Data-Warehousing/"Du sollst nicht ..."

Die "Zehn Gebote" für Data-Warehouse-Projekte

05.07.1996

1. Du sollst nicht den falschen Sponsor wählen.

Um ein Data-Warehouse-Projekt erfolgreich durchzusetzen, sind außer dem Data-Warehouse-Manager zwei Schlüsselpersonen unabdingbar: der "Executive Sponsor", der meist aus einer wichtigen Linienfunktion stammt und über die notwendigen finanziellen Mittel für das Projekt verfügt, und der "Projekt-Driver", der das Vorhaben im Fluß hält und in die vereinbarte Richtung steuert. Wichtige persönliche Attribute sind dabei:

Beide sollten sich den Respekt der Geschäftsleitung bereits in anderen erfolgreichen Projekten verdient haben. Sie sollten eine skeptische Einstellung gegenüber der Technologie haben. Schließlich sollten sie Durchsetzungsvermögen und Flexibilität besitzen.

2. Du sollst keine unrealistischen Erwartungen wecken.

Bei einem Data-Warehouse-Projekt sind typischerweise zwei Phasen zu unterscheiden:

-Die Verkaufsphase. Hier wird dem Kunden aufgezeigt, wie einfach er Daten extrahieren kann, die dann grafisch aufbereitet auf jedem Arbeitsplatzrechner zur Verfügung stehen.

-Die Umsetzungsphase - der Moment der Wahrheit. Hier kämpft das Projektteam darum, die in der Verkaufsphase geweckte hohe Erwartungshaltung des Kunden zu erfüllen.

Das Data-Warehouse liefert dem Endbenutzer selten alle gewünschten Informationen. Data-Warehousing ist notwendigerweise sehr an Geschäftsbereichen orientiert. Viele Fragen, die von Managern gestellt werden, erfordern nicht nur konsolidierte, sondern auch sehr detaillierte Daten. Die Antwort lautet dann oft: "Leider haben wir im Moment keine Detailtransaktionsdaten geladen. Wir können dies jedoch für einen - nicht unerheblichen - Einsatz von Ressourcen (Zeit und Geld) jederzeit nachholen ..." Entscheider werden ihre Frustration derjenigen Person gegenüber zum Ausdruck bringen, die hohe Erwartungen geweckt hat.

3. Du sollst nicht das Data-Warehouse-Datenbankdesign mit OLTP verwechseln.

Data-Warehousing unterscheidet sich fundamental von der Online-Transaktionsverarbeitung (OLTP). Eines der Data-Warehousing-Ziele ist es, dem Benutzer verdichtete Information - zum Beispiel Verdichtung über verschiedene Detaillierungsebenen bis hin zur Einzeltransaktion, Trends etc. - zur Verfügung zu stellen. OLTP zielt dagegen auf die Einzeltransaktion.

Auch im Benutzerbereich gibt es enorme Unterschiede. Im Data-Warehouse werden Queries abgearbeitet, die der Benutzer vielleicht nur ein einziges Mal in dieser spezifischen Art formuliert. OLTP benutzt durch Programmierer vorbereitete Queries hundert-, ja tausendfach. Bessere Leistungseigenschaften (weniger Joins) und eine einfachere Bedienung führen dazu, daß die Datenbank im Data-Warehouse vielfach nicht normalisiert wird. Im OLTP werden die Daten "zweidimensional" nach Art einer SQL-Tabelle gespeichert.

4. Du sollst dein Data-Warehouse nicht mit Daten überschwemmen.

Nach Aussagen von William Inmon, der als Vater des Data-Warehouse-Konzepts gilt, liegen bis zu 80 Prozent des Aufwands für die Erstellung einer Data-Warehouse-Lösung im Lokalisieren, Bereinigen, Transferieren und Laden von Daten. Es gibt nichts Mühsameres für einen Benutzer, als sich durch endlose, manchmal redundante Feldnamen mit ellenlanger Feldbeschreibung zu kämpfen.

