die Beine stellen.

Die Strategie des Medienkonzerns Bertelsmann, der vergangene Woche weitere 25 Millionen Dollar an Napster gezahlt hat, um das Unternehmen finanziell über Wasser zu halten, bleibt dabei weiter undurchsichtig. Die Gütersloher engagieren sich für Musicnet, entwickeln aber auch weiter an ihrer eigenen Vertriebsplattform "Bemusic". Innerhalb dieses Musikdienstes wolle man künftig auch Napster-Technik einsetzen, erklärte Andreas Schmidt, Chef der Bertelsmann E-Commerce Group (BECG).

Napster wird nach den Worten des BECG-Chefs jedoch nicht vollständig in Bemusic integriert. Die Tauschbörse soll in modifizierter Form unter ihrem bisherigen Namen wiedereröffnet werden. Sollte sich der Streit um Napster weiter fortsetzen, könnte der Konzern trotzdem mit Bemusic einen eigenen Online-Vertrieb starten. Einigt sich Bertelsmann mit anderen großen Musikfirmen, Titel über Napster anzubieten, könnten die Gütersloher einen gebührenpflichtigen Musikdienst einrichten und ein Millionen-Online-Publikum auf der ganzen Welt erreichen. Voraussetzung ist allerdings: Die ehemaligen Napster-Nutzer, die zum Teil längst zu anderen, kostenlosen Musikbörsen abgewandert sind, kehren zurück. (ba)