Thema der Woche

Die Wettbewerber kratzen am Kundenstamm der Telekom

16.10.1998

Die Konkurrenz der Telekom scheint ihr Marktpotential im liberalisierten Telekommunikationsumfeld voll auszuschöpfen. Diese Interpretation legt eine Studie der COMPUTERWOCHE zum Telefonverhalten von Unternehmenskunden im liberalisierten TK-Markt nahe.

So erwarten beziehungsweise beobachten über zwei Drittel der befragten 518 Unternehmen Auswirkungen des freien Telefonmarktes auf das eigene Unternehmen. Die Chance, im Wettbewerbsmarkt zu einem der neuen Anbieter zu wechseln, nutzen dabei fast 20 Prozent der Firmen. Damit bestätigen sich die Prognosen der Marktforscher und Berater. Diese hatten im letzten Jahr vor der zum 1. Januar 1998 erfolgten TK-Liberalisierung das Marktpotential der Telekom-Herausforderer langfristig auf rund 20 Prozent geschätzt.

Obwohl fast 70 Prozent der befragten Unternehmen glauben, daß die Liberalisierung Einsparungen ermögliche, halten die meisten der Telekom die Treue. An die von Politikern vielbeschworene Aussicht, nach der Liberalisierung könnten Telefonkunden ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern, glaubt nur eine Minderheit. Am ehesten werden noch Verbesserungen in Sachen Service und Flexibilität erwartet.

Nach dem konkreten Sparpotential befragt, geben die Unternehmen zu Protokoll, daß seit der Marktöffnung ihre Rechnungen für Daten- und Sprachkommunikation durchschnittlich um 20 Prozent niedriger ausfallen. In Sachen Mobilfunk verbuchen sie Einsparungen in der Größenordnung von 17 Prozent. Dieser geringere Wert verwundert deshalb nicht, weil die drei Netzbetreiber T-Mobil, Mannesmann und E-Plus den Markt wie ein Oligopol beherrschen. Kosten können die Unternehmen hier letztlich nur bei Gesprächen vom Festnetz zum mobilen Mitarbeiter einsparen oder durch technische Tricks in der TK-Anlage, so daß Handy-Gespräche zu den netzinternen Tarifen abgerechnet werden.

Die Option, über einen der Telekom-Konkurrenten billiger zu telefonieren, nutzen vor allem mittelständische Unternehmen mit 50 bis 500 Beschäftigten. Deutlich geringer ist dagegen die Wechselbereitschaft bei den Großunternehmen (mehr als 500 Beschäftigte) ausgeprägt. Lediglich zehn Prozent dieser Firmen entschieden sich seit Januar 1998 für einen anderen Sprachnetzanbieter. Diese niedrige Zahl relativiert sich allerdings dadurch, daß diese Companies bereits in der Vergangenheit im Zuge der Corporate-Network-Regelung dem Gebührendiktat des öffentlichen Telefonnetzes entfliehen konnten.

Zur Erinnerung: Seit 1993 bestand in Deutschland in sehr eingeschränktem Umfang die Möglichkeit, Sprachvermittlung außerhalb des Telekom-Monopols abzuwickeln. Zum 1. August 1996 endete dann das Übertragungswege-Monopol mit Inkrafttreten des Telekommunikationsgesetzes (TKG). Seit diesem Zeitpunkt bestand zumindest im Geschäft mit großen Unternehmenskunden ein Wettbewerbsmarkt.

Über die Hälfte der Großunternehmen hat bereits vor 1998 aus Kostengründen ein Corporate Network aufgebaut, das in der Regel auch selbst verwaltet wird. Die Bereitschaft, sich hier auf einen Outsourcing-Partner zu verlassen, ist nur bei einem Drittel der Großunternehmen vorhanden. Selbst wenn die Konzerne ein Corporate Network einrichteten, hielten sie überwiegend der Telekom die Stange. Lediglich 18 Prozent vertrauten ihre Sprachkommunikation einem anderen Anbieter an.

Doch nicht nur im Corporate Networking ist die Telekom der Platzhirsch. Auch in der Sprachkommunikation ganz allgemein nutzen über 80 Prozent der Unternehmen die Dienste des Bonner Carriers. Platz zwei hält Mannesmann Arcor. Dem Unternehmen, das sich seit 1992 bereits mit seinem Handynetz einen Namen machte, vertrauen 13 Prozent der Befragten in Sachen Sprachkommunikation im Festnetz. Dritter im Bunde der erfolgreichen Newcomer ist Mobilcom. Das Unternehmen, das zu einem der ersten Anbieter im deregulierten Markt gehörte, hat vor allem bei kleineren Unternehmen (drei bis 49 Beschäftigte) einen erklecklichen Marktanteil erobert. Über 20 Prozent dieser Klientel arbeiten mit diesem Anbieter.

Auch im liberalisierten TK-Markt bestraft die zu spät Gekommenen das Leben. So hat sich beispielsweise die PR-Arbeit von Otelo, das Anfang des Jahres nicht müde wurde zu betonen, der späte Markteintritt komme einer besseren Qualität zugute, bei den Befragten nicht ausgewirkt. Nur drei Prozent nutzen die RWE-Tochter in Sachen Telefonie. Noch schlechter steht der bayerische Konkurrent Viag Interkom da. Für den Münchner Konzern konnten sich lediglich zwei Prozent der Studienteilnehmer erwärmen. Ein Wert, den TK-Anbieter wie Teldafax, Worldcom oder Colt übertreffen. Dies überrascht vor allem bei Colt, denn zum Zeitpunkt der Befragung hatte die Firma noch keine bundesweite Sprachlizenz und agierte als City-Carrier. In dieser Liga ist Colt jedoch Klassensieger und errang einen höheren Marktanteil als Isis oder Netcologne. Letztlich hat sich also für die Carrier der frühe Markteinstieg, verbunden mit dem rechtzeitigen Aufbau einer eigenen Logistik, gelohnt.

Suchen die Unternehmen eine Alternative zur Telekom, präferieren vor allem die Kleineren das Call-by-Call, während das Verfahren bei Großunternehmen kaum eine Rolle spielt. Diese setzen neben dem Corporate Network eher auf Least Cost Routing. Der Mittelstand (50 bis 500 Beschäftigte) bevorzugt dagegen die Preselection-Methode. Call-by-Call nutzen vor allem Organisationen, die sich nicht fest an einen Anbieter binden und bei jedem einzelnen Anruf den günstigsten Tarif wählen wollen. Gleichzeitig schätzen die Firmen die Möglichkeit, einen künftigen TK-Partner vorab zu testen. So wollen 25 Prozent der Call-by-Call-Benutzer demnächst einen Preselection-Vertrag unterzeichnen.

Ein etwas anderes Bild zeigt sich bei der Datenkommunikation. Zwar hält hier die Telekom ebenfalls unangefochten die Spitze, mit 63 Prozent ist ihr Marktanteil jedoch deutlich kleiner. Hier konnten vor allem die zahlreichen Internet-Service-Provider (ISPs) den Carriern Kunden abjagen. Entsprechend gering ist die Bedeutung der Telekom-Konkurrenten Mannesmann Arcor, Otelo oder Viag Interkom. So haben etwa bei Großunternehmen in Sachen Datenkommunikation länger etablierte Spezialanbieter wie IBM (Global Network) oder Compuserve die Nase vorn.