ICM, ICN und SBS - die IT-Sparten von Siemens

Die Zukunft bleibt ungewiss

24.09.2004
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.
Mäßiger Ergebnisse wegen behandelte Unternehmenschef Heinrich von Pierer die IT-Sparten der Firma Siemens gerne als Kellerkinder der Firma. Unansehnlich, erfolglos.

Die IT-Geschichte des Siemens-Konzerns darf als unruhig bezeichnet werden. Schon als der Konzern Anfang 1990 Nixdorf übernahm, waren die Fragezeichen zu dieser Übernahme größer als die Ausrufezeichen. Der einstige Star am deutschen Computerfirmament schwächelte zu diesem Zeitpunkt bereits. Der Plan, sich durch die Akquisition IT-Know-how zu erwerben, um als ernst zu nehmender Computeranbieter am Markt zu reüssieren, geriet für die Siemens AG zum Rohrkrepierer.

1998 gründete der größte deutsche Konzern ein als Arbeitsgebiet I+C (Information and Communication) bezeichnetes Unternehmenskonstrukt. In dieses packte Siemens die Sparten Öffentliche Vermittlungstechnik, Private Kommunikationssysteme und das, was von dem Konglomerat Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG (SNI) noch übrig geblieben war. Nachdem die Computersparte in den bajuwarisch-japanischen Merger Fujitsu-Siemens eingegliedert wurde, blieben die Netzwerksparte ICN, der Mobilfunkausrüster und Handy-Produzent ICM und der IT-Dienstleister SBS übrig. Sie kämpften seither getrennt, häufig erfolglos, und standen dabei immer unter der kritischen Beobachtung von Siemens-Chef Heinrich von Pierer. Dessen Forderung einer Gewinnmarge von elf Prozent erreichen alle drei IT-Bereiche bis heute bei weitem nicht.

1999 räumte der Siemens-Konzern dann auf. Zuerst trug man dem Fehlschlag der Nixdorf-Übernahme Rechnung und überführte die in den Geschäftsbereich der Information and Communications Products (ICP) eingegliederte Computersektion in das Joint Venture Fujitsu-Siemens Computers.

Zur gleichen Zeit entschied von Pierer, dass auch Epcos und Infineon nicht zum Kerngeschäft des Unternehmens gehören, und entließ die Töchter in die Unabhängigkeit. Am 1. April 1999 lagerte Siemens seine seinerzeit defizitäre Halbleitersparte aus dem IC-Bereich aus und modelte sie zur rechtlich eigenständigen Infineon Technologies AG um. Epcos, der Nachfolger von Siemens Matsushita Components, ging am 15. Oktober 1999 als selbständige Tochter an die Börse.

Eine Kehrtwende hin zu einer rosigeren Geschäftsbilanz soll nun eine weitere gravierende Umstrukturierung im Siemens-Konzern bringen: Zum Oktober 2004 werden die Bereiche ICM und ICN unter Führung des bisherigen ICM-Bereichsvorstandsmitglieds Lothar Pauly zu der Geschäftseinheit Siemens Communications verschmolzen. Dieser Plan kommt nicht überraschend. Marktexperten hatten schon seit langem darauf hingewiesen, dass solch ein Schritt notwendig sei - auch, weil sich Konkurrenten und Kunden ähnlich aufgestellt hatten. Mit diesem Schachzug soll ferner eine Firmenstruktur etabliert werden, die dem Trend der Verschmelzung von Sprach- und Datenkommunikation (Konvergenz) gerecht wird. Gleichzeitig verbinden sich mobile und festnetzbasierende Infrastrukturen. Siemens will mit der Zusammenlegung von ICN und ICM auch das Firmenkundengeschäft durch

ein attraktiveres Komplettlösungsangebot stärken.

Die Ausmaße der geplanten Umstrukturierung lassen sich an zwei Kennziffern verdeutlichen: Mit Siemens Communications entsteht die mit Abstand größte Konzernsparte. In ihr arbeiten rund 50 000 Mitarbeiter. Sie erwirtschaften einen Umsatz von zirka 17 Milliarden Euro. Sehr ungewiss ist die Zukunft des IT-Dienstleisters SBS. Immer noch hat Siemens keine klare Antwort gegeben, ob die Servicesparte nun zerschlagen, verkauft, durch einen Zukauf gestärkt oder etwa in ein Joint Venture eingebracht werden soll. Die neueren Nachrichten aus dem Konzern in diesem Zusammenhang sind nicht eindeutig.

Momentan fragen sich die SBS-Mitarbeiter, wie es nach dem Abgang von Bereichsvorstand Paul Stodden und der Übernahme der Geschäfte durch den ehemaligen Chef von Fujitsu-Siemens Computers, Adrian von Hammerstein, weitergeht. Stodden wechselte als Vorstandsvorsitzender zum Mobilfunkdienstleister Debitel AG. Er hatte im Dezember 2001 von seinem Vorgänger Friedrich Fröschl SBS mit hohen operativen Verlusten übernommen, konnte in der ersten Hälfte des laufenden Geschäftsjahres aber immerhin eine Umsatzrendite von drei Prozent erwirtschaftete. Allerdings, so Analysten, sei dieses Ergebnis eher einem rigiden Kosten-Management als einem operativen Wachstum geschuldet.

Ungewisse Zukunft für SBS

Zum 1. Oktober 2004 soll nun das Inlandsgeschäft der Siemens AG neu ausgerichtet werden. Im Zuge einer Rezentralisierung werden der Vertrieb und der Service aller Siemens-Konzernsparten in einer Regionalorganisation neu aufgestellt. Das betrifft natürlich auch die SBS. Viele im Unternehmen fürchten, dass der IT-Dienstleister durch diese Reorganisation kleiner und als eigenständiger Bereich erheblich an Bedeutung verlieren wird, was den Abgang des ehrgeizigen Stodden nicht unwesentlich beeinflusst haben dürfte.

Für SBS gilt das Gleiche, was sich auch für T-Systems sagen lässt: So stark die Marktposition im IT-Dienstleistungsgeschäft für beide in Deutschland ist, so schwach sind sie international präsent. Wenn sie in internationalen Marktstudien so weit vorn auftauchen, dann allerdings ausschließlich wegen ihrer starken Rolle in Deutschland, sagt Gartner-Analyst Peter Dück.

Wie sich die IT-Geschäftseinheiten der Siemens AG mittelfristig entwickeln werden und ob ein Happyend winkt, steht in den Sternen. Die heftigen Umstrukturierungen im Konzern werden für Unruhe und Reibungsverluste sorgen. Es bleibt also spannend in der bayerischen Landeshauptstadt und ihrem Vorzeigeunternehmen.

* Der Autor Jan-Bernd Meyer ist Redakteur bei der Computerwoche. [jbmeyer@computerwoche.de]