5. Du sollst keine Daten mit unklaren Definitionen liefern.

Die Notwendigkeit, einen Konsens über die Datendefinition zu erreichen, wird oft zur Achillesferse des Data-Warehouse-Projekts. Einfache Begriffe wie "Umsatz" lassen sich grundlegend verschieden definieren. Dabei geht es nicht nur um "Brutto"- oder "Netto"-Definitionen, inklusive oder exklusive Mehrwertsteuer, sondern auch um die Perspektive des Benutzers - sei er Verkäufer, Buchhalter, Logistiker oder Geschäftsführer.

Ein Unternehmen schaffte es tatsächlich, den Umsatz auf 27 unterschiedliche Arten zu definieren. Dadurch leidet die Glaubwürdigkeit der Information. Die Schuld daran werden die Anwender letztlich dem Data-Warehouse geben.

6. Du sollst keine Skalierbarkeitsmärchen glauben.

Drei Benutzer aus den Bereichen Handel, Produktion und Dienstleistung stellten kürzlich auf einer Konferenz ihre Erfahrungen mit Data-Warehousing vor. Obwohl die drei Unternehmen sehr unterschiedliche Konzepte verfolgen, sahen sie sich alle mit derselben Problemstellung konfrontiert. Innerhalb der ersten vier Monate nach Projektbeginn mußten sie jeweils mindestens noch einmal soviel in die Hardware investieren wie ursprünglich vorgesehen. Die Leistungsgrenzen wurden im Schnellzugtempo überschritten.

7. Du sollst keinen Techno-Data-Warehouse-Manager einsetzen.

"Der Einsatz eines Technokraten als Leiter unseres Data-Warehouse-Projekts war der größte Fehler, den wir bei der Implementierung begangen haben", waren die Worte des Geschäftsführers eines großen Unternehmens. Das benutzerfeindliche Verhalten des Projektleiters führte beinahe zum Absturz des gesamten Vorhabens. Ein Data-Warehouse ist eine Dienstleistung und kein Technoexzeß für Wissenschaftler oder DV-Freaks.

8. Du sollst nicht nur deine internen Datenquellen begehren.

In den USA hat eine Studie des Weißen Hauses ergeben, daß Geschäftsleitungsmitglieder ihre Entscheidungen zu mehr als 95 Prozent auf der Basis externer Informationsquellen wie Nachrichten, telefonische Informationen etc. treffen. Deshalb ist es manchmal nicht ganz einfach, diesem Gremium den Nutzen eines Data-Warehouse-Projekts zu verkaufen.

Also sollten externe Datenquellen im Lösungskonzept bereits sehr früh enthalten sein. Dabei geht es nicht nur um konven- tionelle Daten in externen Datenbanken, sondern auch um Bild- informationen, beispielsweise eine Vertragskopie, und um Audio- oder Videoinformationen wie etwa ein Videoclip der Produktankündigung des Mitbewerbers.

9. Du sollst deine Benutzer nicht mit Reports überschwemmen.

Manager leben oft in einer Welt aus Bergen verstaubter Papierreports. Mit der Data-Warehouse-Einführung stehen neueste Informationen in kürzester Zeit in Technicolor zur Verfügung. Es gilt der Versuchung zu widerstehen, die Manager anstatt mit Papierbergen nun mit einer Flut von elektronischen, bunten Berichten zu überrollen. Auch hier ist zu beachten, daß weniger oft mehr ist. Stichwort: "Management by Exception".

10. Du sollst nicht glauben, daß der produktive Start das Ende des Data-Warehouse-Projekts ist ...

... denn zufriedene Anwender begeistern potentielle Data-Warehouse-Benutzer. Und so entstehen neue Anforderungen sowie neue Anwendergruppen. Data-Warehousing ist eine Reise - und kein Ziel.

Angeklickt

Die Zurückhaltung zahlreicher möglicher Anwender hierzulande gegenüber Data-Warehouses ist nicht nur auf die weitgehend wenig positive Erinnerung an ähnliche Projekte unter Schlagworten wie Management Information Systems zurückzuführen. Viele fürchten, die immerhin beträchtlichen Investitionen in den Sand zu setzen, weil das Projekt komplex ist, viel Überblick und einen kühlen Kopf verlangt. Einige Leitsätze sollen helfen.

*Marcel Saxer ist Sales-Consultant Decision-Support-Systeme bei der Tandem Computer AG in Schlieren, Schweiz.