Merck forscht mit

Die Zeitung der Zukunft soll bald Realität sein

06.12.2010
Immer und überall die neuesten Nachrichten - im klassischen Medium Zeitung.

Ein Schlüssel dieser Technik ist die elektronische Tinte. Für diese Techniken rund um E-Ink und E-Paper engagiert sich auch die Darmstädter Firma Merck. Ihre Spezialisten sagen der Tinte, was sie zu tun und zu lassen hat.

Im Kino ist die Zeitung der Zukunft schon Realität. Wenn Harry Potter im "Daily Prophet" liest, hat er kein bedrucktes Papier in der Hand, sondern High-Tech. Die Zeitung aktualisiert sich ständig selbst. Sobald es etwas Neues gibt, wechseln Bilder und Texte in Sekundenschnelle.

Die mit E-Ink (elektronische Tinte) oder E-Paper (elektronisches Papier) befassten Techniker arbeiten weltweit daran, dass die Vision aus den Harry-Potter-Geschichten bald Wirklichkeit wird. Denn nicht nur Zeitungen könnten in naher Zukunft ganz anders aussehen als heute - auch Bücher und riesige Reklametafeln. In den USA wird für E-Books noch in diesem Jahr ein Marktanteil von fast zehn Prozent erwartet. Das elektronische Lesen - "E-Reading" - war auch auf der Frankfurter Buchmesse und der Berliner Elektronik-Messe IFA ein großes Thema.

Ermöglicht wird elektronische Tinte durch organische Elektronik. "Sie bietet komplett neue Möglichkeiten für komplett neue Anwendungen", sagt Johannes Canisius, der für das Darmstädter Unternehmen Merck das Forschungszentrum im britischen Southampton leitet. Der 43-Jährige spricht von einer Revolution. Denn die organische Elektronik kann herkömmliche Verfahren zur Herstellung von Displays basierend auf Silizium ablösen.

Vorteile: Elektronische Schaltungen müssen nicht mehr bei hohen Temperaturen auf Glas gebracht werden, sondern können deutlich günstiger bei Raumtemperatur auf Folien oder Papier gedruckt werden. Künftige neue Produkte werden dadurch biegsam und robuster und bieten wesentlich mehr Anwendungsmöglichkeiten. Displays von Fernsehern, Rechnern, Musik-Playern oder mobilen Tablet-Computern könnten also immer leichter und mobiler werden. E-Reading im Bett? Intelligente Verpackungen, die beispielsweise das abgelaufene Haltbarkeitsdatum farblich anzeigen? Kein Problem.

Bei der Zeitung der Zukunft könnten elektronische Schaltungen sowie innovative Display-Materialien direkt auf die Zeitungsseite aufgebracht werden. Diese könnten Daten aus dem Internet empfangen - und schon können neueste Nachrichten gelesen werden. Die dafür notwendigen Netze dürften in Zukunft praktisch zu jeder Zeit an jedem Ort zur Verfügung stehen.

Dann können auch einzelne Artikel aktualisiert werden - es muss nicht gleich eine ganze Zeitungsseite neu zum Kunden kommen. Oder: Dort, wo ein Bild zu sehen ist, kann auch ein Video betrachtet werden.

Ähnlich sieht auch das Buch der Zukunft aus. Statt mehrerer hundert Seiten genügt nun eine, die Folie, auf der umgeblättert werden kann. Niemand braucht mehr zehn Bücher mit in den Urlaub zu schleppen. "Das ist nicht nur außerordentlich praktisch" sagt Canisius, "sondern auch extrem 'grün'". Nur ein Beispiel: Für alle Harry-Potter-Bücher zusammen mussten mehrere Millionen Bäume gefällt werden.

Die beschriebene Technik kann auch auf großen Flächen genutzt werden - etwa auf riesigen Reklametafeln, die dann ihre Angebote beliebig wechseln können, etwa nach Tageszeit und Zielgruppe.

Dabei stellt Merck den Display-Herstellern Tinten zu Verfügung, die gezielt auf individuelle Bedürfnisse hin entwickelt wurden und in die die Bestandteile der organischen Elektronik schon eingearbeitet sind.

"Der Erfolg der iPods und der MP3-Spieler zeigt, dass die Menschen solch neue technische Möglichkeiten akzeptieren, so dass auch elektronische Lesegeräte und Zeitungen bald Alltag sein könnten", sagt Canisius. "In den nächsten 50 Jahren dürfte ein Großteil der Bücher in seiner jetzigen gedruckten Fassung durch E-Books ausgetauscht werden."

Gedruckte Elektronik wird künftig Einzug in viele Bereiche unseres täglichen Lebens finden. Canisius verweist auf Schätzungen von Marktanalysten, die weltweit ein Marktpotenzial von bis zu 50 Milliarden US-Dollar vorhersagen, wobei der Bereich E-Paper etwa ein Viertel ausmachen dürfte. (dpa/tc)