Von Viag Interkom über O2 bis zu Telefónica

Die wechselvolle Geschichte von O2

09.11.2012
Von 
Christian Merten ist als freier Journalist in München tätig.

2002: O2 Germany kommt

Im Jahr 2002 erhält Viag Interkom einen neuen Namen: O2 Germany heißt fortan der vierte Mobilfunkanbieter auf dem deutschen Markt. Ein absurd anmutender Streit entbrennt am neuen Namen. Die Vodafone D2 GmbH befürchtet, dass O2 mit D2 verwechselt werden könnte und setzt durch, dass O2 Germany im Namen entweder eine kleine, tief gestellte 2 oder ein kleines o verwenden muss.

Wichtiger ist jedoch die wirtschaftliche Entwicklung: O2 Germany verlässt die Verlustzone und erwirtschaftet erstmals ein positives Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen. Ende 2002 zählt das Unternehmen gut 4,5 Millionen Mobilfunkkunden und bleibt Vierter im Wettbewerb - bis heute.

2003: UMTS startet langsam

2003 wird das Startjahr für UMTS in Deutschland. Zumindest theoretisch. Nach der Versteigerung der Lizenzen hatten sich die Telekommunikationsunternehmen verpflichtet, bis 2003 25 Prozent der Bevölkerung mit UMTS zu versorgen. O2 erweitert seinen Vertrag über das nationale Roaming mit T-Mobile um UMTS. Doch kaum jemand interessiert sich für den Service - auch wenn damit Übertragungsgeschwindigkeiten im Megabitbereich möglich wurden. Die Netze sind für die mobile Nutzung noch nicht ausreichend ausgebaut. Die hohen Kosten für Lizenzen und Netzausbau machen allen Mobilfunkern zu schaffen.

2004: UMTS-Karte für Notebooks

Erst 2004 beginnt die kommerzielle Nutzung der teuer ersteigerten UMTS-Frequenzen. O2 Germany bringt mit einer UMTS-/GPRS-Karte für Notebooks sein erstes UMTS-Produkt mit entsprechendem Tarif auf den Markt. Das Unternehmen investiert in seine Marke O2 und eröffnet unter anderem seinen ersten Flagship-Store in München.

Einen speziellen Tarif für das Surfen zu Hause führt O2 Germany 2005 ein. Das Unternehmen folgt damit der Logik seines Produktes Genion. Nicht per Festnetz, sondern per Mobilfunk ermöglicht das Unternehmen seinen Kunden die Nutzung des Internets und bringt einen speziellen UMTS-Router unter dem Markennamen surf@home auf den Markt.

2006: Telefonica greift zu

Ende 2005, Anfang 2006 steht bei O2 wieder ein Eigentümerwechsel an. Die spanische Telefónica S. A. übernimmt den Mobilfunkbetreiber, der aus der Zeit als Tochter von British Telecommunications nicht nur in Deutschland, sondern auch in Großbritannien und Irland aktiv ist. Wert des Deals: 26 Milliarden Euro. Die Spanier kaufen dafür ein Geschäft mit 25 Millionen Mobilfunkkunden und lösen damit die Deutsche Telekom als zweitgrößten Telekommunikationskonzern in Europa nach der britischen Vodafone ab. Telefónica ist vor allem auf dem spanischen Heimatmarkt und in Lateinamerika stark gewachsen. Von den 173 Millionen Kunden des Konzerns telefonieren rund 100 Millionen mobil.

Im Festnetzbereich vereinbart Telefónica Deutschland eine Zusammenarbeit mit Hansenet, einem Telekommunikationsunternehmen, das aus der Hamburgischen Electricitäts-Werke AG hervorgegangen ist und mittlerweile zu Telecom Italia gehört. Hansenet will über die Zusammenarbeit deutschlandweit eine bessere DSL-Abdeckung erreichen. Telefónica ist vor allem seit den Übernahmen der Bertelsmann-Tochter mediaways und von HighwayOne in Deutschland als Internet- und Netzwerkdienstleister mit eigenem Festnetz aktiv.

O2 Germany überspringt die 10-Millionen-Marke bei Kunden. Technisch schaltet das Unternehmen gegen Ende 2006 den Turbo für UMTS an und startet HSDPA (High Speed Downlink Packet Access) und ermöglicht so Megabit-Geschwindigkeiten im Mobilfunknetz.

