3. Teil

Die Vorstellung einer "Zukunft ohne Technik" ist reine Illusion 3. Teil

02.10.1981

Es ist kein Geheimnis, daß Voraussetzung wirtschaftlich-technischer Erfolge der hochwertige Manager ist. Solche Manager brauchen nicht nur umfassende Fähigkeiten (vor allem im wirtschaftlichen, technischen, politischen und psychologischen Bereich), sondern auch die Bereitschaft zu außerordentlichen Arbeitsleistungen - da gibt es keine 40 oder gar 35 Wochenarbeitsstunden, da sind 60 oder 80 Stunden (und manch schlaflose Nächte) die Regel.

Kann jemand im Ernst glauben, diese Fähigkeiten und Arbeitsleistungen könnten aufgeteilt werden in 20 Wochenstunden für einen Wirtschaftler, einen Techniker, einen Politiker und einen Psychologen? Damit würde das Unternehmen und schließlich unsere gesamte Wirtschaft mit Sicherheit zugrunde gerichtet.

Vor allem der kreative Prozeß ist nicht teilbar: Er braucht die uneingeschränkte Konzentration auf das Problem, bis hin zur Distanzierung der kreativen Persönlichkeit aus der sozialen Kommunikation.

So könnte sich in Zukunft ein neuer Klassenkampf einstellen - an einer ganz anderen Front, als dies Marx einst vermutete: Auf der einen Seite die lang, konzentriert und kreativ Arbeitenden - auf der anderen Seite die gelegentlich, leicht und routinemäßig Arbeitenden. Und es ist zu befürchten, daß die Minderheit der schwer arbeitenden von der flanierenden Mehrheit hemmungslos ausgebeutet würde.

Die Diskussion über das Thema "Zukunft ohne Technik?" wäre unbefriedigend ohne die Überlegung der Frage, wie es denn auf dieser Erde wohl weitergehen wird.

Ohne als Futurologe gelten zu wollen, von denen meines Wissens noch keiner jemals die Verantwortung für die Folgen seiner falschen Voraussagen übernommen hat, kann man wohl doch soviel feststellen:

- Es ist wahrscheinlich, daß die Erdbevölkerung von gegenwärtig etwa 4,5 Milliarden Menschen bis zum Jahre 2000 auf wenigstens 6 bis 7 Milliarden wachsen wird.

- Die Schicksalsfrage der Menschheit wird es sein, ob ein großer Krieg unter Einsatz von ABC-Waffen vermieden werden kann, der die Menschenmassen dezimieren - ja möglicherweise das menschliche Leben auf der Erde gänzlich beenden könnte.

Mir erscheint ferner als wahrscheinlich, daß

- keine der beiden Supermächte - weder die USA noch die UdSSR - bewußt einen großen Krieg will: Einerseits wegen der unvermeidbar hohen eigenen Verlüste (auch im Falle eines "Sieges"), andererseits wegen der Zerstörung der möglichen Kriegsbeute, beispielsweise des hochindustrialisierten Mitteleuropas;

- ein großer Krieg aber trotzdem ausbrechen kann, beispielsweise durch Eskalation aus untergeordneten Anlässen heraus, durch technische Pannen in der Kriegsautomatik oder durch Irrtümer der Entscheidenden, zwischen denen trotz aller "heißen Drähte" und "roten Telefone" Mißverständnisse nicht auszuschließen sind;

- die Situation dadurch immer gefährlicher wird, daß mehrere Nationen mit aggressiven Absichten oder in verzweifelter Defensivsituation in den Besitz von Atomwaffen kommen oder solche schon haben. Die Gefahr wird weiter dadurch vergrößert, daß Atomwaffen allmählich auch in die Verfügung terroristischer Gruppen gelangen konnten;

- die voraussehbare Zukunft wahrscheinlich bestimmt wird durch Auseinandersetzungen unterhalb der Schwelle dessen, was man als "Krieg" im klassischen Sinne versteht: durch ideologische Unterwanderung, Waffenlieferungen, "Stellvertreterkriege", gelegentliche "kalte" Ausweitung des Einflußbereichs und durch Drohungen mit schrecklichen Waffen;

- die Zukunft sehr stark durch Kämpfe um Ressourcen bestimmt sein wird - typisch hierfür sind die Auseinandersetzungen um die Ölquellen des Vorderen Orients.

Diese Tatsachen passen überhaupt nicht zu den Vorstellungen, welche durch die ersten spektakulären, längst widerlegten Publikationen des "Club of Rome" über die "Grenzen des Wachstums" verbreitet wurden.

Unter dem Eindruck dieser Publikation entstand in der Öffentlichkeit vielfach die Meinung, die Ressourcen unserer Erde gingen zu irgendeinem voraussehbaren Zeitpunkt schlagartig zu Ende, und dann käme die globale Katastrophe. Um dieser zu entgehen, mußte schleunigst jeglicher technischer Fortschritt eingestellt werden.

Aber diese Meinung ist ganz falsch und irreführend: Es wird nie zu einer solchen schlagartigen Katastrophe kommen - vielmehr werden verschiedene Ressourcen zu unterschiedlichen Zeitpunkten immer knapper. Dem können wir durch Sparsamkeit, Substitution und Recycling begegnen - was auch nur wieder mit hochwertiger Technik gelingt.

Auf dem Weltmarkt werden die knappen und teuren Ressourcen dorthin fließen, wo die begehrtesten Produkte erzeugt werden. Um solche begehrten Produkte herstellen zu können, brauchen wir wiederum eine hochwertige Technik.

Wir müssen zur Erhaltung unserer Existenzgrundlagen mit minimalem Ressourcenverbrauch maximale Wertschöpfung schaffen. Alle diese Problemlösungen führen zu hochkomplexen, intelligenten Techniken, die viel wissenschaftlich-technische Kreativität voraussetzen. In diesen intelligenten Techniken liegen unsere Zukunftschancen - nicht jedoch in primitiven oder altbekannten Techniken, wo uns halbentwickelte Länder mit niedrigen Lohnkosten aus den Märkten verdrängen.

Bei den objektiven Gegebenheiten unseres dichtbesiedelten Mitteleuropas, seiner geringen natürlichen Ressourcen, seiner hohen Bevölkerungsdichte und seiner enormen wissenschaftlich-technischen Kreativität kann unser Zukunftsentwurf nur der sein einer technisch-hochwertigen "Welt-Werkstatt". Die Vorstellung einer "Zukunft ohne Technik" ist reine Illusion - eine gefährliche Illusion. Wir müssen vielmehr, um auch die Zukunft meistern zu können, unsere Chance - die wissenschaftlich-technische Kreativität - erkennen und sie nutzen, indem wir mit Sachverstand und Verantwortungsbewußtsein planen und mit Optimismus ans Werk gehen.

Quelle: "Rohr-Post", Heft 76, August 1981, Zeitschrift für die Aktionäre und Geschäftsfreunde der Mannensmann AG.

Klassenkampf

So könnte sich ein neuer Klassenkampf einstellen - an einer ganz anderen Front als dies Karl Marx einst verkündete:

Auf der einen Seite die lang, konzentriert und kreativ Arbeitenden - auf der anderen Seite die gelegentlich, leicht und routinemäßig Arbeitenden. Und es ist zu fürchten, daß die Minderheit der schwer arbeitenden von der flanierenden Mehrheit hemmungslos ausgebeutet würde.