Referat vor dem Manager-Forum der Software AG Anfang November in Rottach-Egern:

Die zukünftige Rolle des Endbenutzers

05.12.1980

Die heutige Rollenverteilung ist klar: Der Endbenutzer formuliert seine Forderungen an die DV, und der Programmierer formuliert diese in eine computergerechte Befehlsstruktur um. Allerdings liegen zwischen diesen beiden Arbeiten noch die Phasen der Analyse des Ist-Zustandes, der Soll-Konzeption und der Detailplanung, die wiederum von anderen DV-Fachleuten abgewickelt werden.

Durch das Zusammenwirken verschiedener Fachleute treten Kommunikationsverluste auf, die das Ergebnis manchmal recht verschieden von den Vorstellungen des Auftraggebers ausfallen lassen.

Stagnierende Software-Produktivität

Doch das ist nicht der einzige Grund, weswegen sich Endbenutzer vielfach von der zentralen EDV "stiefmütterlich" behandelt fühlen. Häufige Gründe zum Klagen sind:

- Es dauert zu lange, bis eine DV-Lösung fertiggestellt ist,

- die Kosten liegen unerwartet hoch,

- die Arbeit mußte wegen wichtiger Projekte hintenangestellt werden.

Dies ist nicht ungewöhnlich, sondern eine alltägliche Situation der meisten EDV-Installationen. Man spricht hier gerne von der "Software-Krise".

Mit steigender Leistungsfähigkeit und steigender Preiswürdigkeit der Hardware eröffnen sich für den Endbenutzer die Möglichkeiten, seinen Informationsbedarf und komfortable DV-Lösungen - speziell im Online-Bereich - realisiert zu bekommen. Damit kann die Software-Entwicklung nicht Schritt halten. Ihre Produktivität ist weitgehend konstant geblieben. Das ist auch nicht verwunderlich: Formulieren wir doch seit gut 15 Jahren mit den gleichen Werkzeugen unsere Programme. Auch moderne Methoden, die den gesamten Entwicklungsprozeß reibungsloser gestalten und beschleunigen sollen, dringen nur langsam vor. Das Ergebnis: unbefriedigte Nachfrage bei den Endbenutzern.

Informationsdefizit

Bei den Unternehmen, die seit zehn oder mehr Jahren EDV betreiben, sind die Verwaltungsaufgaben weitgehend (zu mehr als 90 Prozent) durch EDV-Verfahren abgedeckt. Für Änderungsarbeiten und Reorganisation dieser Anwendungen wird erhebliche Programmierkapazität benötigt. Dagegen ist der Bereich Planung und Informationsbereitstellung nur teilweise durch EDV-Verfahren abgedeckt. Dies wird unterstrichen durch die vielen Firmen, die gerade dabei sind, "Informationssysteme" für Marketing, Vertriebssteuerung, Ersatzteilversorgung oder sonstige wichtige

Bereiche aufzubauen. Fachleute sprechen von einem Planungs- und Informationsdefizit in vielen Unternehmungen.

Information als Produktionsfaktor

Dabei ist der Wert richtiger, aktueller und gezielter Informationen nicht zu unterschätzen. In unserer Industriegesellschaft sollte man Information den gleichen Wert als Produktionsfaktor zumessen wie Energie, Rohstoffen oder technischem Know-how. Informationsbedarf fällt in zwei Formen

an; als planbarer und als nicht planbarer Bedarf. Für planbaren Informationsbedarf fällt in zwei Formen an; als planbarer und als nicht planbarer Bedarf. Für planbarer Informationsbedarf lassen sich statistische Auswertungen entwicklen, wobei die Informationen in Listen konzentriert werden.

Der nicht planbare Informationsbedarf läuft Hand in Hand mit dem ebenfalls nicht völlig planbaren Geschäftsverlauf. Kommt es zu einer überraschenden Situation im Geschäfts- oder Produktionsablauf,

ist die Überraschung groß: Für Situationsanalyse und Entscheidungen werden Informationen benötigt, für die zwar die Daten gespeichert sind - nur sie müssen herausgeholt werden!