2007: Einstieg ins Discountgeschäft mit Fonic

Der Wettbewerb um Marktanteile auf dem deutschen Telekommunikationsmarkt wächst. Insbesondere E-Plus erhöht immer wieder mit niedrigen Preisen für Flatrates unter seiner Marke Base den Preisdruck im Markt. O2 Germany steigt 2007 in das Discountgeschäft ein und geht mit der Marke Fonic an den Start. Im Festnetzgeschäft verschärft sich der Ton unter den Wettbewerbern. Telefónica kritisiert die Deutsche Telekom und wirft ihr Missbrauch ihrer starken Marktposition vor allem auf der "letzten Meile" zum Kunden vor. Hansenet steigt ins Mobilfunkgeschäft ein und vertreibt unter dem eigenen Namen Services von O2.

2008 passt O2 seinen Unternehmensnamen an den Mutterkonzern Telefónica an. Die deutsche Tochter bekommt den Namen Telefónica O2 Germany. O2 bleibt die wichtigste Marke, unter der das Unternehmen seine Produkte und Services anbietet. Das Festnetz von Telefónica Deutschland gehört jetzt auch zum Unternehmen.

Nach außen verstärkt das Unternehmen seine Sichtbarkeit. Es startet eine Kampagne über sein gesellschaftliches Engagement unter www.o2engagiert-fuer-morgen.de. In Berlin bekommt eine neue multifunktionale Veranstaltungshalle den Namen O2 World.

2009: "Kostenairbag" für O2-Kunden

Das immer dichter und für Kunden verwirrender gewordene Tarifdickicht bekämpft Telefónica O2 Germany im Jahr 2009 mit dem Tarif "O2o" und beschert der Welt das Wort "Kostenairbag". Damit erklärt das Unternehmen die Besonderheit seines Angebots: An einem Schwellenwert von 60 Euro werden die Kosten für Gespräche und SMS gekappt. Die Leser des Telekommunikationsmagazins connect wählen O2o zur Tarif-Innovation des Jahres.

2010: Mobilfunk im eigenen Netz und LTE-Versteigerung

2010 hat die ehemalige Viag Interkom es geschafft und kann ohne die Hilfe der Deutschen Telekom bundesweit Mobilfunk über das eigene Netz anbieten. Das hatte O2 bereits Ende 2008 so ausgebaut, dass das Unternehmen nach eigenen Angaben 99 Prozent der Bevölkerung erreichte. Die Kooperation mit T-Mobile endet Anfang des Jahres. Sein Festnetzgeschäft vergrößert Telefónica in Deutschland durch den Erwerb der Hansenet.

Im Mai des Jahres bietet Telefónica O2 Germany bei der Versteigerung der LTE-Frequenzen mit. Verglichen mit der UMTS-Auktion im Jahr 2000 bleiben die Preise niedrig: 1,38 Milliarden Euro muss das Unternehmen für seine ersteigerten LTE-Frequenzen hinlegen. Unternehmenschef René Schuster kündigt noch für Ende des Jahres den Betrieb des ersten regionalen LTE-Netzwerks an.

Anfang 2011 ändert das Unternehmen wieder seinen Namen und streicht das "O2" in der Bezeichnung. Es heißt nun nur noch Telefónica Germany. Am Markenauftritt ändert sich dadurch jedoch nichts. O2 bleibt die starke Marke im Unternehmen.

Im Mobilfunkgeschäft erweist sich weiterhin vor allem der Datenverkehr als Wachstumstreiber. Stolz bezeichnet sich das Unternehmen selbst als "Home of Smartphone", das "Zuhause der Smartphones". Neun von zehn bei O2 verkauften Handys sind Smartphones. Doch O2 wird Opfer des eigenen Erfolgs: Das Netz kann nicht überall mit der wachsenden Nachfrage mithalten. An einigen kritischen Ballungspunkten kommt es zu Engpässen; die Verbindung ins Netz ist langsam oder kommt gar nicht zustande. Enttäuschte Kunden beklagen sich bei der Service-Hotline und bekommen die Antwort, dass es sich bei ihnen um einen Einzelfall handele. Ein von ihnen öffnet daraufhin den Blog wir-sind-einzelfall.de. Die Medien greifen das Thema auf. Telefónica geht kommunikativ in die Offensive und gelobt Besserung. Die Wettbewerber halten sich überwiegend zurück, weil sie ähnliche Probleme kennen und auch befürchten. Nur die Deutsche Telekom zeigt kurzfristig Häme.