Jetzt gibt es drei Möglichkeiten:

1. Man läßt sich schnell ein Programm dafür entwickeln.

2. Man stellt sich die Informationen manuell zusammen.

3. Man verzichtet darauf und entscheidet intuitiv.

Die erste Möglichkeit entfällt meist: Die Programmentwicklung dauert zu lange und ist zu teuer.

Anforderungen an Informationssysteme

Charakteristisch für einen Großteil der Informationswünsche ist:

- Sie können erst in der konkreten Situation definiert werden,

- sie sollten schnell - möglichst online - befriedigt werden,

- sie erfordern nur gezielte, kompakte Daten.

Daraus resultiert, daß ein Informationssystem in der Lage sein muß:

1. gezielte Fragen mit unterschiedlichen Suchkriterien gegen die Datenbestände zu ermöglichen.

2. zusätzliche Auswertungen und Statistiken kurzfristig bereitzustellen,

3. Daten einfach und schnell zu extrahieren, um einen beliebig strukturierten Bestand aufzubauen,

4. mit diesem Bestand Planungs- und andere Berechnungen durchführen zu können.

Dies alles kann in einem System schlechterdings schon vorprogrammiert sein. Der Endbenutzer muß also für solche Aufgaben Programmierer einspannen - oder es gleich selbst machen.

Werkzeuge für den Endbenutzer

Als Werkzeuge zur "Informationsgewinnung ad hoc" bieten sich schon lange Auswertungsgeneratoren (Reportgeneratoren) an. Ihre Akzeptanz bei den Endbenutzern ist allerdings recht

unterschiedlich. Hinzu kommt, daß sie nur teilweise den Anforderungen gerecht werden, weil sie Datenbestände-sequentiell durcharbeiten.

Zur selektiven Informationsbereitstellung benötigt man deshalb

1. ein Datenbanksystem,

2. eine Abfrage- oder Benutzersprache.

Es reicht allerdings nicht, irgendein Datenbanksystem einzusetzen. Bewährt haben sich hierfür "relationale" Datenbanksysteme auf der Basis invertierter Dateien, die äußerst abfragestark sind. Auf

dieser Basis erst lassen sich Abfragesprachen - oder, wenn die notwendigen Manipulationsfunktionen gegeben sind, auch Benutzersprachen - implementieren, die durch den Endbenutzer wirklich handhabbar sind.

"Personal Computing"

Mit solchen Werkzeugen kann es der Endbenutzer selbst in die Hand nehmen, den für die Geschäftsabwicklung erforderlichen Informationsbedarf zu befriedigen. Das ist realistisch und wird

heute in Ansätzen praktiziert. In der Zukunft kann diese autonome Computernutzung beachtliche Ausmaße annehmen.

Damit erhöht sich der Anteil der Endbenutzer an der Software-Entwicklung eines Unternehmens. Zugleich entsteht bei den Benutzern das psychologisch wichtige Gefühl der Zufriedenheit durch ihre etwas größere Autonomie und durch den besseren Service.

Wird die Arbeit auf den Endbenutzer abgewälzt?

Die Formulierung eines Informationswunsches in einer - wohlgemerkt - guten, mächtigen Benutzersprache ist weniger Aufwand als eine schriftliche Spezifikation für die Programmierung, wo eventuell durch Verständigungsschwierigkeiten noch ein anderes Resultat herauskommt.

Wird der Programmierer dadurch arbeitslos?

Keineswegs! Er wird entlastet von Routinearbeiten und Trivial-Transaktionen und kann sich darauf konzentrieren, leistungsfähige und komplexe Anwendungen zu erstellen und die Datenbasis zu implementieren.

Ein Wort der Warnung

Autonomie der Endbenutzer durch "personal computing" darf nicht zu einem Wirrwarr

eigenständiger DV-Verfahren und unkontrollierter Datenbestände führen. Es handelt sich hierbei nur um ein Werkzeug zur Ad-hoc-Informationsgewinnung, und sein Einsatz sollte entsprechend überwacht werden.

Die Pflege und Verantwortung der Datenbestände bleibt weiterhin Aufgabe der DV und der programmierten Verarbeitungsprogramme.

- Michael Bauer ist Prokurist und Leiter des Bereiches DV-Beratung bei der GES-Gesellschaft für elektronische Systemforschung mbH in Allensbach.